Noch mehr Veränderungen
Ich setze das Cappy wieder auf, als wir an der Haltestelle auf den Bus warten. Mel hat mir noch immer nicht verraten, wo wir eigentlich hin wollen.
Aber als wir wenig später aus dem Bus steigen dämmert es mir. Sie schleift mich zu einem Friseur. Warum wir dafür extra soweit fahren mussten ist mir allerdings schleierhaft. Auf dem Weg hierher sind wir bestimmt an einem halben dutzend Friseuren vorbeigekommen.
>>Mel, dafür habe ich kein Geld. << protestiere ich.
>>Ach papperlapapp, das ist ein Notfall, dafür braucht man kein Geld.<< sagt sie unbeirrbar und betritt das Geschäft.
>>Oh, Hallo Melanie. << begrüßt uns eine der Mitarbeiterinnen >>Dich habe ich ja lange nicht mehr gesehen. <<
>>Aber ich war doch erst vor eineinhalb Wochen hier, Jo. << sagt sie und schwenkt ihre wundervollen roten Haare vor der Mitarbeiterin hin und her.
>>Aber da hatte ich Urlaub. Sieht toll aus. << sie fährt Mell durch die Haare und fächert sie Auf. >>Hat deine Mum das gemacht? << will diese Jo Wissen und Mel nickt.
>>Ist sie da? << fragt Mel und geht einfach weiter in den Laden hinein. >>Wir haben hier einen Notfall. << erklärt sie und deutet auf mich.
>>Ja, sie ist hinten im Lager und räumt auf.<< Jo zeigt auf eine Tür, die vom eigentlichen Geschäft abzweigt.
>>Ich hole sie. Habt ihr heute viele Termine?<< will Mel noch wissen, bovor sie durch die Tür verschwindet.
>>Eigentlich nicht, nur noch zwei. << ruft Jo ihr nach.
>>Gut!<< kann ich Mel's Stimme gerade noch hören. Dann ist es einen Moment still.
Unruhig trete ich von einem Fuß auf den Anderen. Sebst wenn Melanie's Mutter hier arbeitet, darf sie bestimmt nicht einfach jemandem die Haare machen, der nicht bezahlt. Und ich kann mir einen Friseurbesuch einfach nicht leisten.
Vielleicht sollte ich einfach gehen. Denke ich, doch bevor ich verschwinden kann, kommt Mel mit einer rundlichen Frau im Schlepptau zurück.
>>Hallo, du musst Mia sein. << grüß sie mich freundlich.
>>Komm, wir schauen uns das Desaster mal an.<< Damit schiebt sie mich energisch auf einen Stuhl zu. und drückt mich darauf.
>>Darf ich?<< fragt sie wartet aber nicht auf meine Antwort und nimmt mir das Cap vom Kopf.
>>Ach herrje!<< ruft sie entsetzt aus, als sie meine stoppeln sieht. >>Das ist wirklich ein Notfall. Wie kann man so etwas nur seinen Haaren antun? Versprich mir, Mia, das du das nächste mal lieber gleich zu mir kommst, bevor du...<< sie beendet den Satz nicht, sondern schüttelt nur den Kopf.
Sie nimmt einen Umhang von dem Haken, der sich neben dem Spiegel befindet und will ihn mir umlegen, doch ich lasse sie nicht.
>>Es tut mir leid, << sage ich, >>ich hätte mich von Mel nicht her schleifen lassen dürfen.<< es ist mir sehr unangenehm, aber ich sage es trotzdem. >> Ich kann sie nicht bezahlen. <<
>>Mia, Mels Freunde brauchen nicht bezahlen, schon gar nicht bei einem Notfall! << verkündet Mel's Mutter energisch, dann drückt sie mich zurück in den Sessel, meine leisen Widerworte ignorierend. Schon hat sie mir den schwarzen Umhang um die Schultern gelegt, dann holt sie irgendetwas aus einem Regal, das sie mir in die Haare schmiert. Während das glibschige Zeug einwirkt bringt Mel mir einen Cappuccino.
Ich bin ein kleines Bisschen böse auf sie, weil sie mich einfach hier her geschleift hat, aber ich bin ihr auch dankbar, das sie sich meines Haarigen Problems angenommen hat.
Mels Mutter, von der ich inzwischen weiß, das sie Petra heißt. Kommt mit einer Hand voll Kämmen zurück. Einen davon drückt sie Mel in die Hand, einen Jo und den letzten behält sie selbst, dann beginnen alle drei, die Reste der Dreadlocks zu entfernen.
Sie haben mich vom Spiegel weggedreht, so das Mel besser an die Kurzen stoppeln an meiner Stirn kommen kann. Petra steht links von mir und Jo rechts.
Ich habe das Gefühl schon ewig hier zu sitzen. Zwischendurch hat Jo eine Pause eingelegt, um einem Anderen Kunden die Haare zu schneiden, aber dann ist sie zurückgekommen und hat weitergemacht meine Dreads auszukämmen.
Als der zweite Kunde den Laden betritt ist es schon kurz vor sechs und noch immer habe ich eine große Anzahl fest verknoteter Stummel auf dem Kopf.
Weitere zwei stunden Später schließt Jo den Laden ab, sie machen aber keine Anstalten ihre Rettungsmission zu beenden. Sie scheinen sogar in ausgezeichneter Stimmung zu sein, denn die ganze zeit Plaudern sie Ausgelassen über die neueste Mode oder den angesagtesten Schnitt.
Irgendwann schreibe ich Mara, noch mal, das es später wird, damit sie sich nicht schon wieder sorgen macht.
Ganz die Brave Tochter.
Und irgendwann, ich habe keine Ahnung, wie spät es inzwischen ist, bin ich fertig. Zumindest sind alle Dreads raus.
>>So!<< verkündet Petra. >>Der Rest ist einfach. Komm mal mit Mia<< Sie nimmt mich mit zu einem Waschbecken. >>Jetzt wird erst einmal der ganze Schleim wieder ausgewaschen.<< verkündet sie.
Doch das damit, die Arbeit und das Herumsitzen getan wäre, wie ich gedacht habe, liege ich Falsch. Denn scheinbar kann Petra gar nicht genug bekommen, von meinem Umstyling. Sie mischt Farben an, spült sie aus, Färbt noch mal, spült wieder aus, sie schneidet, rasiert und Föhnt. Auf meinen Einwurf hin, das ich wirklich bald nach Hause müsse, befiehlt sie mir Kurzerhand ihr mein Handy zu geben und Ruft meine Mutter an.
Sie Telefoniert tatsächlich mit meiner Mutter!
Sie erzählt ihr, wo ich bin, das sie sich keine Sorgen machen soll, und das sie mich später nach hause fahren würde, und das sie mich nicht wiedererkennen würde.
Das mit dem Wiedererkennen glaube ich ihr aufs Wort.
Als ich endlich fertig bin ist es ein Uhr Nachts.
Jo ist ungefähr nach dem zehnten Mal Haare Waschen nach Hause gefahren, hat mir aber noch viel Spaß gewünscht und es bedauert, das sie das Endergebnis nicht bewundern kann.
Jetzt steht Mel hinter mir mit einem Spiegel bewaffnet, der große Spiegel vor mir ist noch immer mit einem der Frisierumhänge bedeckt. Ungeduldig zappelt sie herum.
>>Bereit? <<fragt sie.
Ich schüttle den Kopf, doch sie Lacht nur.
>>Es wird dir gefallen. Glaub mir. <<
Langsam hebt sie den Spiegel. Gleichzeitig zieht ihre Mutter den Umhang herunter.
Und dann sehe ich mich zum ersten mal.
Meine Haare sind ziemlich kurz, aber lange nicht so kurz wie ich befürchtet habe.
Sie glänzen seidig in einem goldbraun. Dazwischen hat Petra kleine helle Strähnchen gesetzt, die so natürlich aussehen, als hätte die Sonne meine Haare unterschiedlich stark ausgeblichen.
Den Scheitel hat sie etwas seitlich angesetzt und mir einen Pony geschnitten, der mir fransig in die Stirn fällt. Die übrigen Haare verdecken gerade so meine Ohren, für mehr hat es nicht mehr gereicht, von der Länge her.
Den Gesamteindruck finde ich Atemberaubend. Der Look ist Frech, Chic und Modern. Ich liebe ihn.
Ich merke, wie sich ein schmerzhafter Kloß in meinem Hals bildet. Ich räuspere mich, aber er geht nicht weg. Tränen steigen mir in die Augen. Die neue Mia gefällt mir. Ich blinzele hektisch damit die Tränen nicht überlaufen, aber ich schaff es nicht.
>>Es ist wirklich schön.<< presse ich hervor, bevor Mel und Petra wieder denken, das es mir nicht gefällt, so wie vorgestern, als Mel mich das erste Mal anders geschminkt hat.
Bin das noch ich?
Oder bin das wieder ich?
Ich weiß es nicht.
Aber vielleicht war die Mia, die ich vor meinem Geburtstag war, ja eine Falsche Mia.
Vielleicht hat sich die richtige, die Echte Mia, nur hinter der Fassade versteckt, sich im inneren eingeschlossen und jetzt kommt sie Langsam wieder zum Vorschein.
Die Mia, die ich war, bevor ich wusste, das ich Adoptiert wurde.
Versteht mich nicht Falsch, aber es könnte sein, das ich langsam anfange zu Akzeptieren, das diese Adoption kein Weltuntergang war, höchstens vielleicht ein gewaltiges Erdbeben, was mich ganz gewaltig aus dem Gleichgewicht gebracht hat.
Und das egal, wie sehr ich mich dagegen wehre, sich nichts daran Ändern wird.
Ich muss einfach akzeptieren, das ich ein Mädchen ohne Eltern bin.
Oder vielleicht sollte ich lieber sagen, ein Mädchen ohne Leibliche Eltern.
Ich drehe mich zu Mel um, nehme ihr den Spiegel aus der Hand und lege ihn auf die Ablage vor dem Großen Spiegel, dann nehme ich sie Fest in den Arm.
>>Du bist die Beste!<< flüstere ich ihr ins Ohr. Und dann kann ich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Unaufhaltsam laufen sie meine Wangen hinab und tropfen auf Mels Schulter.
Mel sagt nichts, doch ich spüre, wie sie schluckt, so ergriffen ist sie.
Langsam lasse ich sie los. Und sehe sie an. Dann lachen wir schluchzend auf.
Als nächstes ist Petra dran. Auch sie nehme ich in den Arm, aber bei ihr fühlt er sich Mütterlicher an, fürsorglicher.
Vor Rührung laufen ihr ein Paar tränen über die Wange als ich mich auch bei ihr bedanke.
Wir helfen ihr noch, den Laden aufzuräumen, bevor sie mich nach hause bringt.
Als sie mich zuhause abgesetzt haben winke ich ihnen so lange nach, bis ich sie nicht mehr sehen kann, dann gehe ich rein.
Mara ist noch immer auf, aber sie sieht erschöpft aus. Sie muss einen Langen Tag gehabt haben. Sie kommt mir entgegen, als sie mich erkennt weiten sich ihre Augen voller staunen.
>>Tut mir leid, das ich so spät bin, eigentlich wollte ich viel früher nach hause kommen. << entschuldige ich mich.
Noch immer steht Mara da und starrt mich an, sie öffnet und schließt den Mund wie ein Fisch auf dem Trockenen und weiß nicht was sie sagen soll.
>>Ich geh jetzt schlafen. << sage ich leise.
Sie nickt.
Als ich schon auf der Treppe stehe, hält sie mich auf. Kurz berührt sie meine Hand, lässt mich aber schnell wieder los. >>Ich wollte nur... << beginnt sie, doch sie beendet den Satz nicht, sondern beginnt noch ein mal Neu. >>Du siehst sehr Hübsch aus. Marie. << sagt sie leise, dann geht sie ins Wohnzimmer zurück.
Ich wundere mich, das sie nicht ins Bett geht, aber vielleicht wollte sie mir nur nicht auf dem Fuße folgen, damit ich mich nicht bedrängt fühle.
War sie schon immer so Rücksichtsvoll?
Wenn ja, ist es mir nicht aufgefallen.
Ich gehe die Treppe hoch in mein Zimmer.
Doch als ich das Licht anschalte wartet noch eine Überraschung auf mich.
Mein Zimmer ist aufgeräumt! Die zerbrochenen Bilderrahmen wurden durch neue ersetzt, meine Schulsachen und Papiere liegen geordnet auf meinem Schreibtisch, sogar die Dreckwäsche ist weg und das Bett ist gemacht.
Das Bett! Ian's Jacke! Schnell schaue ich unter das Kissen. Und dann fällt mir ein Stein vom Herzen. Sie ist noch da. Sie ist zwar zusammengelegt, aber sie ist noch da.
Ich ziehe meinen Schlafanzug an, dann gehe ich rasch meine Zähne Putzen und anschließend können keine Zehn Pferde mich daran hindern ins Bett zu Fallen.
Ich ziehe Ian's Jacke unter dem Kopfkissen hervor und drücke sie an meine Brust, atme den Unbeschreiblichen duft ein, der an ihr haftet und dann dauert es gar nicht lange und ich bin eingeschlafen.
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