Nachts am See Teil 2
Als der Junge merkt, dass er gemeint ist dreht er sich um.
Mir bleibt das Herz in der Brust stehen, als ich ihn erkenne. Es ist Ian, wo kommt er denn auf einmal her. Ich habe gar nicht bemerkt, wie er sich zu uns gesetzt hat.
Ach herrje! Und ausgerechnet auf seinen Schoß soll ich mich setzten. Langsam stehe ich auf und gehe auf ihn zu. Er schaut mir lächelnd entgegen.
Trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob ich diese Aufgabe wirklich erfüllen möchte, aber kneifen kommt wohl nicht in Frage. Ich will kein Spielverderber sein. Als ich zu ihm hinübergehe lächele ich ihn verlegen an. Der Schmerz in meiner Brust ist so gut wie verschwunden, stattdessen ist da dieses kribbeln in meinem Bauch.
>>Darf ich?<< frage ich Ian, als ich bei ihm ankomme. Einladend klopft er sich mit einer Hand auf den Oberschenkel.
>>Du darfst. << stimmt er zu.
Von einigen Um sitzenden kommen begeisterte Pfiffe, aber mir ist das ganze fürchterlich peinlich.
Gott, was bin ich froh, dass es so dunkel ist, denn wenn es nicht so wäre, würde jeder sehen, dass ich so rot bin wie eine Tomate.
>>Tut mir leid. << entschuldige ich mich verlegen, als er einen Arm um meine Taille legt.
>>Mir nicht. << flüstert er mir ins Ohr, dabei streicht sein Atem warm meinen Nacken und eine Gänsehaut zieht meinen Rücken hinunter.
Das kribbeln in meinem Bauch nimmt vor Aufregung noch weiter zu und mein Herz hat es mal wieder so eilig, das ich Angst bekomme, es könnte mir davon laufen.
Unbehaglich rutsche ich ein wenig auf Ians Knien hin und her, bis er mich mit beiden Händen an der Hüfte packt und mich festhält.
>>Sitz still. << sagt er heiser und zieht mich weiter auf seinen Schoß. So dicht an sich heran, das ich mit dem Rücken gegen seine Brust gelehnt sitze.
Ich spüre sein Herz an meinem Rücken Pulsieren, fühle durch den Stoff meines Shirts seine festen Bauchmuskeln und die Wärme seiner Haut. Er trägt genau wie ich nur ein T-Shirt, denn meine Jacke liegt noch neben dem Baumstamm, auf dem Joris sitzt, wo ich sie vor dem Baden hingelegt habe.
>>Sorry. << flüstere ich verlegen und erstarre zur Salzsäule.
Als er die Arme locker um mich legt streicht sein Arm leicht über meinen, was kleine Elektrische Stöße durch meine Haut schickt.
>>Ist dir kalt Engelchen?<< flüstert er mir ins Ohr als er meine Gänsehaut bemerkt.
Verneinend schüttele ich den Kopf. So heiß wie jetzt, war mir schon lange nicht mehr. Trotzdem legt er die Arme um mich, um mich zu wärmen.
>>Mia, komm schon, du bist dran. << fordert Alex mich mit neidischem Blick auf, weil ich ganz vergessen habe, das ich den Ball ja weitergeben muss.
Ich werfe ihn Joris zu der Wahrheit wählt. Ich will wissen, wer die letzte Person ist, die er geküsst hat.
>>Meine kleine Schwester. << verkündet er lächelnd.
>>Das gilt nicht!<< schimpft Alex. >>Familienmitglieder zählen nicht mit. <<
>>Sie hat aber nicht gesagt, das sie speziell ein Mädchen meint. Oder Mia?<< will Joris wissen.
>>Was..?<< frage ich völlig verwirrt. >>Nein, stimmt, hab ich nicht. << antworte ich, als seine Worte doch noch zu mir durch dringen.
Ich bin viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt und den verwirrenden Gefühlen, die die erregende Nähe zu Ian in mir verursacht, als das ich dem Geschehen noch weiter folgen könnte.
Das Spiel geht weiter, aber ich bekomme nicht viel davon mit.
Als die fünf Minuten um sind stehe ich erleichtert auf. Doch empfinde ich auch so etwas wie bedauern. Jetzt wo ich nicht mehr auf seinen Beinen sitze, fühlt sich meine Kehrseite fürchterlich kalt an und auch mein Rücken vermisst die wohlige Wärme seines Körpers.
Als ich mich zu Ian umdrehe, schaue ich ihm in die dunklen Augen.
In seinem Blick liegt bedauern, aber auch Erleichterung. Ob er in meinem das gleiche sieht?
>>Die fünf Minuten sind um. << erkläre ich, weil ich nicht weiß, was ich anderes sagen soll.
>>Ja, ich weiß.<< sagt er und lächelt mich an.
Mit klopfendem Herzen gehe ich zu Felix zurück, der mich nachdenklich ansieht.
>>Ist zwischen euch... ähm... alles in Ordnung?<< fragt er, als ich mich wieder neben ihn setzte.
>>Ja, wir haben geredet, weißt du doch.<< erinnere ich ihn, an die Tatsache, dass Ian mich heute beim Abendessen vor die Tür gebeten hat.
>>Schon, aber ich wusste ja nicht, worüber ihr geredet habt.<< forschend schaut er mich an. Scheinbar würde er gern mehr erfahren, aber ich möchte nicht darüber reden.
>>Er hat sich nur bei mir entschuldigt und mich eingeladen euch noch mal zu besuchen. << Sage ich ausweichend.
>>Dann ist ja gut. << sagt Felix erleichtert. >>Und kommst du dann am Wochenende mit zu uns?<< will er wissen.
>>Ja. << sage ich schlicht und mein Blick huscht dorthin, wo Ian sitzt. Unsere Blicke treffen sich und er lächelt mir zu, als wüßte er,was ich seinem Bruder gerade erzählt hätte.
>>Cool. << sagt Felix begeistert und zieht so meine Aufmerksamkeit wieder auf sich.
Er hat alle möglichen Ideen, was wir machen könnten. Über Picknicken, Schwimmen und in den Zoo gehen, bis hin zu Eis essen, faulenzen und in der Sonne liegen.
Irgendwann schaue ich nochmal zu Ian hinüber, aber er ist nicht mehr da. Ein bisschen enttäuscht bin ich schon, das ich nicht bemerkt habe, das er gegangen ist, aber was soll's.
Auch das Spiel ist inzwischen beendet und nur noch wenige Schüler sitzen um das Feuer herum.
Ich schaue den Tänzern zu, zu denen auch Alex gehört, die mit irgendeinem Jungen tanz. Ich werfe ihr sehnsüchtige Blicke zu, doch Felix macht keine Anstalten mich zum Tanzen aufzufordern.
Er plaudert ausgelassen mit Joris, der dicht neben June sitzt.
Gerade will ich mich erheben, um allein tanzen zu gehen, als Ian vor mir auftaucht.
>>Hast du Lust zu tanzen?<< will er wissen.
>>Ja gern. << sage ich nickend und lasse mich von ihm auf die Beine ziehen.
>>Ich geh tanzen.<< sage ich zu Felix, doch der scheint das nicht wirklich mitzukriegen. Viel zu sehr ist er in seine Unterhaltung mit Joris vertieft. Trotzdem Wünscht er mir Viel Spaß.
Seite an Seite gehe ich mit Ian auf die Improvisierte Tanzfläche, dann zieht er mich an sich.
Und wie schon beim ersten Mal merke ich, wie gut wir zusammen passen. Seine großen Hände scheinen wie gemacht, um auf meinen Hüften zu liegen oder um meine Hand zu halten. Selbst sein Körper schmiegt sich perfekt an meinen, wenn wir uns bewegen.
Wir reden nicht viel, sondern lassen einfach die Musik auf uns wirken, lassen unsere Körper unsere Stimmen sein, im Einklang miteinander.
Es fühlt sich unbeschreiblich gut an, wenn sich mein Rücken an seine Brust schmiegt, oder seine Hand über meinen Rücken gleitet. Ich bewege mich nicht ganz so Sexy, wie an meinem Geburtstag, wo ich ziemlich betrunken war, aber wir haben auch so eine Menge Spaß und vor allem spüre ich heute das Knistern, was sich zwischen uns aufbaut viel intensiver.
Ich habe keine Ahnung, wie lange wir Tanzen, aber nach einiger Zeit bin ich völlig außer Atem. Ich glaube nicht, dass es nur am Tanzen liegt, aber ich brauche dringend eine Pause, denn immer häufiger bleibt mein Blick an seinen Lippen hängen und meine Gedanken spielen verrückt.
Ob seine Lippen so weich sind, wie sie aussehen? Und was ist mit den Stoppeln auf seinem Kinn?
Es juckt in meinen Fingern und am liebsten würde ich die Hand ausstrecken um es herauszufinden. Doch ich bin viel zu befangen, um meine Neugier zu befriedigen.
Erleichtert seufze ich auf, als das Lied endet.
>>Lass uns eine Pause machen. << bitte ich ihn.
>>Okay. << stimmt er zu und folgt mir zurück zum Lagerfeuer, wo ich mir jetzt doch meine Jacke anziehe, weil es langsam etwas frisch wird.
>>Möchtest du etwas Trinken?<< fragt er mich, als ich mich auf einen Stein setze, der etwas abseits liegt.
>>Ja, bitte.<< sage ich, als ich merke, wie durstig ich bin.
>>Bin gleich wieder da. << sagt er und geht. Wohin weiß ich nicht, denn bisher habe ich noch nirgends etwas gesehen, was wie etwas zu trinken aussah, aber ich habe auch nicht besonders darauf geachtet.Während ich warte wird mir kalt, also stehe ich auf und stelle mich dichter ans Feuer.
Es dauert ein paar Minuten, dann ist er mit zwei Bechern zurück.
>>Hier. << er reicht mir einen davon.
Durstig nehme ich einen Schluck und stelle fest, dass es irgendeine Bowle ist. Sie schmeckt fruchtig und süß, aber auch etwas nach Alkohol.
Nachdem er einen Schluck aus seinem Becher genommen hat schaut er erstaunt auf sein Getränk.
>>Oh! Also haben sie doch noch irgendwo Alkohol aufgetrieben.<< stellt er fest.
>>Ja, sieht so aus. << stimme ich zu und trinke noch einen Schluck.
Es ist mir eigentlich ziemlich egal, was es zu trinken gibt, Hauptsache ich habe etwas, das ich betrachten kann, damit ich Ian nicht ununterbrochen anstarren muss.
>>Woran denkst du, Engelchen?<< fragt Ian mich nach einer Weile des Schweigens.
Als ich meinen Blick hebe, sehe ich mich wieder direkt mit seinen dunklen Augen konfrontiert. Er steht viel zu dicht bei mir und so mache ich einen kleinen Schritt zurück und versuche meine Gedanken zu sammeln.
>>Oh, ich... ich habe gerade darüber nachgedacht, was wohl Frau Wolf von mir will. << sage ich stockend. Ich kann ihm ja schlecht sagen, das ich ununterbrochen an seine grünen Augen denken muss, oder an seinen berauschenden Duft, der mir während des Tanzens so verführerisch in die Nase gestiegen ist.
>>Was soll sie denn von dir wollen?<< fragt er und schaut mich interessiert an.
>>Das weiß ich ja eben auch nicht. << unschlüssig zucke ich mit den Achseln. >>June hat mir Gestern nur einen Zettel gegeben, auf dem stand, das ich um fünfzehn Uhr dreißig im Musikraum sein soll. Mehr nicht. Und jetzt weiß ich nicht, was ich davon halten soll.<<
>>Na, wenn sie dich in den Musikraum bestellt, wird es wenigstens kein Schulverweis sein, soviel steht fest. << sagt er lächelnd, >>denn dann würde sie dich eher in ihr Büro zitieren.<<
>>Ach nee!<< lachend verdrehe ich die Augen und streiche mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. >>So schlau war ich auch schon. Ich denke mal, das es etwas mit Musik zu tun hat, nur was weiß ich nicht. << Ich werfe ihm schnell einen unsicheren Blick zu, denn ich weiß ja, wie er manchmal reagiert, wenn ihn etwas an seine Mutter erinnert und Musik ist sicher kein allzu unverfängliches Thema. Doch meine Sorge scheint unbegründet.
Erleichtert nehme ich noch einen kleinen Schluck von der Bowle.
>>Woher kennst du eigentlich Jason?<< wechsele ich das Thema.
>>Lange Geschichte. << sagt Ian ausweichend, doch als ich ihn weiterhin forschend betrachte, erzählt er weiter.
>>Vor ein paar Jahren, war ich ziemlich mies drauf. Ich bin von zuhause abgehauen und da hab ich ihn kennengelernt. Wir haben zusammen rumgehangen und haben scheiße gebaut.<< gibt er zu. >>Bisschen Ladendiebstahl hier, Einbruch dort, Überfälle, Mord...<<
Mir fällt die Kinnlade runter und ich starre ihn mit aufgerissenen Augen an. >>Mord!<< flüstere ich tonlos, doch als ich sein verschmitztes Grinsen sehe, fällt mir ein Stein vom Herzen. >>Du! << schimpfe ich und schlage ihn aufgebracht auf den Arm, muss dann aber doch lachen. >>Verarsch mich nicht ja!<<
>>Das war's wert Engelchen, du hättest mal dein Gesicht sehen sollen.<< sagt er lächelnd.
>>Dann bist du also bei ihm untergetaucht?<< will ich wissen.
>>Ja, eine Zeitlang, dann hat mich sein Vater überredet nach Hause zurück zu gehen. Was auch gut war, meine Mum war ganz außer sich vor Sorge. Naja, du kennst sie ja. << sagt er und streicht sich verlegen durchs Haar.
Bestätigend nicke ich mit dem Kopf, als ich an Page denke und wie sie alles für ihre Kinder tut, weil sie sie Liebt. >>Warum bist du denn abgehauen?<< frage ich nach. >>Ich meine, Page ist doch echt toll und auch deinen restliche Familie...<< ich beende den Satz nicht, sondern denke nur an all die lieben Menschen, die bei ihm zu Hause leben.
>>Ich hatte so meine Probleme. << sagt er ausweichend. >>Page hat zwar versucht mir zu helfen, aber ich habe sie nicht gelassen. <<
>>Hat es was mit deiner Mutter zu tun?<< spreche ich vorsichtig meine Gedanken aus.
Sofort bereue ich, das ich davon angefangen habe, denn sein Blick wird finster und er zieht sich etwas von mir zurück. Nicht unbedingt Körperlich, aber emotional habe ich jetzt das Gefühl meilenweit von ihm entfernt zu sein.
>>Tut mir leid.<< entschuldige ich mich schnell bei ihm. >>Das geht mich nichts an.<<
>>Ja, da hast du recht, es geht dich nichts an. << sagt er kalt.
Man! Warum konnte ich denn nicht meine Klappe halten. Wir sind gerade so gut miteinander ausgekommen, und nur weil ich so neugierig bin, habe ich wieder diese Mauer zwischen uns errichtet.
Aber ich weiß ja, warum ich ihn gefragt habe, ich möchte unbedingt mehr über ihn wissen, darüber wer er ist und wieso er solche Probleme mit mir hatte, als ich das erste Mal bei ihm zu Hause war.
Langsam strecke ich die Hand aus und lege sie ihm auf den Arm. Bittend schaue ich ihm in die Augen. Immerhin ist er noch nicht weggelaufen, so wie beim Letzten mal, als ich ihn um eine Erklärung gebeten habe, das sehe ich als gutes Zeichen.
>>Dann hast du Jason also einen Besuch abgestattet, als wir uns kenne gelernt haben?<< versuche ich auf neutraleren Boden zurück zu finden.
>>Ja. << knurrt er leise. >>War scheinbar keine gute Idee.<<
Äh, ja okay. Denke ich gedehnt. Was genau meint er denn jetzt damit?
Das es schlecht ist, das er mich kennengelernt hat?
>>Ach so?<< frage ich vorsichtig und nehme die Hand von seinem Arm.
Er sieht mich erstaunt an. >>Ja, also...<< sagte er nachdenklich. >>Weil dein Freund nicht sonderlich begeistert von unserer Tanzeinlage war.<<
>>Er ist nicht mein Freund. << diesmal bin ich es die gereizt klingt. Super! Können wir nicht mal ein Gespräch führen, bei dem nicht einer von uns dem Anderen auf den Schlips tritt? Frage ich mich.
>>Nicht?<< fragt Ian trotzdem weiter nach.
>>Nein!<< zische ich ihn beherrscht an. >>Er ist ein Arsch, wenn du es genau wissen willst!<<
>>Oh! << staunt Ian. >>Das sah aber ganz anders aus damals in der Nacht. <<
>>Dinge können sich ändern.<< sage ich kalt.
>>Bist du sicher? Er schien mir reichlich eifersüchtig zu sein, als ich mit dir getanzt habe.<< sagt er überzeugt, ohne meine schlechte Laune zu beachten.
>>So sicher, wie man nur sein kann! << meine Stimme ist ganz schön laut geworden und ich habe keine Lust noch weiter über Mike zu reden. Warum nur sind wir wieder bei diesem Thema gelandet? Was interessiert ihn so an Mike.
>>Mike kann mich mal kreuzweise. Okay!<< fauche ich.
>>Ist ja gut, ich wollte nur ganz sicher gehen.<< sagt Ian lächelnd, seine Laune scheint wieder besser zu sein, ganz im Gegensatz zu meiner.
>>Ach ja? Und warum? Warum ist das wichtig was zwischen Mike und mir ist? Was hat er mit mir zu tun? << Will ich wissen, doch ich lasse ihm keine Möglichkeit zu antworten, weil ich schon viel zu aufgebracht bin. >>Außerdem geht es dich überhaupt nichts an, was zwischen Mike und mir ist. Denn da gibt es nämlich nichts! Rein gar nichts! Nicht das geringste! << schreie ich beinahe, so unerträglich sind die Gedanken an Mike noch immer für mich.
>>Vielleicht geht es mich nichts an, was zwischen euch ist. << unterbricht mich Ian,>>Aber was auch immer "nicht" zwischen euch ist, macht dich ganzschön wütend. Und weil es mich "nichts" angeht, werde ich dich auch nicht weiter danach fragen. Okay. Es sei denn du möchtest vielleicht darüber reden. Denn was immer es auch ist, ich bin sicher, er verdient deinen Zorn. Und es hilft manchmal, wenn man darüber redet.<< erklärt er mir.
>>Ach ja? Dann hilft es dir vielleicht ja auch, wenn du mit mir Redest! Red doch mal über deine Mutter, und warum du mich so angeschrien hast, als ich auf eurem Flügel gespielt habe und warum du so wütend auf Felix warst, als er mich mit zu euch nach Hause gebracht hat. Du sagst mir ich soll reden, aber selber schweigst du wie ein Grab, wann immer ich dich um eine Erklärung bitte.<< schreie ich ihn an. Ich lasse meine ganze Wut auf Mike und meine Eltern an ihm aus und auch diesen Frust, den ich immer dann empfinde, wenn er mir wieder Mal eine Erklärung schuldig bleibt. Mir ist egal, ob er es verdient hat oder nicht, ob ich recht habe oder nicht. Im Moment kann ich mich einfach nicht mehr beherrschen. Dieser Druck, der seit Wochen in meiner Brust sitzt und der mich eine Woche lang zum Schweigen und Hungern gebracht hat, muss einfach raus, ganz gleich wen ich damit verletzte, oder ob der, dem ich all dies an den Kopf schmeiße es auch verdient hat.
Ian sieht mich mit großen Augen an, aber er ist immer noch da, er geht nicht weg und ich gehe auch nicht weg. Ich starre ihn an, wütend und verletzt. Und auch unheimlich traurig, jetzt, wo Mike wieder so allgegenwärtig in meinen Gedanken kreist.
Mit geballten Fäusten steh ich Ian gegenüber. Ich atme Krampfhaft ein und aus und mein ganzer Körper steht unter Strom.
Ich möchte explodieren, mehr als ich es bisher getan habe, ich möchte meine Wut nicht nur herausschreien, ich möchte mich auch körperlich abreagieren, wie damals im Park an Mike, oder wie an Jason, an meinem Geburtstag, aber ich kann es nicht. Vielleicht weil ich nicht wütend genug bin oder weil sich meine Wut nicht allein auf Ian richtet. Ich weiß es nicht.
Und so stehe ich nur da und starre ihn schwer atmend an. Ich warte darauf, dass etwas passiert, das sich etwas an der derzeitigen Situation ändert und entweder meine Flucht, meinen Ausbruch oder meinen Zusammenbruch herbeiführt.
Und dann passiert tatsächlich etwas.
Ian, der mich nachwievor hochaufgerichtet, mit großen Augen anstarrt sackt plötzlich ein bisschen in sich zusammen. Sein Blick bekommt etwas unheimlich trauriges, dann kommt er langsam auf mich zu und nimmt mich in den Arm.
>>Also gut. Ich werde dir was erklären, okay? Du kannst dir eine Sache aussuchen und ich werde sie dir erklären. Aber nicht mehr heute und anschließend bist du dran. << flüstert er mir ins Ohr.
Anfangs bin ich in seinen Armen vollkommen erstarrt, doch als seine Worte bei mir ankommen bricht meine Wut in sich zusammen. Ich lege meine Arme um ihn und vergrabe meinen Kopf an seiner Brust, dann beginne ich zu weinen. Unaufhörlich laufen mir die Tränen übers Gesicht. Und ich werde von heftigen Schluchzern geschüttelt. Die ganze Zeit streicht Ian mir dabei sanft über den Rücken oder das Haar und murmelt mir leise, tröstende Worte ins Ohr.
Nach einer Weile merke ich, wie er mich aufhebt und mich wegträgt. Ich weiß nicht wohin und es ist mir auch egal.
Ich bin viel zu erschöpft von meinem Gefühlsausbruch. Den Kopf an seine Schulter und die Arme um seinen Hals gelegt höre ich noch, wie er mit jemandem spricht, dann wird es immer leiser und leiser. Und auch immer dunkler.
Ab und zu murmelt er etwas in mein Haar oder in mein Ohr und einmal glaube ich zu spüren, wie er mir einen Kuss auf die Stirn gibt, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das nicht geträumt habe, denn eigentlich schlafe ich mehr, als das ich wach bin.
Als ich das nächste Mal erwache, weiß ich nicht wo ich bin und was mich geweckt hat. Ich wälze mich unbehaglich herum und öffne die Augen. Ich sehe jemanden, der sich etwas anzieht.
>>Tut mir leid, ich wollte dich nicht wecken.<<
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