Himmel hoch jauchzend zu Tode betrübt
Frohen Muten gebe ich mir einen Ruck. Mach schon, Mia! Du gehst jetzt zu ihm!
Und das tue ich auch. Ich eile den Korridor entlang, durch die Tür in die Lobby, dort die große Freitreppe hinauf und dann bleibe ich kurz stehen. Links oder rechts?
Rechts ist das Büro von Frau Wolf und links sind hauptsächlich Klassenzimmer, soviel weiß ich.
Also werde ich mein Glück auf der Rechten versuchen. Schnell gehe ich an den einzelnen Türen vorbei, die im hellen Licht der Neonröhren zu glühen scheinen. Auf jeder Tür, an der ich vorbeigehe stehen Namen, genau wie bei uns unten, was also hoffen lässt, das ich hier richtig bin. Aber als mir ein Junge entgegen kommt, ergreife ich die Gelegenheit beim Schopf.
>>Weißt du wo das Zimmer von Ian ist?<< halte ich ihn auf, als er an mir vorbeigeht.
Ein Lächeln erhellt sein Gesicht, als er mich ansieht, dann sagt er. >>Klar. Gleich dahinten.<< er deutet mit dem Finger in die Richtung, in die ich sowieso gerade gehe.
>>Danke.<< sage ich freundlich und gehe weiter den Flur entlang.
Als ich an seiner Tür ankomme, bin ich ganz schön nervös. Soll ich klopfen, oder einfach reingehen? Ich denke klopfen ist besser, denn was ist, wenn er nichts an hat.
Hmmm vielleicht sollte ich doch einfach reingehen! Lüstern lächel ich in mich hinein, den Anblick würde ich wirklich gern sehen.
Ian mit nichts als vielleicht einem Handtuch um die Hüften, das wäre sowas von heiß! Vielleicht liegt er auf seinem Bett oder er macht Liegestütze auf dem Boden. Meine Fantasie spielt völlig verrückt.
Ob er wirklich so durchtrainiert ist, wie er aussieht? Bisher habe ich ihn gerade mal im T-Shirt gesehen und in kurzen Hosen und der Anblick lässt darauf hoffen, aber man weiß ja nie.
Könnte ja sein, das er einen Bierbauch hat.
Mia! Du weißt genau, dass er keinen hat! Schimpfe ich mich selbst, denn als ich mit ihm getanzt habe, habe ich seinen Bauch an meinem Rücken gespürt und auch vorhin, als wir uns so nah waren, konnte ich mich davon überzeugen, das sein Körper einfach perfekt zu sein scheint.
Auch wenn die Vorstellung Ian halb nackt in seinem Zimmer zu überraschen ziemlich heiß wäre, hebe ich langsam die Hand und klopfe zögerlich an die Tür.
Ich warte, aber nichts passiert. Ich klopfe nochmal. Diesmal etwas lauter und lausche an der Tür. Ob er nicht da ist? Doch ich höre etwas, das aus seinem Zimmer kommt. Geräusche. Ich höre die Stimme eines Mädchens. Es lacht leise und sagt irgendwas, aber ich kann es nicht verstehen. Meine Hand wandert zur Türklinke und drückt sie herunter.
Wenn er Besuch hat, dann wird er definitiv angezogen sein, also muss ich mir deswegen keine Gedanken machen. Langsam schiebe ich die Tür auf.
Durch den Spalt, der immer breiter wird kann ich zuerst einen Kleiderschrank sehen, dann einen Schreibtisch und eine Couch, dann einen Teppich, einen Tisch, ein Fenster, ein Bücherregal und ganz zum Schluss eine Kommode. Zögernd betrete ich den Raum.
>>Ian?<< frage ich leise. Mein Blick schweift von links nach rechts, doch weder am Schreibtisch, noch auf dem Sofa kann ich ihn entdecken. Und auch sonst nirgends im Raum. Aber ich höre seine Stimme. Auf der rechten Seite sehe ich eine Nische, in der das Bett steht.
Langsam gehe ich zu diesem integrierten Blickschutz und schaue hinein, dabei bin ich mir nicht sicher, ob ich sehen möchte, was sich darin verbirgt.
Und wie es der Zufall so will, ist es Emma, die im BH, den Rock über die Hüften geschoben rittlings auf Ian sitzt, der nur mit einer schwarzen Trainingshose bekleidet unter ihr liegt, die Hände an ihren Hüften.
>>Komm schon Ian, du willst es doch auch. << sagt sie gerade und lässt aufreizend die Hüften vor und zurück gleiten. >>Ich kann es fühlen. <<
>> Emma, ich...<< weiter kommt er nicht, denn ich muss einen Laut von mir gegeben haben. Mit vor Entsetzen geweiteten Augen starre ich die beiden an.
Was zum Teufel machen die da?!
Ich dachte, er wollte mich sehen. Mich und nicht diese kleine Schlampe, die ihn gerade besteigt.
Wie kann er mir nur sowas antun! Warum hat er mich denn überhaupt hierher eingeladen, wenn er bereits andere Pläne hatte.
So eine verdammte Scheiße!
Ich sehe wie Emma sich mir zuwendet, sehe ihr höhnisches Grinsen und wie sie aufreizend langsam mit der Hand über seine nackte Brust streicht. Ich sehe, wie sie erneut ihren Hintern an ihm reibt.
Geschockt weiche ich vor dem Anblick zurück.
Ich weiß nicht, ob Ian mich schon gesehen hat, aber als er sieht, das Emma sich zu jemandem umdreht, schaut er an ihr vorbei. Ich kann sehen, wie seine Augen immer größer werden, als er sieht, was sie längst gesehen hat. Nämlich mich.
>>Mia. << flüstert er ertappt. >>Was machst du hier?<<
>>Ich... Ich... << bringe ich gerade noch heraus, bevor ich in Tränen ausbreche. Auf dem Absatz mache ich kehrt und renne los.
>>Mia! Warte!<< ruft Ian mir nach.
>>Ian lass sie doch!<< höre ich Emmas stimme noch, dann bin ich draußen.
Renne den Gang zurück über die Treppe nach unten und durch die Tür in den Gang zu meinem Zimmer. Als ich meine Zimmertür hinter mir zuknalle, bin ich erleichtert, das June nicht da ist.
Hilflos schluchzend lasse ich mich neben der Tü an der Wand hinuntergleiten.
Felix hatte ja so recht! Wie konnte ich nur so dumm sein und mich auf Ian einlassen! Bei mir hat es nicht mal ein Jahr gedauert, bis er mich loswerden wollte. Eigentlich hat es nicht mal einen Tag gedauert. Denn erst heute Morgen sind wir uns so richtig nahe gekommen und schon jetzt hat er sich eine Neue gesucht. Und ausgerechnet Emma, die ja angeblich nur seine "Freundin" ist!
Unaufhörlich rinnen mir die Tränen übers Gesicht, als meine Zimmertür, mit einem lauten Rums, aufgerissen wird. Erschreckt springe ich auf.
Ian steht, nachwievor nur mit der schwarzen Hose bekleidet in meiner Tür. Seine Brust ist nackt, genau wie seine Füße. Seine Haare sind ein wenig feucht, als hätte er vor nicht allzu langer Zeit geduscht. Ich kann sogar noch den Duft des Shampoos reichen, das er benutzt hat. Mein Blick wandert über seinen unbedeckten Oberkörper, der genauso umwerfend anzuschauen ist, wie ich es mir vorgestellt habe. Seine wohlproportionierten Muskeln sind deutlich zu erkennen,. aber nicht allzu übertrieben.
>>Mia?<< ruft er suchend und kommt ins Zimmer. Als er mich sieht wird seine Stimme weicher, aber auch trauriger. >>Mia. << wiederholt er leise. Er klingt erleichtert.
>>Raus!<< schreie ich ihn mit brüchiger Stimme an. >>Hau ab!<<
>>Mia, bitte. << fleht er. >>Lass uns darüber reden.<<
>>Es gibt nichts zu reden, Ian. << sage ich kalt und wische mir energisch die Tränen vom Gesicht.
>>Aber ich wollte nicht...<< beginnt er hilflos, doch ich lasse ihn nicht ausreden.
>>Ja, schon klar. Emma ist nur zufällig auf dich gefallen, richtig? Und wahrscheinlich hat sie auch nur AUSVERSEHEN ihr Oberteil ausgezogen, so ein Zufall!<< schreie ich aufgebracht, der Sarkasmus tropft nur so von meinen Worten.
>>Nein, das nicht.<< gibt er betreten zu >>Aber...<<
>>Ian, das "aber" ist mir völlig egal! Verschwinde von hier! Lass mich allein! Felix hatte völlig recht, als er mich vor dir gewarnt hat, wie konnte ich nur so dämlich sein und denken, das ich dir etwas bedeute!<<
>>Was hat er?!<< Ian scheint ziemlich entsetzt zu sein. >>Was hat dieser kleine, miese Typ dir erzählt?<< will er wissen.
>>Die Wahrheit nehm ich mal an. Das du ein Playboy bist, der mit den Gefühlen der Mädchen spielst uns sie nur ausnutzt!<< sage ich mit einem verletzten Zittern in der Stimme.
>>Mia, << setzt Ian an und kommt langsam auf mich zu, doch als ich abwehrend die Hände hebe, bleibt er stehen und rauft sich frustriert die Haare. >>Felix weiß einen scheiß über mich!<< entfährt es ihm. >>Er sieht nur, was er sehen will!<<
>>Dann stimmt es also nicht?! Du hast nicht jedes Jahr eine neue Freundin?<< frage ich sarkastisch, denn ich weiß dass es stimmt, schon öfter habe ich dieses Gerücht gehört. Alex hat es gesagt und Felix auch und wenn ich so darüber nachdenke, könnte das Gespäch, das ich zum Schulanfang auf der Toilette verfolgt habe auch von ihm gehandelt haben. Von Ian, der jedes Jahr ein Neues Mädchen hat. Nicht umsonst sind sie ja alle hinter ihm her. Sie hoffen, dass sie diejenigen sind, die ihn festhalten können.
Auch ich habe es gehofft, doch diese Hoffnung war unbegründet, denn schon jetzt habe ich ihn mit einem anderen Mädchen im Bett erwischt. Nach nicht mal einem Tag. Der eigentlich sowieso nicht zählt, denn wir sind ja überhaupt kein Paar.
>>Doch.<< bestätigt er >>Aber nur, weil... weil... wir nicht zusammen passten. Mia, versteh doch!<< er sieht mich flehend an und streckt bittend die Hände in meine Richtung aus. >>Ich habe es versucht, okay. Ich wollte diese Mädchen lieben, aber... aber ich konnte nicht.<< erklärt er verzweifelt.
>>Ja, schon verstanden. Du hast es versucht, aber jetzt ist dir klargeworden, dass du mich nicht lieben kannst. Und deshalb bist du mit Emma ins Bett gestiegen!<< sage ich böse.
Warum streut er nur immer noch mehr Salz in meine Wunde? Warum will er undbedingt, das ich verstehe, dass er mich nicht liebt. Das weiß ich doch schon längst! Niemand liebt mich! Nicht einmal meine Eltern!
Entsetzt weiten sich seine Augen bei meinen Worten. >>Wa... Nein, Mia!<< sagt er verzweifelt. >>Die Sache mit Emma bedeutet mir nichts. Sie ist heute einfach in mein Zimmer geplatzt und hat...<< hilflos rauft er sich die Haare, weil er weiß, dass ich gesehen habe, was sie getan hat. >>Sie hat mich auf mein Bett geschubst und hat sich auf mich gesetzt, dann hat sie sich das Shirt ausgezogen. << erklärt er schnell. >>Ich wollte das nicht!<<
>>Ja, richtig, du hast auch sehr leidend ausgesehen!<< wieder dieser abgrundtief böse Sarkasmus, der genau das Gegenteil von dem besagt, was man meint.
>>Emma ist eifersüchtig auf dich. Sie versucht mit allen Mitteln, mich für sich zu gewinnen. Aber ich mag sie nicht! Nicht so! Nicht so wie DICH!<< erklärt er weiter, dabei stößt er das letzte Wort so verzweifelt hervor, als würde es ihm körperliche Schmerzen bereiten, doch dabei weiten sich seine Augen vor Staunen.
>>Ian, es ist völlig egal, was zwischen Emma und dir ist, okay. Bitte geh jetzt. << sage ich erschöpft. >>Ich will dich nicht mehr sehen!<<
>>Mia, bitte!<< fleht er verzweifelt. >>Was kann ich tun? Sag mir was ich machen soll. Bitte!<<
Langsam kommt er auf mich zu. Er scheint wirklich verzweifelt zu sein, doch in meiner Trauer kann und will ich nicht auf seine Gefühle, sein schlechtes Gewissen Rücksicht nehmen.
>>Ich möchte, dass du gehst. << sage ich kalt und weiche vor ihm zurück, bis ich wieder einmal mit dem Rücken an der Wand stehe.
>>Okay. Ich... ich gehe, aber ich... ich...<< stottert er unsicher, dann überwindet er mit einem großen, schnellen Schritt, die kurze Entfernung, die uns noch trennt. Dann zieht er mich mit einem Arm an sich. Seine andere Hand hält meinen Kopf und zwingt mich ihn anzusehen, sein Gesicht kommt meinem immer näher, dann berühren sich unsere Lippen. Der Kuss ist kurz und sanft, doch dabei so verzweifelt und intensiv, das ich nach Atemringen muss.
Kurz lasse ich die Berührung zu, ja genieße sie sogar, doch dann stoße ich ihn von mir, als Emma's höhnisch grinsendes Gesicht vor meinem inneren Auge erscheint. Die Tränen beginnen erneut zu fließen, sosehr ich auch versuche dagegen anzukämpfen.
>>Es tut mir leid. << flüstert Ian leise, << Ich...Ich...Du bedeutest mir wirklich sehr viel Mia, das musst du mir glauben. <<
Noch einmal kommt er auf mich zu, doch dann hält er inne.
Ich stehe nach wie vor mit dem Rücken an der Wand. Einen Arm um meinen Körper geschlungen und mit der Hand verdecke ich meinem Mund und versuche die leisen Schluchzer, die sich meiner Kehle entringen zu unterdrücken.
Er mustert mich angespannt, dann weicht er langsam vor mir zurück.
>>Bitte verzeih mir. << fleht er noch einmal, bevor er niedergeschlagen das Zimmer verlässt.
Als er endlich weg ist, sacke ich an der Wand zusammen und beginne haltlos zu weinen.
Der Schmerz in meinem Inneren ist so gewaltig, das ich ihn beinahe nicht aushalten kann.
Warum musste mir wieder genau das gleiche passieren, wie mit Mike, warum bin ich so vom Pech verfolgt?!
Mein Herz tut so weh und mir ist fürchterlich schlecht.
Eine tiefe Leere breitet sich in mir aus und die Euphorie, die mich noch heute Morgen nach der Begegnung mit Ian, mit Zuversicht und Freude erfüllte, ist wie weggeblasen.
Zurück bleibt nur die Enttäuschung und der Schmerz.
Wie konnte ich auch nur einen Moment daran glauben, dass ich ihm etwas bedeute?
Das ich irgendjemandem etwas bedeute. Viel zu schnell habe ich mich von meinen Gefühlen täuschen lassen, dabei wusste ich es doch schon lange! Wusste, dass ich nicht liebenswert bin, wusste, dass ich kein recht dazu habe glücklich zu sein, weil ich ungewollt bin, unerwünscht, von allen.
Warum habe ich nicht daran gedacht, als Ian und ich im Musikraum waren, warum habe ich so schnell geglaubt, dass das, was er gesagt hat die Wahrheit ist.
Das er mich will, dass er sich nicht von mir fernhalten kann. Das er möchte, dass ich bei ihm bin.
Wie konnte ich diesen Lügen nur Glauben schenken, obwohl ich schon seit Jahren weiß, dass nicht einmal meine Eltern mich bei sich haben wollten.
Während mir all diese Gedanken durch den Kopf gehen, versiegen meine Tränen nach und nach. Nicht das ich nicht immer noch schluchzen würde, aber es kommen einfach keine Tränen mehr. Ich bin wie ausgetrocknet, leer, tot.
Wie ist es nur möglich, dass mein Herz immer noch schlägt, obwohl ich mich so tot fühle. Ich atme, aber ich habe das Gefühl zu ersticken, so groß ist die Last, die auf meine Brust drückt, die eigentlich mein Herz zum Stillstand bringen müsste, es aber nicht tut.
Mühsam stehe ich auf. Ich schleppe mich zu meinem Bett und ziehe die Vorhänge darum herum zu. Dann lege ich mich hin und ziehe die Beine eng an meinen Körper und versuche mich zu beruhigen, doch ich kann nicht. Selbst als June ins Zimmer zurück kommt schluchze ich noch immer.
Ich höre, wie sie ganz still ist und meinen Geräuschen zu lauschen scheint, denn sie fragt mitfühlend. >>Mia, weinst du?<<
>>Nein.<< sage ich, heiser vom vielen weinen.
>>Natürlich weinst du!<< sie schiebt die Vorhänge um mein Bett beiseite, dann setzt sie sich zu mir. Sie streichelt meine Schulter.
>>Möchtest du darüber reden?<<
Ich sage nichts, sondern schüttel einfach nur den Kopf.
>>Okay. << sie bleibt einfach, da. Sagt nichts und ist still. Streichelt mich tröstend, bis mein schluchzen weniger wird und ich mich langsam beruhige.
Dafür, dass sie einfach nur da ist, mich aber nicht bedrängt bin ich ihr unheimlich dankbar.
Ich weiß nicht, wie lange sie bei mir sitzt, aber irgendwann muss ich eingeschlafen sein, denn als ich erwache ist sie weg und ich höre ihren regelmäßigen Atem aus Richtung ihres Bettes kommen.
Im Zimmer ist es dunkel, trotzdem stehe ich auf. Leise schleiche ich aus dem Zimmer und wandere Ziellos durch die Schule. Wie von selbst tragen mich meine Beine an den Ort, der für mich zu einem Zweiten zuhause geworden ist.
Das Klassenzimmer mit dem Flügel. Nachdenklich streiche ich über das dunkle Holz, die weißen und schwarzen Tasten, die für mich die Welt bedeuten. Eine Welt, die von dieser weit entfernt ist, eine Welt, in der alles besser sein kann.
Ohne nachzudenken beginne ich zu spielen. Bringe meine Gefühle durch die Musik zum Ausdruck, die mich erneut zum Weinen bringt, mir aber auch den Schmerz nimmt, weil ich einen Weg gefunden habe ihn herauszulassen.
Als ich jedoch zu einem Stück komme, das ich ohne nachzudenken begonnen habe halte ich plötzlich inne.
Es ist Ians Stück, das, welches ich für ihn komponiert habe.
Wie von allein gleiten meine Finger zurück an die richtigen Stellen und spielen das mir so vertraute Lied von vorn und selbst als ich am derzeitigen Ende angekommen bin, halte ich nicht auf, sondern spiele einfach weiter. Wie von allein scheint sich das Stück Note für Note, selbst zu erfinden.
Die Musik ist unheimlich traurig und erdrückend, trotzdem scheint sie an diese Stelle des Stückes zu gehören. So als wäre sie schon immer da gewesen. Als hätte nicht ich das Lied komponiert, sondern als wäre die Komposition ein Teil von mir, der nur noch nicht zum Vorschein gekommen ist.
Ich komme mir vor, wie eine Marionette, deren Fäden von einem unsichtbaren Puppenspieler geführt werden. Er entscheidet, was ich tue. Ich habe nicht das geringste Mitspracherecht.
Doch irgendwann scheint dem Puppenspieler die Lust vergangen zu sein, denn als hätte er die Fäden abgeschnitten, endet auch das Lied. Als wäre das Ende noch nicht geschrieben, was es ja auch nicht ist.
Ein Lied, das mit Hoffnung beginnt, mit Trauer fortgesetzt wird und wie auch immer endet. Die Komposition scheint sein und mein Leben miteinander zu verbinden und weil unsere gemeinsame Geschichte noch nicht beendet ist, kann auch das Lied nicht enden.
Ob es noch immer eine Zukunft für uns gibt? Und ob diese Zukunft gut oder schlecht ist? Zur Zeit sieht sie eher schlecht aus, aber das Lied, mein Lied, sein Lied, UNSER Lied scheint davon überzeugt zu sein, dass es eine Zukunft gibt, nur wie diese aussehen wird, darüber wissen wir beide nicht das Geringste.
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