Kapitel 49
Verzeiht mir bitte, das in letzter Zeit eher kurze Kapitel kamen. Endlich habe ich den Manga weiter gelesen und wurde dadurch animiert, wieder längere Kapitel zu schreiben.
Außerdem habe ich noch gar nicht gefeiert, dass dieses Buch bereits 10k reads erreicht hat und über 1k Menschen haben sich dazu entschieden zu Voten! Vielen Dank an alle, die diese Geschichte immer noch treu mitverfolgen, natürlich auch an meine neuen Leser in der Runde!!! ❤️
Zu diesem Anlass dürft ihr euch über ein längeres Kapitel mit Chūya erfreuen!
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Nun stand ich also vor dem Firmengebäude der Hafen-Mafia. Ein Turm von einem Hochhaus, der in den Himmel ragte und prächtig in weiß erstrahlte. Ein protziger Bauklotz, mitten in Yokohama, wo man ihn am wenigsten vermutet hätte. Hier passte wohl die Beschreibung „das offensichtliche im offensichtlichen“ zu verstecken.
Noch während ich die lupenreine Fassade, mit den polierten Fenstern, bewunderte, sah ich im Rande meines Sichtfelds meinen Bruder durch die Eingangstür auf mich zukommen.
Von einem solchen Gebäude konnte das Büro der wehrhaften Detektive nur träumen. Im Gegensatz zu der Mafia verdiente die Firma ihr Geld auf ehrliche Weise. Es zeigte sich, dass sich mit zwielichtigen und illegalen Geschäften jedoch um einiges mehr Geld verdienen ließ. Der einzige Gedanke, der sich mir dabei in den Kopf setzte war >>Wie traurig diese Welt doch ist, in der die ehrlichen betrogen und die Lügner belohnt werden<<. Es war doch eine unfaire Welt in der wir lebten, getrieben von der Macht, die jeder Einzelne anstrebte.
„Bist du fertig?“, fragte die Stimme meines Bruders ungeduldig. Augenblicklich löste ich meinen Blick von dem Objekt und blickte zu Chūya, der mich stutzen ließ. Er sah heute irgendwie anders aus.
„Wo ist denn dein Hut? Und die Stiefel trägst du ja auch nicht!“
Seine Wangen färbten sich rot und er zupfte an seiner weißen Bluse, über dieser er eine simple schwarze Anzugweste ohne Krawatte trug. Anstatt der engen schwarzen Jeans trug er eine lockere, schwarze Stoffhose und dazu ein paar schwarze, offene Sandalen.
Seine Zehen sah ich heute zum ersten Mal. Es war faszinierend, obwohl sie nichts besonderes waren, allein weil ich sie zum ersten Mal sah.
„I-Ich wollte bloß etwas neues ausprobieren!“, stotterte er und spielte mit seinen Haaren, die er zu einem ordentlichen Zopf gebunden hat.
„Wie-äh…findest du’s?“
Er war so verlegen, dass er mich nicht einmal mehr ansehen konnte. Ich musterte ihn und umgriff nachdenklich mein Kinn. Dieser Stil stand ihm zwar, aber…
„Das bist nicht du“, antwortete ich ihm ehrlich und streckte meine Hand nach seinem Kopf aus.
„Damals warst du wie ein zwielichtiger Teenie gekleidet, mit deinem Hoodie und der Kapuze auf dem Kopf. Danach trugst du einen Anzug mit Hut und Bolokrawatte. Jetzt trägst du etwas, dass ich als Hipster bezeichnen würde. Was soll denn das?“
Meine Hand griff in sein zusammen gebundenes Haar und löste das Band. In geschmeidigen Strähnen legte es sich über seine Schultern und um sein Gesicht. Sein Haar glänzte heute besonders stark und fühlte sich seidig weich an. >>Eine Haarkur?<<
Wen wollte er denn damit beeindrucken? Etwa mich?
>>Wie lächerlich<<, dachte ich und beobachtete ihn bei seinem kleinen Zusammenbruch, bei dem er wirres Zeug faselte. Ich verstand nur einzelne Wortfetzen, die wohl bedeuten sollten, dass niemand seinen Hut mochte und er dachte, eine Typveränderung wäre die Lösung. Ich verdrehte die Augen.
„Dein Hut hatte wenigstens Charakter, aber jetzt siehst du aus, wie diese Möchtegern Künstler in den Jazz-Bars.“
Er erstarrte und sah mich entgeistert an. So ganz wollte er meinen Worten wohl kein Vertrauen schenken. Fehlte nur noch, dass er mit Drogen anfangen würde, wie ein Kind, das alles ausprobieren wollte.
„Ich dachte außerdem, dass wir in deine Wohnung gehen. Warum machst du dich so zurecht, um in deiner Wohnung zu sitzen?“
Er fasste sich wieder und antwortete mir, während er sein Haar mit den Fingern richtete.
„Ich habe dir doch die Akte von deinem Entführer gegeben. Weil du mir leid getan hast, habe ich einen Gefallen eingefordert und nach dem Institut suchen lassen, von dem du damals benutzt wurdest.“
Sein Gesicht nahm ernste Züge an. Anders als eben, blickte er mir entschlossen entgegen, als wollte er mir damit sagen „Ich bin bei dir“. Er fesselte mich mit seinen blauen Augen, die klarer als das Meer rund um Yokohama waren.
„Mein Informant wird für dich alles heraussuchen, was du wissen willst. Er findet ALLES.“
Das Vertrauen in besagten Informanten schien groß zu sein, wenn er seine Fähigkeiten in so großen Tönen lobte, indem er mir betonend erklärte, dass dieser scheinbar unbegrenzten Zugang zu Datenbanken besaß. Es konnte sich dabei nur um einen Hacker handeln, vermutlich auch noch um einen Befähigten.
Ich wollte mich bereits in Bewegung setzen und dachte, er würde mich überholen und mir den Weg weisen.
„Wir fahren mit dem Baby hier“, hörte ich ihn hinter mir sagen und vernahm das aufheulen eines Motors. Der Knall erschreckte mich und ließ mich so schnell herum wirbeln, dass ich glaubte, mir dabei den Hals verrenkt zu haben.
Bei dem Anblick des Motorrads bekam ich Herzrasen, da ich nur zu gut wusste, wie stürmisch mein Bruder fuhr, hatte ich ihn bereits in Aktion erlebt.
„Danke, ich passe!“
Keine zehn Pferde würden mich dazu bringen, mich auf dieses Höllen Instrument zu setzen, noch dazu während mein Bruder dieses Ding steuerte! Ich konnte getrost darauf verzichten, mit ihm an Häuserwänden entlang zu fahren oder durch die Luft zu segeln und meinen Tod an mir vorbei ziehen zu sehen. Es reichte, ihm in den letzten Wochen mehr als zehnmal entkommen zu sein!
„Hab dich nicht so, du kleiner Angsthase!“ Schrill erklang sein lachen, als er sich über meine berechtigte Angst amüsierte. Dachte er etwa, mich damit aus der Reserve zu locken?
„Ich kann nicht“, wollte ich sagen, doch etwas hielt mich davon ab. Diese Worte wollten meine Lippen nicht verlassen. Verunsichert umfasste ich meine Ellenbogen und blickte zur Seite. In den letzten Wochen war der Tod ständig präsent gewesen und mir und meinen Kollegen hinterher gejagt. Wir sind immer mit einem blauen Auge davongekommen und ich hatte dabei nie solches Herzflattern erlebt, wie bei dem Gedanken mit Chūya zu fahren.
Ich stolperte ein paar Schritte zurück und biss mir auf die Unterlippe, bis ich wieder Mal Blut schmeckte und der Schmerz mich dazu drängte nachzugeben. Er sollte mich aufwecken, doch nichts geschah. Chūya blickte mich immer noch aus seinen verständnislosen Augen an und ließ den Helm auf den Sitz des Gefährts sinken.
Ein Chūya, der seinen schicken Filzhut einbüßte, um einen neuen Stil auszuprobieren? Das konnte doch nicht die Realität sein!
>>Habe ich etwas übersehen?<<, fragte ich mich und drehte mich um die eigene Achse, bis mir schwindelig wurde. Ich fand den Übeltäter nicht, warum sollte er sich auch in unserer Nähe aufhalten? Die Straßen waren wie leer gefegt. Lag es daran, dass heute Sonntag war? Dies würde jedoch eher zu Europa passen, da in Japan fast alles 24h geöffnet war.
Das war sicher sein Plan, dass ich verrückt wurde und weder ein noch aus wusste und es war so. Nichts schien noch in dieser Welt echt zu sein. Ich könnte meine Faust in den Boden schlagen und ein Loch in eine andere Welt erschaffen, so schien es. Sicher freute sich dieser Mistkerl darüber, wie fantastisch sein Plan funktionierte und lachte sich ins Fäustchen!
Es kam mir vor, wie ein Fiebertraum im Hochsommer, wenn man von einem anstrengenden Tag nach Hause kam und sich etwas eingefangen hat.
Halluzinationen, von denen ich meinte, mich am besten mit ihnen auszukennen und mich mit ihnen nun konfrontiert zu sehen, lockte mich vollends aus der Reserve. Ich war vollkommen hilflos!
Verzweifelt krallte ich mich in mein Haar, das immer noch ein wenig feucht von der Dusche war. Das Haareraufen verursachte bei mir Kopfschmerzen. Wie konnte ich in einer Illusion überhaupt fühlen?
Jemand packte mich grob an meinen Handgelenken und brachte mich dazu, mit der leichten Selbstverstümmelung aufzuhören, bevor ich mir mehr als nur ein paar Haare rausriss.
„Du bist ja total verrückt geworden!“, wurde ich angeschrien und spürte als nächstes einen stechenden Schmerz in meinem Wangen, als Chūya an ihnen zerrte.
„Du bist nicht echt!“, schrie ich.
Er nahm seine Hände von mir.
„Nicht echt?“, echote er. „Nicht echt?!“ Außer sich stampfte er auf den Boden und legte mir grob seine Hand auf den Kopf. Wie toll er sich in meiner Gegenwart vorkommen musste, in der er ausnahmsweise der Größere war!
„Wie kommst du auf solch einen Nonsens?“
„Du würdest doch niemals auf die Idee kommen, deinen Filzhut abzusetzen!“, jammerte ich und umgriff mit beiden Händen sein Handgelenk.
„Weil ich nicht experimentieren darf? Ich wollte mich dir einfach anpassen!“, bellte er wütend und schrie mir dabei ins Ohr.
„Reiß dich Mal zusammen“, brummte er verärgert.
„Die Welt bricht doch nicht gleich durch eine Veränderung zusammen!“, belehrte er mich, als wäre er der ältere von uns beiden.
Er begab sich zurück zu seinem Motorrad, auf dem er Platz nahm. Den einzigen Helm den er hatte, warf er mir zu.
„Entweder du sitzt jetzt auf, oder wir lassen das Ganze. Ich wollte dir nur einen Gefallen tun, aber das war anscheinend falsch!“
„Chūya, ich-"
Was sollte ich ihm denn darauf antworten? Die Ereignisse der letzten Tage konnte ich selbst noch nicht richtig glauben und so sträubte ich mich dagegen, ihm zu erklären was los war.
„Ich hörte schon, dass Frauen manchmal besonders von der Rolle sind. Aber du bist wirklich krass daneben heute!“
Vorerst würde ich ihn wohl in dem Glauben lassen, dass ich gerade einfach nur Hormon gesteuert war, doch lange durfte ich das nicht hinauszögern, wenn ich nicht noch mehr solcher Vorwürfe hören wollte. Am Ende dachte er noch, dass ich schwanger wäre, so wie er informiert, oder eher nicht informiert war.
„Tut mir leid“, entschuldigte ich mich und begutachtete den Helm zwischen meinen Händen. Zum Test klopfte ich auf die Hülle. Er machte einen soliden Eindruck, aber selbst mit dem Helm, war mir nicht ganz wohl dabei.
Chūya klackerte ungeduldig mit seinen Fingernägeln auf dem Metall des Lenkers herum und sah mich abwartend an. Ich gab mir endlich einen Ruck und setzte mich, mit aufgesetzten Helm hinter ihn. Aus Angst zu fallen, umschlang ich fester als vielleicht nötig seinen schmächtigen Oberkörper, der sich sogar schmaler als meiner anfühlte.
„Vertrau mir!“, bat er mich und legte eine Hand auf meine, die sich in seinen Bauch krallte. „Mit meiner Fähigkeit wirst du nicht herunter fallen!“
Diese Worte waren ein Versprechen und ich beschloss, mich gezwungen zu entspannen.
Mein Griff lockerte sich etwas und er fuhr zunächst in einem gemächlichen Tempo los. Auf der Straße wurde er etwas mutiger und erhöhte die Geschwindigkeit, sodass er immer mehr Autos überholte.
Wir steuerten geradewegs einen Verbindungstunnel an, wo die Fahrbahn nur noch auf zwei Strecken begrenzt war. Allmählich kroch die Angst wieder in mir hoch und ich verkrampfte hinter ihm auf dem Sitz, während er abwechselnd an der Wand und an der Decke fuhr. Wie versprochen fiel ich nicht und löste mich auch zu keiner Zeit auch nur ein bisschen vom Sitz. Er hatte seine Fähigkeit gut im Griff. Ich war erstaunt darüber, wie gut er sie wirklich im Griff hatte, als er beschloss eine Abkürzung über das Wasser zu nehmen.
Es Spritze zu unseren Seiten an uns vorbei, während wir den mittleren Teil Yokohamas ansteuerten, in dem es fast nur noch Hochhäuser gab. Ein seltsames Gefühl kam in mir hoch. Ich fühlte mich freier und leichter. Mein Herz raste wie verrückt und pumpte Adrenalin durch meine Adern. Ein unbeschreibliches Gefühl, bei dem ich meinen Blick nicht vom Himmel abwenden konnte, den keine Wolke zierte. Die Angst war gewichen und ich empfand Freude am Adrenalinrausch!
Auch als wir die Innenstadt erreichten, war er nicht weniger waghalsig unterwegs und fuhr, wie ich es bereits erwartet hatte, an der Wand eines Hochhauses hinauf. Dabei entlockte er mir dann doch einen kurzen Schrei und bald darauf ein erleichtertes Lachen, als er mit der Maschine in die Luft sprang und über die Dächer fuhr, bis wir auf einem Dach anhielten.
Es war mit Moos bedeckt und brüchig. Die Person, die unterm Dach wohnte dürfte nicht überrascht darüber sein, wenn es hinein regnete und zog.
„So gefällst du mir schon besser.“
Chūya lächelte, nachdem ich den Helm abgesetzt hatte und deutete mit seinem Kinn zu unseren Füßen.
„Er wohnt direkt unterm Dach. Ich habe dich nur hergebracht. Mit ihm reden wirst du allein müssen.“
„Aber warum?“
Musste er etwa noch woanders hin?
„Weil er nicht gern in der Zahl unterlegen ist.“ Sein Informant dachte also, wir würden ihn überfallen? Ein absurder Gedanke, der recht treffend war, wenn man bedachte, dass wir beide Mitglieder einer Organisation waren.
„Ich werde allein nach Hause finden. Ich will dich nicht den ganzen Tag aufhalten.“
„Tsk! Als wenn ich dich auch noch zurück gefahren hätte!“ Dennoch lächelte er verschmitzt und stieg wieder auf seine Maschine.
„Danke, Chūya. Ich weiß das wirklich zu schätzen!“
Er winkte nur ab, bevor er losfuhr und mich allein auf dem schäbigen Dach zurück ließ, das in keiner guten Gegend lag, wo ich es mir nun recht überlegte.
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