04. 𝓗itzige Konversationen
✎ᝰ┆LIAH
»Einundzwanzig Uhr dreißig und meine Lieblingsmitarbeiterin kommt wie bestellt.«
Der Himmel war schon längst dunkel, als ich mit schwerem Atem vor dem Restaurant auftauchte und Giada beim Rauchen erwischte. Ihre Haare hatte sie dieses Mal offen, die Locken sahen wie aufgeladen aus - ein ungewöhnliches Verhalten für die eigentlich so gepflegte Italienerin.
»Auf dich kann man sich verlassen, weißt du das? Selbst wenn ich im Sterben liege, würdest du wahrscheinlich mit deinem pastellgelben Fahrrad drei Berge überqueren und trotzdem aussehen wie Kleopatra.«
Verwirrt runzelte sich meine Stirn, während ich mein Fahrrad ankettete. »Bist du betrunken?«
Der Brünette entwich ein lautes Lachen, bevor sie sich seufzend an die Wand lehnte. Die flackernde Wandlaterne lockte all die Mücken an, die um uns beiden wirrten.
»Ich bin nicht betrunken - ich bin verliebt.«
Genervt entwich mir ein Seufzen, bevor ich mir durch meine Haare fuhr. »Giada, ich habe mittlerweile keinen Nerv mehr für deine Liebesgeschichte mit diesem Drogenabhängigen.«
Für eine kurze Zeit hörte man nur die lauten Autos und die wirrenden Mücken.
»Du bist neunzehn, Liah. Du hast dein ganzes Leben vor dir. Handel nicht aus Wut oder sonstigem Kinderkram. Sonst wirst du bereuen - dein ganzes Leben lang.«
»Du bist drei Jahre älter als ich, was willst du mir schon beibringen.« Mittlerweile war meine Mimik aufgebracht, spiegelte eine gewisse Wut, die schon länger in mir brodelte.
»Du wirst die ganze Scheisse noch bereuen - bereuen ihn so aufgegeben zu haben.«, sie ließ ihre Zigarette fallen, bevor sie diese mit ihrer Schuhsohle zerdrückte.
»Ich werde nicht bereuen müssen. Weißt du warum?«, langsam kam ich ihr näher, roch ihr süßes Parfüm, vermischt mit dem Geruch der ekelerregenden Zigaretten. »Man wird niemals bereuen Menschen loszulassen, die einem nicht guttun.«
Ein fälschliches Lachen entwich der bevorstehenden Person, die sich mit einer schnellen Bewegung zu mir umdrehte. »Man lässt Menschen los, die schlecht für einen sind. Aber Familie?«, enttäuscht schüttelte sie ihren Kopf. »Familie ist stärker als jeder Konflikt zwischen euch. Malik ist alles, was du übrig hast.«
Sie würde mich nicht verstehen.
Sie würde mich nie verstehen.
Ich kannte das Wort, doch konnte nie spüren, was sich wirklich dahinter versteckte. Mein ganzes Leben lang war ich auf der Suche nach Ruhe - Ruhe von dem ständigen Schmerz. Denn meine Eltern zeigten mir nie, was es bedeutet geliebt zu werden.
Giada würde niemals verstehen, wie es sich anfühlte. Wie sich so ein Leben anfühlte. Mit fünf Jahren verstehen zu müssen, dass man sich an bestimmten Zeitpunkten unter dem Hochbett versteckte, die Luft anhielt und die Augen schloss. Sie würde es nie verstehen.
»Mein Gott, bist du verblendet.«, entwich es mir, dabei war mir bewusst, dass ich vor meiner eigenen Chefin stand. Die Chefin, die mir wöchentlich mehr zahlte, als jedem anderen Kellner.
»Ich weiß echt nicht, was du verdammt noch mal geraucht hast, aber -«, mein Kopf schüttelte sich unglaubwürdig, meine Augen sahen in die Weite. »Wahrscheinlich nimmst du die Drogen mit ihm zusammen.«
Giada packte mich energisch am Handgelenk, zog mich näher an sich und zischte laut. »Du undankbare-«
»Cheon Denver? Ist der Typ schon hier?«
Nuschelnde Worte, die sich mit einem deutlichen Akzent ausgesprochen hatte - die Stimme war unbeschreiblich rau.
Giadas Handgriff lockerte sich automatisch, ich sah immer noch schweigend in ihre Augen, während ich der Person hinter mir nur meinen Rücken zeigte.
Ich konnte es in ihren Augen ablesen - Angst. Ihre Nase zog sich nach oben, als würde sie versuchen bittere Tränen zurückzuhalten.
»Mein Onkel - ist er hier oder nicht, Giada?«
Ich blickte in Sekundenschnelle zu dem offenen Fenster, suchte mit meinen Augen nach dem gesuchten Denver - doch von ihm war keine Spur.
»Nein.« Ihre Antwort war knapp, ihre Augen blickten kurz zu mir.
Zögernd drehte ich mich um - ich war neugierig.
Und dann sah ich ihn erneut.
Doch er sah mich nicht.
Wortlos fasste er sich an den Hinterkopf, sein Blick war für eine kurze Zeit nach unten gerichtet. »Hat dein Restaurant geöffnet?«
»Nein.« Ihre Antwort kam wie aus der Pistole geschossen.
Doch ihr Laden hatte offen - seit genau zwei Stunden und vierzig Minuten. Die Gäste in dem Gebäude verrieten diese Information.
Deutlich genervt blickte er sie an, bevor er mir einen kurzen Blick schenkte. »Hat ihr Restaurant offen?«
Hilflos zwickte mich Giada, ließ mich nervös in ihre Richtung gucken - doch ich konnte nicht weiter nachdenken und die Situation noch unangenehmer machen, als sie ohne hin schon war.
»Ja, ist offen.«
Ich bemerkte ein unterdrücktes siegessicheres Grinsen bei ihm, welches jedoch nur wenige Sekunden andauerte, bevor er sich die Nase rümpfte und sein Beanie erneut richtete. »Dann haben wir das doch schon mal geklärt.«
Ohne noch etwas zu sagen, drehte er sich um und betrat, mit den Händen in seiner Jacke, das Gebäude, welches Giada persönlich gehörte.
»Ich werde dich feuern, Mädchen. Ich werde dich verdammt noch mal rausschmeissen.«, nuschelte die Italienerin neben mir, bevor sie ihm verzweifelt hinterherrannte.
Grinsend biss ich mir auf die Unterlippe, blickte durch das Fenster und beobachtete für einen kurzen Moment, wie sich die beiden Gestalten unterhielten, bevor ich ebenfalls ihr Restaurant betrat.
Owen setzte sich überraschenderweise auf einen der Barhocker, zog dennoch nicht seine Jacke oder Mütze aus. Sein Blick widmete er seinem Handy.
Langsam stellte ich mich hinter die Bar, griff ebenfalls nach meinem Handy und schrieb Giada drei Fragezeichen, da sie wieder einmal spurlos verschwunden war.
Doch nach ihrer kurzen Antwort ‚Regel den Scheiß selber', wurde mir klar, dass ich mich alleine in dieser unbehaglichen Situation befand.
»Willst du etwas bestellen?«, höflich kam ich ihm näher, sein Kopf erhob sich, bevor er sein Handy ausschaltete und mir seine volle Aufmerksamkeit schenkte.
»Wo ist Giada?«
Es war nicht sonderlich überraschend, dass Giada tatsächlich eine gewisse Vergangenheit mit ihm hatte. Jedoch wunderte es mich, wie interessiert er noch an ihr war - verglichen zu ihrem Verhalten.
»Woher kennst du sie?«
Ich war direkt. Mein ganzes Leben lang schon. Doch offenbar sah Owen diese Charaktereigenschaft nicht wirklich oft bei anderen Menschen, da er überrascht seine Augenbraue in die Höhe nahm.
»Ich frage nur.«
»Ich auch.«
Stur lehnte ich mich an die braune Theke, brach den Blickkontakt mit seinen dunkelbraunen Augen nicht ab.
»Wie heißt du?«, er stellte die Frage, wie eine Herausforderung, dabei lehnt er sich ebenfalls näher.
Ich zuckte die Schultern. »Woher kennst du Giada?«
Plötzlich grinste er, sein Lächeln ließ mich unerwartet schlucken. Es war das boshafte Lächeln, welches er mir schon gestern schenkte.
Es war so, als würde die Welt in seinen Augen brennen und seine Lippen falsche Versprechen aussprechen und sein Lächeln - sein Lächeln würde Menschen verängstigen.
Owen River versteckt etwas - ich war mir sicher.
Er lehnte sich noch weiter zu mir, mittlerweile roch ich sein Parfüm. Er verströmte einen strengen Geruch, was wiederum zu seinem Erscheinungsbild passte.
Seine Hand legte er auf die Theke. »Lern mich kennen und ich erzähle es dir.«
Verwirrt runzelte ich meine Stirn. »Was?«
Er hielt inne, betrachtete mich etwas länger und schien zu überlegen, was genau er erwidern sollte.
Doch bevor ich noch einen weiteren Gedanken aussprechen konnte, griff er nach meiner Hand und zog mich aus dem Gebäude, sodass wir erneut unter dem dunklen Sternenhimmel standen.
Meine Beine zitterten, ich spürte die Nervosität in mir brodeln, welches sich ebenfalls in meinem Bauch bemerkbar machte.
»Verbring die Nacht mit mir.«
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