Soulfeeding
Draco schlief bald ein, erschöpft von den Ereignissen der letzten Tage. In letzter Zeit hatte er kaum geschlafen, weil er immer gefürchtet hatte, die Todesser würden ihn und Snape im Schlaf aufspüren. Diesmal kam er glücklicherweise mit traumlosem Schlaf davon, aber der wahre Alptraum erwartete ihn ohnehin, als er aufwachte.
Am Abend war er zu erschöpft und genervt gewesen, um es zu bemerken, aber er hatte seit zwei Tagen nicht gegessen und sein Magen verkrampfte sich schmerzvoll. Aber es war ihm ja wenigstens erlaubt, zum Essen in die große Halle zu gehen. Er schlug die Decke zurück und schlüpfte aus seinen Klamotten um sich schnell zu duschen. Danach fühlte er sich um einiges besser und zog sich den Anzug an in dem er gekommen war. Der musste noch saubergemacht werden, aber diese alte Ziege hatte ihm ja seinen Zauberstab abgenommen.
Als er die Halle betrat, richteten sich innerhalb von kürzester Zeit alle Augen auf ihn. Zuerst setzte leises Getuschel ein, die Schüler steckten die Köpfe zusammen, dann wurden einzelne Stimmen laut.
"Verschwinde!"
"Verräter!"
Ein Junge aus Rawenclaw stand auf und marschierte auf ihn zu. "Was denkst du was du hier tust hä?"
"Ich frühstücke", antwortete Malfoy knapp. Der andere hob die Faust und wollte sie ihm offenbar ins Gesicht donnern, aber Draco packte sie und hielt sie fest. "Wage es nicht mich zu schlagen."
"DU hast es VERDIENT!", keifte der Junge. "Wegen dir ist Dumbledore TOT!" Seine Stimme hallte durch den gesamten Raum und um sie herum wurde es totenstill. Malfoys Gesicht zuckte ein wenig und er schleuderte den Jungen ein wenig von sich weg. "Verzieh dich!"
Dann setzte er sich an das leere Ende des Slytherin-Tisches. Der Junge aus Rawenclaw rappelte sich wieder auf und funkelte ihn finster an. "Glaub ja nicht, dass dus hier leicht haben wirst. Du wirst dir wünschen du wärst beim dunklen Lord geblieben." Damit gesellte er sich wieder zu den Mitgliedern seines Hauses, die ihn des öfteren mit angewiderten Blicken musterten. Auch die anderen Häuser tuschelten in kleinen Grüppchen und er ging davon aus, dass es nicht gerade nette Sachen waren, die sie sich erzählten.
Draco hatte eigentlich nichts anderes erwartet. Warum zur Hölle sollte er hier auch willkommen sein? Lustlos aß er drei Toasts und begann dann seinen Kürbissaft zu trinken, während er ausdruckslos vor sich hinstarrte.
Silva beobachtete ihn dabei. Das geschah ihm Recht. Sie hoffte darauf, dass die Anfeindungen der anderen Schüler ihr den unliebsamen Gast vielleicht wieder vom Hals schaffen könnten.
Aber bisher schien es ihm nicht besonders viel auszumachen. Er blieb sehr lange sitzen, obwohl man glauben mochte, dass er den Feindseligkeiten schnell wieder entkommen wollen würde. Natürlich wollte er das auch, aber sein Stolz ließ es nicht zu. Er blieb sitzen bis bereits die Hälfte der Schüler den Saal verlassen hatten. Einige spuckten im Vorbeigehen neben ihm auf den Boden, oder gar auf seinen Anzug und murmelten Dinge wie "Dreckiger Todesser" oder "erbärmlicher Idiot." Malfoy warf ihnen finstere Blicke zu, versuchte sich aber nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn seine Situation verunsicherte.
Als der Saal fast leer war stand er auf und ging langsam, den Kopf stolz erhoben, zurück zum Slytherin-Gemeinschaftsraum. Als er kurz davor war den Raum zu betreten, hörte er vertraute Stimmen. Er stockte in seiner Bewegung und lauschte.
"Und wie kommt es, dass er hier ist?"
"Er versteckt sich vor Du-weißt-schon-Wem." Das war Silva.
Einer der anderen Schüler schnaubte. "Wie erbärmlich, erst schließt er sich ihm an und jetz isser zu feige, um zu ihm zu stehen."
"Sein Vater is ja auch nich mehr das, was er mal war", merkte ein anderer an. "Habt ihr sein Foto im Tagespropheten gesehen? Der sieht vollkommen fertig aus."
"Die Malfoys sind ganz schön tief gesunken was?"
Mit wutverzerrtem Gesicht marschierte Malfoy in den Gemeinschaftsraum. Er räusperte sich und alle fuhren erschrocken herum und starrten ihn an. Als sie ihn erkannten, verzogen sich ihre Gesichter wieder zu feindseligen Fratzen.
"Ja, komm nur hier bei uns angekrochen." meinte einer. "Damit der dunkle Lord noch mehr Gründe hat uns anzugreifen."
Crabbe und Goyle saßen in einer Ecke auf dem Sofa und würdigten weder die Schüler noch Draco auch nur eines Blickes.
"Ihr habt doch keine Ahnung." blaffte hier. "Sitzt hier, sicher und eingelullt wie die Kaninchenbabys und glaubt große Reden über Voldemort schwingen zu können."Keine Antwort. Mit großen Augen sahen sie ihn an. Er warf einen letzten herablassenden Blick auf die Gruppe und knallte seine Tür hinter sich zu. Bei dem Namen "Voldemort" waren sie kurz verstummt, aber jetzt warfen sie sich wieder Blicke zu.
Silva hatte genug davon. Auch wenn sie ihn nicht leiden konnte, mit solchem Unsinn wollte sie nichts zu tun haben. Schnell schnappte sie sich einen Apfel und verschwand in die Schlafsääle.
In den ersten beiden Stunden hatten sie Geschichte der Zauberei. Silva saß an ihrem üblichen Platz. Neben einem Mädchen aus Rawenclaw und einem anderen aus Slytherin. Draco kam in der letzten Minute und verzog sich in eine leere Bank in der letzten Reihe. Er stützte seinen Kopf auf seine rechte Hand und blickte uninteressiert vor sich hin. Professor Binns schwebte in den Raum und begann in seiner monotonen Stimme einen Vortrag über Koboldaufstände herunterzuleiern. Der Unterricht langweilte eigentlich immer jeden, mit Ausnahme von dieser Granger. Während der Stunde landeten einige hastig gefaltete Zettel auf seinem Tisch, die höchstwahrscheinlich keine netten Worte enthielten. Draco ließ sie einfach vor sich liegen und versuchte die grinsenden Gesichter der anderen nicht zu sehen.
Das Ganze hier war demütigend. Es gehörte sich nicht für einen Malfoy, so behandelt zu werden. Er hatte abends nicht einmal mehr Lust etwas zu essen, aber sein Magen meldete sich natürlich wieder. Bemüht eine emotionslose Miene aufzusetzen, begab er sich wieder in den Saal und setzte sich unter den Blicken der anderen wieder weit abseits. Diesmal verschwand er schneller. Er hatte genug für heute.
Silva wachte mitten in der Nacht auf, weil sie auf die Toilette musste. Als sie gerade aus dem Badezimmer kam, hörte sie den Kamin im Gemeinschaftssaal knistern. Merkwürdig. Normalerweise war das Feuer um diese Zeit bereits aus. Das hieß, so spät war eigentlich kein Schüler mehr unten für den das Feuer brannte.
Langsam schlich sie die Treppen hinunter und lugte in den Raum. Sie wollte wissen wer sich da so spät noch herumtrieb. Es war Draco. Er saß, immer noch in seinem schwarzen Anzug, zurückgesunken in einem Ledersessel und starrte in die Flammen. Ohne ein vorheriges Anzeichen dass er sie bemerkt hatte, sah er plötzlich hoch. Seine emotionslosen grauen Augen bohrten sich direkt durch ihre. Silva zuckte zusammen, richtete sich dann aber auf und sah ihn bestimmt an.
"Was willst du, Lacroix?"
"Wissen was hier noch treibst."
"Das geht dich gar nichts an."
"Leider tut es das."
"Nein." erwiderte er scharf. "Es geht dich absolut gar nichts an was ich mache, solange es nichts ist was ich nicht darf."
Sie verzog das Gesicht. "Woher soll ich wissen, dass du nichts Verbotenes machst?"
"Ich sitze hier nur verdammt nochmal!" schnarrte er. "Verzieh dich. Kleine Mädchen brauchen ihren Schlaf."
"Ich bin kein kleines Mädchen." sagte sie bestimmt. "Und ich traue dir nicht. Kein bisschen."
Er zuckte die Schultern.
"Ich warne dich..." fügte sie mit drohendem Unterton an. Dann drehte sie sich um und stieg die Treppenstufen wieder hinauf.
Malfoy lehnte sich seufzend in dem Sessel zurück und merkte, wie sich seine Mundwinkel schmerzhaft nach unten zogen. Er hatte schlecht geträumt und fühlte sich furchtbar. Die Ereignisse im malfoyschen Anwesen jagten ihn in seinen Gedanken aber leider auch in seinen Träumen. Mit der Art Brutalität die Voldemort ausgeübt hatte, wollte er nichts zu tun haben. Nicht im Geringsten. Aber es war zu spät.
Er musste schwer schlucken, um die Tränen zu verdrängen, die in seiner Kehle steckten wie ein dicker Kloß. Und dann erlaubten sich diese bescheuerten Kinder auch noch ihn zu beleidigen, obwohl sie wahrscheinlich sicher und behütet mit herzlichen Eltern aufgewachsen waren und sich nie auch nur im Geringsten mit einer Situation wie seiner konfrontiert sahen.
Langsam ließ er sich vornüber sinken und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Ein zittriges Gefühl durchströmte seinen Körper, wie so oft in den letzten Monaten. Sein Gesicht nur noch eine einzige schmerzverzerrte Grimasse.
Den nächsten Morgen verschlief er. Als er aufwachte, war es schon später Nachmittag, aber natürlich hatte niemand ihn vermisst, also war es vollkommen egal. Resigniert starrte er an die Decke. Nichteinmal Crabbe und Goyle wollten sich mehr zu ihm bekennen. So wie er behandelt wurde, war das auch kein Wunder. Er konnte es ihnen nicht verdenken. Es war nicht so dass er sich nach seiner früheren Macht sehnte, nur die Feindseligkeit, die ihm entgegenschlug, machte seine Lage nicht gerade erträglicher. Nein. Natürlich nicht. Aber was konnte er schon erwarten?
Er erschrack als jemand unsanft an seine Tür hämmerte. "Was treibst du da drin? Du hast Unterricht."
Silva.
"Lass mich zufrieden." brummte er genervt.
"Du hast zum Unterricht zu gehen." erwiderte sie ungerührt. "Wir haben jetzt Arithmantik. Steh auf."
"Du kannst mich mal!" rief er und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Alohomora."
Das Schloss sprang auf und Silva trat in den Raum. "Ich warte."
"Verdammt nochmal..." fluchte er. "Ihr könnt mich alle mal...ihr könnt mich.." murmelte er mit zusammengebissenen Zähnen und stieg aus dem Bett. Ein bitterer Geschmack stieg ihm in die Kehle und benetzte seine Zunge. Hastig zog er seinen Zaubererumhang über und folgte Silva, die ungeduldig weit vorauslief, ins Klassenzimmer.
Es lief nicht besser als gestern. Unglücklicherweise waren in diesem Raum nicht so viele Plätze und er musste sich neben Seamus aus Griffindor setzen, der demonstrativ einen Meter von ihm abrückte und mit seinem Banknachbar Gesten in seine Richtung machte.
Malfoy sah sie aus dem Augenwinkel und versuchte es nicht zu beachten, aber er kam sich furchtbar schwach dabei vor. Schließlich drehte er sich zu Seamus und warf ihm den finstersten Blick zu den er momentan zustande brachte. Doch Seamus lachte nur, drehte sich aber endlich weg und ließ ihn zufrieden.
Nach dem Unterricht verzog sich Draco sofort wieder auf sein Zimmer. Er hatte langsam keine Lust mehr auf die allgemeine Missachtung ihm gegenüber. Nur mit einem Apfel als Abendessen legte er sich in sein Bett und schloss entnervt die Augen.
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