Teil 24
Nach ein wenig Suchen fand ich tatsächlich einen blauen LKW mit einem österreichischen Kennzeichen. Ich blieb stehen und horchte in den Laderaum, ob ich etwas wahrnehmen konnte, doch es war still. So still wie die Nacht. Ich seufzte. Trotzdem versuchte ich, den Transporter aufzubekommen, was mir auch schließlich gelang. Offenbar legten die Belgier keinen großen Wert auf Sicherheit. Ich schnaubte.
"Johanna, hey!" Sobald die Tür geöffnet war, erblickte ich eine Gestalt, die sich an die Wand des Laderaums presste. Sobald ich ihren Namen ausgesprochen hatte, drehte sie mir den Kopf zu. Ich sah, dass ihre Augen gerötet waren und ihre Wimpern verklebt. Ich sprang mit einem Satz zu ihr rauf und ließ mich auf die Knie fallen. Schon lag Johanna in meinen Armen und drückte sich an mich. Ich umarmte sie und schloss die Augen. Wenigstens konnte ich ein Kind retten...
"Melina...du bist gekommen?! Wie...?" Ich schüttelte nur den Kopf: "Unwichtig. Haben sie dir etwas angetan?" Ich sah sie prüfend an, doch sie schüttelte den Kopf. "Nein, sie haben mich nur irgendwo festgehalten und vermutlich betäubt. Ich kann mich an fast gar nichts erinnern". Vielleicht war das auch besser so. Ich seufzte und gemeinsam standen wir auf.
"Hey, was machen Sie da?" Ich zuckte zusammen und drehte mich um. Vor der LKW Tür waren zwei Polizeibeamte aufgetaucht. Sie sahen mich ziemlich skeptisch an, was ich ihnen ja eigentlich nicht verdenken konnte. Zusammen mit Johanna sprang ich aus dem LKW. "Ich habe sie hier gerade befreit. Hören Sie...es sieht alles sehr verdächtig aus, aber ich kann Ihnen das alles erklären". Der Polizist mit dem etwas längeren Bart als sein Kollege nickte: "Darauf bin ich aber mal gespannt. Gehört sie zu Ihnen?" Er zeigte auf Johanna. Ich nickte.
"Scheiße, Ivan!" Vier Köpfte drehten sich gleichzeitig in die Richtung, aus der dieser Ausruf gekommen war. Johanna wich erschrocken zurück - das waren also die Täter. "Das sind die, die sie entführen wollten!" Die Polizisten warfen sich gegenseitig Blicke zu und nahmen die Verfolgung der Flüchtenden auf. Ich atmete erleichtert durch, dass wir beide Parteien vom Hals hatten.
Ich wandte mich Johanna zu und musterte sie besorgt. "Es geht mir gut, Melina. Lass...lass uns einfach nur nach hause fahren, okay?" Ich nickte: "Ja natürlich". Mir war auch recht, dass wir wir weg kamen, bevor uns die beiden Polizisten noch unangenehme Fragen stellten, die ich nicht beantworten konnte.
Zusammen hasteten wir über den Parkplatz zu der Tankstelle, an der mein Auto stand. Ich achtete dabei darauf, dass ich nicht schneller als Johanna ging. Sie wirkte müde, abgeschlagen und verstört. Doch konnte ihr das jemand verübeln? Ich seufzte und fragte mich, wieso es überhaupt so weit hatte kommen müssen.
"Du bist Opfer eines Verbrechens geworden, aber keine Sorge, sie können dir nichts mehr anhaben!", versicherte ich ihr abermals, doch sie nickte nur stumm. Die ganze Zeit ging mir nicht aus den Kopf, wieviel Johanna schon durchgemacht hatte. Sie hatte ihre Eltern verloren, ihre leibliche Mutter kennengelernt und erfahren, dass ihr Vater ein verdammtes Arschloch war...
Sie hätte auch ihr Leben beinahe verloren. Daran war ich schuld, nicht sie und nicht...Lotte. Ich seufzte und musste verhindern, dass ich in Tränen ausbrach. Ich verglich das ganze immernoch mit Elisha, ich vermisste sie so sehr. Dennoch durfte ich Johanna nicht mit ihr vergleichen...durfte Elisha nicht durch Johanna ersetzen oder in ihr einen Funken von ihr sehen.
Statdessen zog ich die Autotür auf, stieg ein und drückte aufs Gas. Ich wollte so schnell wie möglich von hier weg!
Johanna schlief auf der Heimfahrt ein. Ich selbst musste auch darum kämpfen, dass nicht dasselbe mit mir geschah. Ich sah in den Rückspiegel und bemerkte, wie Johanna seelenruhig schlief. Ein Lächeln zuckte auf meinem Gesicht und ich dachte an Elisha zurück. Und dieses eine Mal gab es keinen schmerzhaften Stich, nur Liebe und Freude.
Plötzlich gab mein Handy einen Ton von sich und ich sah auf der Freisprechanlage, dass es Mathilda war, endlich! Ich hob ab. "Hey, bitte rede leise, Johanna schläft gerade!"
"Oh mein Gott, dann hast du sie? Geht es ihr denn gut?" "Ja, ihr geht es gut. Wir sind ca. in einer Stunde hier", meinte ich. Mathilda atmete hörbar aus: "Gut, kommt ihr in die Klinik?" Ich bejahte.
"Wie geht es Judy?" Ich stellte die Frage zögerlich und ich hatte Angst vor der Antwort. "Den Umständen entsprechend...ihr Freund wurde genauso wie Nick einmal in Gewahrsam genommen. Das nimmt sie alles sehr mit, kein Wunder. Er...hat auch wieder alte Wunden aufgerissen, oder? Melina?"
"Ja, das hat er", murmelte ich und setzte zum Überholen den Blinker an. "Ich kann nicht verstehen, dass er so etwas gemacht hat. Ich meine, was ich das bitte für eine Ausrede, dass er das für Nick gemacht hat? Ich hatte echt gedacht, dass er anders wäre. Spätestens nachdem das mit seiner eigenen Tochter passiert war!"
"Können wir bitte aufhören, davon zu sprechen?" Mir tat schon der Kopf weh und es erinnerte mich nur mehr an Elisha und Chris. Und an die Zeit, in der alles noch okay gewesen war.
"Melina?" Mathildas Stimme klang sanft. "Ja?" Ich überholte gerade einen LKW und musste echt aufpassen, dass ich noch genug vom Straßenverkehr mitbekam. Das hier war die reinste Hölle!
"Ich bin froh, dass euch beiden nichts passiert ist!" Ja, dass war ich auch. Dann legte sie auf und die Stille kehrte schlagartig zurück. Ich vertrieb mir die Fahrzeit damit mir Gedanken über Dies und Jenes zu machen.
Gut eineinhalb Stunden später fuhr ich vor die Notaufnahme hin und warf einen Blick zu Johanna, die immer noch seelenruhig schlief. Irgendwie fand ich das komisch, denn wer konnte so gut schlafen, dass man absolut nichts mitbekam? "Johanna", rief ich leise und drehte mich nach hinten. Sie reagierte nicht. Meine Hände wurden nass und mein Puls donnerte in meinen Ohren. Ich versuchte nocheinmal, sie anzusprechen.
"Verdammte Scheiße...", murmelte ich und sprang aus dem Auto. "Sie...ist bewusstlos!", schrie ich Eve und Mathilda zu, die sofort aus uns zu rannten, doch ich war schneller und krabbelte auf die Rückbank. "Hey, Johanna, wach auf!" Ich rüttelte sie. Nichts.
"Melina, geh mal bitte weg...Ich kümmere mich um sie, versprochen!" Eve drückte mich sanft zur Seite und beugte sich ins Auto hinein. Ich zog mich zurück, Mathilda zog mich in ihre Arme. "Geht es dir gut?" Ich nickte stumm.
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