Teil 22
"Wollen Sie Mira nicht als Pflegekind bei sich aufnehmen?" Ich konnte sie gar nicht hören, so laut rauschten meine Ohren. "Nein, tut mir leid", stammelte ich vor mich hin und ging los zu meinem Auto. "Überlegen Sie es sich doch noch einmal!" Ich ignorierte sie.
Ich stieg ein und Mira saß auf der Rückbank im Kindersitz, den mir das Heim geliehen hatte. Ich setzte meine Sonnenbrille auf, legte den Rückwärtsgang ein und fuhr weg. Mira zählte Autos, die an uns vorbeirasten und ich versuchte, diese nervige Stimme aus meinem Kopf zu bekommen.
POV Lotte
"So, bald bist du wieder fit", meinte ich zu einem kleinen, blonden Mädchen, welches sich dem Arm beim Turnunterricht in einem Turnverein gebrochen hatte. Ihre Trainerin war offenbar noch ziemlich jung und nervös. "Es wird alles gut werden", redete ich auf sie ein. Dann gingen sie schließlich und ich war alleine. Ich räumte den Behandlungsraum auf und sang ein bisschen vor mich hin. "Lotte, hi!" Britta guckte bei mir vorbei. Ich winkte: "Hi, warst du bei Finns Beerdigung?" Es war so verdammt schade, dass ich nicht hingehen konnte. Ich hasste zwar Beerdigungen, aber ich wollte einem treuen Freund die letzte Ehre erweisen, doch da hatte mir meine Arbeit einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Die Krankenschwester kam ins Zimmer: "Ja, war ich. Alle anderen waren auch da...sei froh, dass du keine Zeit hattest, es war nur traurig. Ich vermisse ihn jetzt schon!" Ich nickte: "Das tun wir alle, glaube mir!"
"Oh, hi ihr beiden!" In der nächsten Sekunde stand Melina in der Tür. Hinter ihr kam ein kleines Kind zum Vorschein, Mira. "Hallo Mira!" Britta bückte sich hinunter. "Hallo", wisperte Mira leise und kicherte. "Seit ihr wegen der Impfung und das Blutuntersuchung da?!" Melina nickte. "Okay, das Blutabnehmen übernehme ich dann", meinte Britta und Mira ging bereitwillig mit ihr in den Schockraum.
"Du warst auch da?" Die schwarzhaarige Polizistin nickte und saß sich auf einen Stuhl. Ich runzelte die Stirn: "Geht es dir gut?" "Aber ja, es ist nur alles stressig zur Zeit", antwortete sie mir und nahm ihre Sonnenbrille ab. "Weißt du etwas Neues von Johanna?" Ich zuckte zusammen: "Nein..." Es beunruhigte mich sehr, dass ich nichts über den Zustand meiner Tochter wusste. Melina nickte und knabberte an ihrer Unterlippe: "Meinst du, wir dürfen sie mal sehen?"
"Ich habe keine Ahnung, wo sie überhaupt ist!" "Paula meint, dass sie in Kiel ist", meinte Melina. Ich sah sie überrascht an: "Okay..."
POV Melina
"Ich gehe mir mal einen Kaffee holen". Ich stand auf und ging aus dem Raum zum Kaffeeautomaten hinüber. Dort stand auch Judy, die eigentlich Judith hieß, aber alle hier nannten sie Judy. Hing mit dem Spielfilm Zoomania zusammen...
"Hey!" Ich stellte mich zu ihr. "Oh hi!"" Weißt du etwas neues über Johanna und wie es ihr in Kiel geht?" Die junge Ärztin sah mich etwas verwirrt an: "Kiel?" "Ähm...ja..?" Warum wusste hier keiner etwas über ihren Verbleib?
"Also mir ist bekannt, dass sie sich in Wolfsburg befindet", meinte sie langsam. Wir sahen uns an. "Von wem weißt du das?", wollte ich wissen und plötzlich klopfte mein Herz schneller. "Von Nick", sagte sie gedehnt. Mir stockte der Atem: "Und...wer sagt nicht, dass er lügt?" "Warum sollte er?" "Weil er von Yasmine bestochen wurde oder er ihr heimlicher Lover ist..." Judy musste lachen:" Das glaubst du jetzt nicht wirklich, oder?!" Ich nickte:" Doch das tue ich. Wo ist er? Hat er heute Dienst?!" "Er war auch bei der Beerdigung, aber ja, normalerweise hat er heute Dienst in der Wache". Schon lief ich raus zu meinem Wagen. "Hey, was ist mit Mira?" "Fahr du sie bitte zurück und gib Mathilda Bescheid, ich brauche ihre Hilfe", rief ich, zog die Tür meines Wagens auf und fuhr weg.
Wenn ich Recht hatte, dann könnte ich keine Sekunde mehr verlieren. Yasmine würde Johanna ohne zu Zögern töten und das musste ich um jeden Preis verhindern.
"Was ist denn los? Judy hat mich angerufen, dass du mich brauchst!" Ich fuhr gerade über die Straße zur Wache. Meine Fingerknöchel waren ganz weiß, so fest umklammerte ich das Lenkrad. "Melina?! Geht es dir gut?" "Ja, mir schon", stieß ich hervor. "Und...?" "Johanna, sie ist nicht in einem Krankenhaus zu ihrem Schutz!" "Wie kommst du denn jetzt darauf?", wollte sie wissen. "Es gib Unstimmigkeiten über ihren Verbleib und ich denke, dass das etwas damit zu tun hat. Yasmine wollte sie umbringen, vielleicht wurde er von ihr bestochen oder ist ihr Bruder oder so..." "Das klingt total absurd", meinte Mathilda zweifelnd.
Ich seufzte: "Ich weiß. Wirst du mir trotzdem helfen?" Schweigen. "Ja, wohin soll ich kommen? Zur Wache?" Ich bejahte und dann legte ich auf.
Mathilda war fast gleichzeitig mit mir an der Wache angekommen. Sie lief zu mir und ich begegnete ihren besorgten Augen. "Es läuft alles gut mit mir", versicherte ich ihr, als wir die Treppen nach oben liefen. Mathilda seufzte schwer und ich konnte meine Freundin verstehen. Sehr sogar.
"Na hallo, haben wir etwas verbrochen?" Zwei Sanitäter, die ich nicht mit dem Namen kannte, lachten. Denen würde das Lachen noch vergehen. "Nein, wir suchen Nick", meldete sich Mathilda zu Wort. "Der ist drinnen im Aufenthaltsraum!" Ich stürmte voran.
"Nick!", schrie ich praktisch durch das ganze Gebäude. Alle drehten sich zu uns um, einschließlich Nick. In mir stieg Wut hoch. "Mitkommen!" Er warf seinen Kollegen einen fragenden Blick zu und kam dann zu uns. Er wusste, dass ich gerade auf 180 war.
Mathilda ging zu dem Vorgesetztem von ihm und kam mit ihm ins Gespräch. Ich begleitete Nick nach draußen und holte tief Luft: "Was hast du mit Johanna zu tun?" Was?" Wusste er wirklich nicht von was ich sprach oder tat er bloß so? Ich war ehrlich gesagt etwas verunsichert.
"Du hast mich schon verstanden", bohrte ich weiter nach und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ähm...geht es dir gut? Vermisst du sie, ist es das, was du mir sagen willst?" Wie blöd war der eigentlich?!
"Ich habe gefragt, welche Rolle du in ihrem Verschwinden spielst!", knurrte ich sauer. Nick wich einen Schritt zurück: "Warum sollte ich etwas damit zu tun...Moment mal, sie ist verschwunden?" "Ja, ist sie". Man, wir kamen hier echt nicht weiter!
POV Judy
"Larissa, kannst du mal etwas für mich überprüfen?" Seitdem Melina gegangen war, hatte ich ein merkwürdiges Gefühl im Magen. Die Schwester sah mich an: "Sicher, um was geht es?" "Kannst du die Überwachungskameras vom Hinterausgang checken?" Sie riss die Augen auf: "Warum denn?" Ich wusste nicht, ob ich ihr den wahren Grund nennen sollte. "Mach's bitte einfach für mich, okay?" Sie nickte zögerlich und begann, an ihrem Laptop zu tippen.
Ich lehnte mich gegen den Tresen des Sekretäriates und rieb mir übers Gesicht. Heute war einfach kein guter Tag. Mir tat der Kopf furchtbar weh und dann musste ich auch noch Mira zu ihrem Heim fahren, weil Melina den Entführer von Johanna jagte. Mir entkam ein wahnsinniges Lachen.
"Da!" Larissa riss mich aus meinen Gedanken. Ich trat neben sie und blickte in den Bildschirm. Mir wurde schlecht. Richtig schlecht. "Judy, alles okay? Du bist total blass!" Ich schwankte und wäre wohl hingefallen, wenn die Schwester mich nicht gepackt hätte.
"Ruf Melina an! Nick ist schuldig, aber nicht nur er..." Bei dem Gedanken kamen mir die Tränen. "Sag mir, was los ist!" Das konnte ich nicht, nicht jetzt. Denn was ich da sah, veränderte mein Leben wohl für immer. Mein Freund entführte Johanna, vor meinen Augen!
POV Melina
"Danke!" Ich legte auf. Nick blickte mich so an, als ob ich den Verstand verloren hätte. Hatte ich aber nicht, dass hatte mir Judy soeben bestätigt. "Ich habe einen Beweis dafür, dass du Johanna zusammen mit jemanden entführt hast. Abstreiten ist also zwecklos. Na, sagst du mir warum?"
Sein Gesicht wurde dunkler:" Du...wirst es keinem sagen?" Ich zuckte die Schultern: "Ich sage nur, dass du sie entführt hast!" "Nein, wenn du das tust, siehst du sie nie wieder!" Oh mein Gott, er drohte mir. Er drohte mir tatsächlich. Ich lachte auf: "Echt süß von dir, aber schon vergessen, wer hier die Polizistin ist?" Er schluckte, sein Adamsapfel hüpfte hektisch auf und ab.
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