
Spiel mir was vor
Ich wache auf, weil mir kalt ist und weil ich das Gefühl habe allein zu sein. Schläfrig taste ich in meinem Bett herum, doch es ist leer.
Plötzlich hellwach richte ich mich auf.
>>Ian?!<< hektisch blicke ich mich im Zimmer um, doch es ist leer.
Habe ich alles nur geträumt? War Ian gar nicht hier?
Aber was mache ich denn dann in meinem Bett? Wie bin ich hier her gekommen?
Ein Blick auf mein Handy sagt mir, das es kurz vor ein Uhr am Mittag ist. Also definitiv Tag und eigentlich müsste ich im Unterricht sein.
Oh, ich habe eine neue Nachricht! Stelle ich erstaunt fest.
Ian hat geschrieben.
"Schlaf gut mein Engel, ich hole dich um viertel nach Eins zum Essen ab."
Viertel nach Eins! Aber das ist in nicht mal fünfzehn Minuten! Erschreckt, aber zugleich unheimlich Glücklich springe ich aus dem Bett.
Ich habe nicht geträumt! Ian muss hier gewesen sein. Mit mir in einem Bett gelegen haben, mich im Arm gehalten haben und er muss mich geküsst haben. Und was noch tausendmal besser ist! Er kommt gleich wieder!
Eilig gehe ich zu meinem Schrank, in dessen Inneren ein Spiegel hängt.
Entsetzt schüttel ich den Kopf. Meine Wimperntusche ist verlaufen und unter meinen Augen befinden sich dunkle Schatten.
Schnell bringe ich mein Äußeres in Ordnung und frische mein Make up auf.
Im Spiegel sehe ich unter den schmalen Trägen meines Tops, deutlich meine Schlüsselbeine hervortreten und ich habe das Bedürfnis sie zu bedecken.
Also ziehe ich eine hauchdünne schwarze Bluse hervor und ziehe sie über mein Schwarzes Top.
Wie ärgerlich, das alles was ich besitze, so dunkel ist. Schwarz in schwarz, soweit das Auge reicht, doch gleich neben meinen eigenen Sachen sehe ich die von June.
Sie hat mir doch angeboten, das ich mir etwas von ihr leihen kann, wenn ich möchte. Ob sie was dagegen hat, wenn ich mir jetzt etwas von den Sachen nehme?
Ich hoffe nicht. Zögernd ziehe ich etwas rotes aus dem Stapel. Es ist ein rotschwarz kariertes Hemd. Ich ziehe es über mein Schwarzes Top und schließe es mit einem Knoten unter meiner Brust.
Ich werfe noch einen Blick in den Spiegel und schaue mich verwundert an. Man, was ein bisschen Farbe doch für einen unterscheid ausmacht. Schnell greife ich noch nach meiner Bürste und ziehe sie durch meine zerzausten Haare, als es auch schon leise an der Tür klopft.
Ich höre das Klicken des Türgriffs, der langsam herunter gedrückt wird, bevor sich die Tür mit einem leisen Knarren öffnet.
>>Mia? Bist du wach?<< höre ich Ian flüstern. Da ich hinter dem Schrank stehe, kann er mich nicht sehen, auch ich kann ihn nicht sehen, doch beim klang seiner Stimme werde ich ganz nervös. Unsicher schließe ich die Schranktür, dann trete ich um den Schrank herum.
>>Ja, ich bin wach.<< sage ich schüchtern. Nachdem wir uns so nah waren, und wir uns zum ersten Mal so richtig geküsst haben bin ich ganz schön befangen, jetzt, wo er wieder vor mir steht.
Ich sehe, wie ein Lächeln sein Gesicht erhellt und seine Augen vor Erleichterung strahlen.
>>Geht es dir wieder besser?<< fragt er forschend und kommt auf mich zu. Ganz dicht vor mir bleibt er stehe und mustert mich eindringlich.
>>Jetzt ja. << bringe ich erstickt hervor, so nervös bin ich. Ich würde ihn gerne berühren, habe aber auch Angst davor.
Nicht so Ian. Er zieht mich in eine Umarmung und flüstert mit belegter Stimme. >>Ich hatte solche Angst um dich.<<
Genießerisch vergrabe ich meinen Kopf an seiner Schulter und inhaliere seinen Atemberaubenden Duft.
>>Das tut mir leid. << sage ich traurig.
>>Nicht doch Engelchen, es ist alles meine Schuld. Ich weiß, dass du nur wegen mir krank warst.<< bedrückt schaut er mich an. >>Die Sache mit Emma tut mir wirklich leid. Ich hätte sie davon abhalten sollen...<<
Ich lege ihm einen Finger an die Lippen, auf den er einen Kuss haucht.
>>Ja, das hättest du. << sage ich bedrückt. >>Aber lass uns nicht mehr davon reden, ja? Versprich mir nur, dass so etwas nie wieder vorkommt.<< bitte ich ihn.
Er schaut mir fest in die Augen, dann verspricht er, >>Nie wieder!<< und drückt mir einen Kuss auf die Stirn. >>Du bedeutest mir alles! Ich will dich nicht verlieren. <<
Atemlos stehe ich da. Habe ich richtig gehört? Ich bedeute ihm etwas? Alles! Um genau zu sein. Ob ich ihm das glauben kann? Meint er das auch wirklich ernst?
Unsicher hebe ich den Blick und schaue in seine großen, grünen Augen, die mich liebevoll und voller Staunen ansehen. Aber ich kann auch die Angst darin sehen, Angst davor, dass etwas passieren könnte.
Die gleiche Angst, die auch ich empfinde. Angst dass das was er sagt nicht wahr ist, dass er mich gleich von sich stoßen und sagen wird, das alles nur ein Scherz war.
Ob er sie sieht? Die Unsicherheit, die in meinem Blick liegt, die Angst die ich verspüre.
So wie ich in seinen Augen sehe, was er denkt. Bin ich genauso durchschaubar?
Ich weiß es nicht.
>>Ich habe Angst. << flüstere ich mit belegter Stimme.
Seine ohnehin schon erstaunten Augen weiten sich noch etwas mehr. >>Wovor denn?<< will er wissen.
>>Vor dir. << gestehe ich ein.
>>Hab keine Angst, ich werde dir nichts tun.<< er küsst meine Stirn und drückt mich beschützend an sich.
>>Vielleicht nicht heute, aber was ist, wenn...<< meine Worte werden ein wenig von seinem Hemd erstickt, in das ich mein Gesicht drücke. Ich muss an Felix Worte denken... ein Jahr... hat er gesagt, nach einem Jahr ist alles aus.
>>Mia. << sagt Ian flehend. >>Vertrau mir! << Er hebt mein Gesicht mit den Fingerspitzen an, so dass ich ihn wieder anschaue, dann küsst er mich zärtlich. Erst meine Stirn, dann meine Wangen, dann meine Mundwinkel. Seine Berührungen sind so leicht, wie der Flügel eines Schmetterlings, so zerbrechlich, wie ein gläserner Faden, den ein Windhauch zu zerbrechen vermag.
Doch meine Angst vermag er nicht zu vertreiben. Ich spüre, wie sich Tränen in meinen Augen sammeln. Erst ist es nur ein leichter Druck, der immer größer wird, bis die erste Flüssigkeit sich in meinen Augen zu sammeln beginnt.
Schmerzlich schließe ich sie und fühle, wie die ersten Tropfen meine Wangen hinunter laufen.
>>Nicht weinen.<< sagt er hilflos und beginnt die Feuchtigkeit von meinem Gesicht zu küssen.
Aber ich kann nicht aufhören. Die Angst ist einfach zu groß, sie schnürt meine Kehle zu und scheint mich zu erdrücken.
Er kann mich gar nicht mögen. Das kann nicht sein. Niemand kann mich leiden. Und lieben schon gar nicht. Ich bin ein nichts, ein Schatten meiner selbst, etwas das übriggeblieben ist und das niemand braucht und bisher auch keiner wollte.
Etwas das aufs Abstellgleis gestellt wurde, um darauf zu warten, das der Tod dem elendigen Leben ein Ende bereitet.
>>Sch... << macht Ian und zieht mich tröstend an sich. Er streicht über meinen Rücken und mein Haar.
>>Es wird alles gut. Du wirst sehen. Wir schaffen das.<< murmelt er und küsst mich auf den Kopf.
Immer wieder streichelt er mich und ich kralle meine Hände haltsuchend in sein Hemd. Unter meinen Fingern kann ich seine Angespannten Muskeln fühlen, die sich immer dann anspannen, wenn er seine Hand streichelnd über mein Haar oder meinen Rücken gleiten lässt.
Eine Weile stehen wir schweigend da. Eng aneinandergeschmiegt, die Nähe des Anderen genießend Und allmählich werden meine Tränen weniger, bis sie ganz versiegen.
Mit jeder Minute die vergeht und in der ich angespannt auf den Messerstich warte, der meinen Tod bedeutet, der aber nicht kommt, werde ich ruhiger. Lässt mich ein klein wenig mehr hoffen, dass das bitter Ende noch nicht so nahe ist, wie es zu sein scheint.
Nach einer Weile fasse ich den Mut und versuche meine Angst in Worte zu fassen.
>>Ian, was ist wenn das Jahr um ist?<< will ich wissen.
>>Wie meinst du das?<< fragt er verwirrt. >>Von welchem Jahr redest du?<<
>>Ich meine dieses Schuljahr. Wirst du mich dann auch verlassen?<< unsicher schaue ich zu ihm auf. In seinem Blick sehe ich die Verwunderung, die meine Worte in ihm ausgelöst haben.
>>Ich weiß nicht was in einem Jahr ist. Mia. Ich weiß auch nicht, was in zehn Jahren ist. Es gibt Paare, die sich auch nach fünfzehn oder zwanzig Jahren noch trennen oder aber nie. Ich weiß nur das ich für dich schon jetzt tausend mal mehr empfinde, als ich es für die Mädchen vor dir jemals getan habe. Wenn es aber nach mir geht, lasse ich dich nie wieder gehen. Ist es dass, was dich bedrückt?<<
Unsicher nicke ich mit dem Kopf. >>Ich habe solche Angst verletzt zu werden. <<
Behutsam nimmt er mein Gesicht in die Hände. >>Ich habe auch Angst Mia. << gesteht er mir. >>Angst um dich und vor dir. Du hältst mein Herz in der Hand.<< sagt er ehrfürchtig, als könnte er selbst nicht glauben, was er sagt.
Dann küsst er mich. Die Kuss ist so intensiv, so verzweifelt, dass ich ein Stöhnen nicht unterdrücken kann. Doch seine Worte haben in meinem Inneren einen Punkt berührt, von dem ich bisher nichts Gewusst habe. Einen Punkt, der so lange unter einer Schicht aus Eis begraben war, das ich diesen Teil meiner Seele vollkommen vergessen habe. Und der mich in Staunen versetzt.
Er bedeutet mir so viel, das er mich wie eine Blume mit dem Fuß zertreten könnte, wie eine Fliege an der Wand zerquetschen, doch nie hätte ich gedacht, das seine Angst vor mir, dass ich ihn zerstören könnte ebenso groß ist, wie meine.
>>Ich werde dir nichts tun. << wiederhole ich seine Worte von vorhin, dann huscht ein leichtes Lächeln über mein Gesicht. Die Erkenntnis, dass ich ihm tatsächlich genauso schaden kann, wie er mir, lässt meine Angst vergehen.
Eng umschlungen stehen wir mitten im Zimmer. Ich genießen seine Nähe und schöpfe kraft aus der Gewissheit, die ich gewonnen habe, bis sich mein Magen lautstark zu Wort meldet.
Lächelnd schaut Ian mich an. >>Hungrig?<< fragt er.
>>Ja, ich glaube schon.<< auch ich muss lächeln. >>Wollen wir was essen gehen?<< will er wissen.
>>Ja. << Bedauernd löse ich mich von ihm, dann werfe ich schnell noch einen Blick in den Spiegel und entferne erneut die schwarzen Ränder unter meinen Augen.
>>Gott! Ich seh fürchterlich aus!<< stöhne ich auf.
>>Du bist wunderschön.<< Ian steht hinter mir und schaut mich im Spiegel an. Dann legt er die Arme von hinten um meine Taille. Er küsst die Zarte Haut in meinem Nacken und lässt mich dann wieder los.
Ich werfe ihm einen skeptischen Blick zu. Wie kann er mich schön finden, wenn mein Gesicht so verschmiert ist, doch seine Nähe und der Kuss lassen mich diesen Gedanken schnell vergessen. Viel zu sehr lenken meine eigenen Gefühle, die der Kuss in mir ausgelöst haben ab.
Ein Prickeln fließt meinen Rücken hinunter und ein leichtes pulsieren macht sich in meinem Unterleib breit.
Wieso verspüre ich dieses Gefühl dort unten, wobei er mich doch an einer ganz anderen Stelle berührt hat? Frage ich mich, doch mir bleibt keine Zeit, dieser Frage nachzugehen.
>>Bist du so weit?<< lächelnd sieht Ian mich an. Hat er schon immer so viel gelächelt? Oder hat das mit mir zu tun? Eigentlich war er meistens eher Still und in sich gekehrt, doch seit einiger Zeit, scheint er etwas glücklicher zu sein.
>>Ja, wir können. << ich schenke ihm ein strahlendes Lächeln, dann folge ich ihm aus dem Raum. Wir gehen dicht nebeneinander den Gang entlang, bis zur Mensa. Gemeinsam betreten wir den Raum. Da wir inzwischen etwas spät dran sind ist es nicht mehr so voll hier, doch meine Freunde sitzen noch immer gemeinsam an unserem Tisch. Auch Emma und Ians Freunde sind noch da.
Was wird er jetzt wohl tun? Wird er sich zu ihnen an den Tisch setzten und mich allein lassen, oder bleibt er heute bei mir? Ob ich vielleicht mit ihm gehen soll? Aber ich möchte Emma nicht so nah sein, denn schon jetzt starrt sie auffällig zu uns hinüber. Ich winke Alex, Felix, June und Joris zu und bleibe unschlüssig in der Tür stehen. >>Worauf wartest du? << Ian schaut mich nachdenklich an, dann folgt sein Blick dem meinen. Als er sieht was ich sehe, nimmt er meine Hand und zieht mich weiter in den Raum. Ungläubig schaue ich auf unsere ineinander verschränkten Fingen und kann meine Freude darüber, dass er so offen unsere Verbundenheit zeigt nicht verbergen. Strahlend sehe ich ihn an und folge ihm zur Essensausgabe. Als wir auf unser Essen warten, schaue ich verlegen zu Emma hinüber, die mich ziemlich Böse anstarrt.
>>Mach dir wegen ihr keine Gedanken. << reißt Ian mich aus den Meinen. Er ist meinem Blick gefolgt und sieht, was ich sehe. Besitzergreifend zieht er mich an sich und legt einen Arm um mich, dann küsst er mich leicht auf die Schläfe.
Glücklich lehne ich mich an ihn und streiche mit der Hand über seinen festen Bauch.
Noch immer ist seine Berührung und seine Nähe für mich so unwirklich, das ich vor Verlegenheit rot anlaufe.
Emma beachte ich nicht weiter, denn eigentlich tut sie mir leid. Sie wollte doch nur das gleiche wie ich, trotzdem finde ich es nicht gut, das sie Ian so auf die Pelle rückt. Ich kann nur hoffen, dass seine Abfuhr heute Morgen beim Frühstück ausreicht, um sie von ihm fern zu halten.
Als das Essen kommt lässt er mich los. Wir nehmen unsere Tabletts und setzten uns an den Tisch. Den, an dem auch Joris, June, Alex und Felix sitzen. Ian nimmt auf dem Stuhl neben meinem Platz.
>>Schön dass es dir wieder besser geht. << freut sich Alex und lächelt mich wissend an.
>>Ja, find ich auch.<< ich werfe Ian, einen glücklichen Blick zu. Es ist einfach unglaublich, dass er tatsächlich neben mir sitzt.
Während ich esse lausche ich den Gesprächen um mich herum. June erzählt gerade begeistert von einer Laufveranstaltung, an der sie am nächsten Wochenende teilnehmen will, als ich Alex gerade noch davon abhalten kann, den Anderen von meinem Konzert zu erzählen. Dabei wissen eigentlich fast alle davon, außer Joris und June. Felix und Ian musste ich davon erzähle und Alex habe ich es erzählt, gleich nach dem Herr Müller mir die Unglücksbotschaft überbracht hat.
Doch die Vorstellung, alle der hier Anwesenden könnten mit in dem Opernhaus sitzen und mir zuhören, macht die Sache noch um ein vielfaches schlimmer.
Nach dem Essen muss ich mich zwangsläufig von Ian verabschieden, denn er muss zurück in den Unterricht, genau wie ich. Denn auch wenn ich eigentlich für den Rest des Tages beurlaubt bin, finde ich es nicht richtig, jetzt wo es mir wieder besser geht nicht am Unterricht Teilzunehmen.
Außerdem kommt Herr Müller ja auch noch zu meiner vorletzten Übungsstunde vor dem Konzert.
Nach dem Nachmittagsunterricht finde ich mich wie immer im Musikraum ein und befreie den Flügel von seiner Hülle, dann beginne ich schon mal mit den ersten Übungen. Doch scheinbar verspätet er sich mein Lehrer heute etwas und so spiele ich auch Ians Lied noch mal. Sogar den Teil, den ich erst heute Nacht hinzugefügt habe. Und obwohl sich meine Stimmung inzwischen erneut um hundertachtzig Grad gewendet hat, scheint die Musik noch immer an diese Stelle zu gehören. Gerade beende ich die letzen Takte, als ich bemerke, dass Herrn Müller bereits anwesend ist.
>>Was ist das für ein Stück?<< fragt er Interessiert.
>>Nichts besonderes. << sage ich ausweichend.
>>Und von wem ist es.<<
>>Oh, ähm... also... von mir<< sage ich unsicher. Sicher wird Herr Müller gleich mein Stück mit seiner Kritik in Stücke reißen, das der Takt nicht stimmt, oder manche Noten nicht dazu passe, oder was weiß ich. Aber außer, dass er ungläubig die Augenbrauen zusammen zieht sagt er nichts.
>>Soll ich dann anfangen?<< frage ich in die Stille.
>>Ich bitte darum.<<
Und dann nehmen wir erneut zwei Stunden lang immer wieder die Stücke unter die Lupe, für die ich mich entschieden habe.
Als der Unterricht beendet ist, erzähle ich ihm von meinen Plänen, bezüglich meines Transportmittels.
>>Ach so, Herr Müller.<< mit einem Blick fordert er mich auch fortzufahren. Während ich rede packt er seine Tasche.
>>Also es geht um Samstag. Können sie mir sagen, wann ich an der Wagner Oper sein soll? Ein bekannter wird mich dort hinbringen.<<
>>Das Konzert beginnt um achtzehn Uhr, aber ich erwarte sie bereits eine halbe Stunde vorher am Opernhaus in Brenderau. << sagt er streng. >>Wenn sie also vorhaben, selbstständig anzureisen, erwarte ich, dass sie pünktlich sind.<<
>>Ja, sicher. Ich werde pünktlich sein.<< versichere ich ihm.
Er hat seine Sachen fertig gepackt und geht zur Tür. Die Hand an der Klinke hält er kurz inne. >>Ich würde ihre Komposition beim nächsten Mal gern noch einmal ganz hören, wenn sie nichts dagegen haben.<< sagt er freundlich und schaut mich an. >>Ist sie schon beendet?<<
>>Nein, ist sie nicht und eigentlich möchte ich sie auch niemandem Vorspielen, bevor ich nicht weiß, wie es weitergeht.<< sage ich verlegen.
Herr Müller nickt verständnisvoll.
>>Ich verstehe. Ihnen noch einen schönen Tag, bis Freitag.<< damit öffnet er die Tür und geht.
Puh, das ist ja noch mal gut gegangen. Ich hatte schon befürchtet, dass er mich dazu zwingen würde ihm das Lied vorzuspielen, aber da lag ich wohl falsch.
Gerade als ich an den Flügel zurückkehren will, klopft es an der Tür.
>>Darf ich reinkommen?<< Ian steht lächelnd in der Tür.
>>Sicher.<< ich freue mich ihn zu sehen.
Lässig kommt er auf mich zu und mein Herz beginnt aufgeregt zu schlagen. Ob ich mich jemals an seinen Anblick gewöhnen werde? Ich fürchte nicht, aber vielleicht habe ich ja das Glück, das ich wenigstens nicht jedes Mal komplett den Verstand verliere.
Als er schon ganz dicht bei mir steht, beugt er sich zu mir vor und flüstert >>Hi, Engelchen.<< in mein Ohr, dann haucht er einen Kuss auf meine Wange.
Atemlos lasse ich mich auf die Klavierbank fallen und seufze ein >>Hi.<< als Antwort.
>>Darf ich?<< Ian deutet neben mich auf die Bank. Und ich nicke ihm zu.
Er rutscht auf die Bank neben mich, allerdings sitzt er, den Blick auf das Klavier gerichtet auf der Bank. Ich hingegen sitze genau andersherum auf dem Hocker.
Unsicher streicht er mit den Fingern über die Tasten, ohne sie jedoch zu betätigen.
>>Spielst du was für mich?<< Fragt er unsicher.
>>Gern, was willst du denn hören?<< Ich drehe mich auf dem Sitz herum, so dass wir beide auf den Flügel schauen.
>>Ist mir egal, nur nicht das vom letzten mal.<<
>>Welches meinst du?<<
>>Das welches du gespielt hast, als ich gegangen bin.<< sein Blick verfinstert sich etwas.
>>Meinst du "All my selfe to you"?<< sage ich verwirrt, als ich darüber nachdenke, was ich gespielt habe, als Ian mir letzte Woche zugehört hat. Ist es wirklich schon so lange her. Eine Woche? Oder kommt es mir nur so lange vor.
>> Ich weiß nicht wie es heißt. << sagt er bedrückt.
>>Ich kann jederzeit mit dem Spielen aufhören, du musst es mir nur sagen okay?<<
Seine Kiefernmuskeln sind angespannt aber er nickt. Ich hebe die Hand und drehe seinen Kopf in meine Richtung. Ich schaue ihm forschend in die Augen, dann hauche ich ihm einen Kuss auf die Lippen und beginne zuspielen.
Das mit dem Kuss hätte ich vielleicht lassen sollen, denn er hat mich selbst ganz durcheinander gebracht.
Während ich die ersten Takte spiele, lockern sich nach und nach seine verkrampften Muskeln und dann lehnt er seinen Kopf an meine Schulter und schließt entspannt die Augen.
Diese kleine Geste bringt mich fast um den Verstand, so rührend ist sie. Doch bevor ich das Stück beenden kann unterbricht er mich.
>>Hör auf. << bittet er mich heiser und sofort nehme ich die Hände von den Tasten.
>>Ist es so schlimm für dich?<< will ich wissen und er nickt. Mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen, als ich sehe, wie er krampfhaft versucht die Erinnerungen aus seinem Kopf zu kriegen.
>>Hey.<< flüstere ich leise >>Ich bin da.<< dann kletter ich rittlings auf seinen Schoß und lege die Arme um ihn. Den Kopf lehne ich wie so oft an seine Schulter.
Erstaunt sieht er mich an, doch dann legt auch er seine Arme um mich.
>>Ja, das bist du.<< murmelt er erleichtert, als er aus seiner Versunkenheit erwacht.
Ich recke meinen Kopf ein wenig in seine Richtung, so dass sich unsere Lippen berühren können.
Aus der anfänglich zarten Berührung entwickelt sich schnell ein leidenschaftlicher, intensiver Kuss, der meinen Puls in die Höhe schnellen lässt. Ich öffne meinen Mund ein wenig und suche mit der Zunge Einlass. Er reagiert mit einer Leidenschaft auf meinen Kuss, die mich um den Verstand bringt. Mit den Händen fahre ich seinen Rücken hinauf und vergrabe sie in seinen kurzen Haaren. Sanft ziehe ich an ihnen, was ihn tief aufseufzen lässt.
>>Was machst du nur mit mir?<< stößt er erstaunt aus, als wir unsere Lippen atemlos voneinander trennen.
Glücklich kuschele ich mich an ihn und inhaliere seinen unbeschreiblichen Duft. Gott! Wie kann er nur so verführerisch gut riechen? Dazu seine weiche Haut, die sich über seine Festen Muskeln zieht. Mit den Fingerspitzen fahre ich seine Wirbelsäule hinunter, bis dorthin, wo seine Hose beginnt und sein T-Shirt endet. Wie gern würde ich meine Finger unter sein Shirt gleiten lassen, um sie ungehindert über seine Haut fahren zu lassen, aber ich tue es nicht.
Ian hat seine Nase in meinem Haaren vergraben und atmet mehrmals tief ein. Dann seufzt er entschlossen auf, dreht sich mit mir auf dem Schoß einmal auf der Bank herum und steht auf. Mit Händen und Beinen klammere ich mich an ihn, damit ich nicht herunterrutsche, doch auch er hält mich fest, so dass ich auf seinen Hüften sitze.
>>Komm, du musst was essen. << sagt er und blickt mir tief in die Augen. >>Ich werde dich hier nicht verhungern lassen.<< Sein Gesicht ist ernst, als er das sagt, doch versucht er seine Worte mit einem Lächeln abzumildern.
Bedauernd lockere ich den Druck meiner Beine um seine Hüften, dann lässt er mich langsam herunterrutschen.
Noch schnell werfe ich die Decke über den Flügel, dann folge ich ihm nach draußen.
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