𐫱 𝔎𝔞𝔭𝔦𝔱𝔢𝔩 𝔷𝔴𝔢𝔦 𐫱
Thomas
Die graue, glatte Wand, die früher mal in klarem Weiß geleuchtet haben muss, ragt vor uns in die Höhe. Keine Einkerbungen und Schlitze deuten auf die verborgene Öffnung hin.
Nur Minho und ich kennen das Geheimnis, wenn auch nur vage. Uns bleibt nur die Hoffnung, dass dahinter wirklich ein Ausgang schlummert.
Als wir das Tor durch Zufall öffneten, scannte uns eine Kamera und löste einen Mechanismus aus, der die querstehenden langen Säule in Bewegung setzte. Beinahe wurden Minho und ich wie Mäuse in einem Kasten eingesperrt.
Seufzend wende ich mich von der Mauer ab und schaue zu dem neuen Mädchen, das ein wenig fehl am Platz aussieht. Wie ein verlorenes Schaf steht sie etwas abseits und verlagert ihr Gewicht auf ihr linkes Bein. Ich bin mir sicher, sie hat Schmerzen, aber sie hat sich nichts anmerken lassen. Sie ist echt tapfer.
Mitleid knabbert an meinem Verstand. Auch wenn ihre Anwesenheit Skepsis hervorruft und ihre Aussagen von Sarkasmus triefen, ist sie ein verwundbarer Mensch wie wir.
Ich gebe mir einen Ruck und löse mich von meiner Position, um zu ihr zu schlendern. „Hey."
Ein freundliches Lächeln bringt ihre grünen Augen zum Funkeln. „Dahinter soll der Ausgang sein, ja?"
„Wir hoffen es. Aber ich glaube dran."
„Dann soll dein Glaube nicht getrübt werden. Vielleicht sprengt er ja die Wand." Eine Augenbraue wandert in die Höhe und zieht einen Mundwickel mit sich.
Kopfschüttelnd muss ich an Minho denken, dem ein ähnlicher Humor innewohnt und automatisch sucht mein Blick ihn.
Dieser überreicht mit verkniffener Miene Chuck den Schlüssel, einen silbernen Zylinder mit abstehenden Kabeln und einem kleinen Display mit roten Ziffern, den wir in einem Griever gefunden haben, der von einer sich verschiebenden Wand zerquetscht wurde.
Eindringlich sagt Minho ihm, dass er gut drauf aufpassen solle. Eine große Aufgabe für ihn. Das kindliche Gesicht von Chuck leuchtet auf und ich packe meinen Speer fester.
Durch ein Seufzen macht das Mädchen auf sich aufmerksam und ich rucke mit dem Kopf zu ihr. „Ich wünschte, ich könnte euch auch eine Hilfe sein. Bisher bin ich nur ein Niemand."
Mitfühlend lege ich meine Hand auf ihre Schulter: „Mach dir keine Sorgen, am Anfang wusste jeder seinen Namen nicht, der kommt noch. Aber was den Rest der Erinnerungen angeht..." Ich zucke die Schultern. Außer mir hat niemand Erinnerungen. Trotzdem sind es nur Bruchstücke, es fehlt so viel. Besonders dieses Mädchen ist mir ein Rätsel. Ich kann mich an die meisten meiner Freunde erinnern, aber sie ist nicht dabei.
Trotzdem kreisen tausend Fragen in meinem Kopf umher. Warum war sie mitten im Labyrinth? . Wie ist sie dahin gekommen? WCKD hat sich bestimmt nicht die Mühe gemacht und sie da festgebunden. Das passt nicht zu dem Muster, das diese Organisation an den Tag legt. Alles hatte einen geordneten Ablauf.
Mir fällt das Gespräch mit Bratpfanne ein. Er traut dem Mädchen nicht.
Dass sie eine Spionin sein soll, scheint mir aber unwahrscheinlich. Es ist wie ein Jucken unter meiner Kopfhaut, dieses Gefühl von Bekanntheit. Es erscheint mir wichtig, wie ein Schloss, hinter dem ein Bestandteil meines Lebens schlummert, aber mir fehlt der Schlüssel.
Plötzlich steht Newt neben mir und reißt mich aus meinen Überlegungen: „Bist du so weit?"
Ich nicke entschlossen. Adrenalin rauscht durch meine Blutbahnen und bringt meine Nerven zum Kribbeln. „Dann lass uns den Weg raus finden!"
Mit glühenden Wangen hebt Chuck den Schlüssel hoch und das Tor öffnet sich.
Vor uns erstreckt sich nun ein langer Flur, wo es an den Seiten steil runterfällt. Solange niemand einen falschen Schritt macht, sollte nichts passieren. Hoffentlich. Schweißperlen bilden sich auf meiner Stirn.
Auf der anderen Seite ist ein zweites Tor. Eine runde Vertiefung in der Wand. Wir laufen darauf zu, doch plötzlich kommen von allen Seiten Griever. Mit klopfendem Herzen und angespanntem Körper gehe ich in Angriffsstellung.
Ein unerbittlicher Kampf beginnt.
Die schleimigen Mutanten versuchen uns mit ihren metallenen Beinen zu erstechen, rammen ihre Stacheln in den Boden und schnappen mit ihrem Greifarmen nach uns.
Wütend brüllen sie, fest entschlossen uns aufzuhalten.
Doch wir schlagen zurück. Greifen sie mit unseren Speeren an, drängen sie an den Rand und stoßen sie in den Abgrund.
Kriegsgeschrei erfüllt den Flur, das Klackern der Stelzen und Grölen der Monster.
Schreiend wird einer von uns mit in die Schlucht gezogen, ächzend fällt der schlaffe Körper eines anderen zu Boden.
Doch ich kann nichts tun, schaue nicht zurück. Jeder kämpft verbissen für sich ums Überleben.
„Lauf Chuck!", höre ich plötzlich Theresa schreien, aber ich bin damit beschäftigt, gegen den Griever vor mir zu kämpfen.
Das widerliche Wesen wehrt meinen Speer ab und treibt mich immer näher zur Klippe.
Plötzlich gellt ein lauter Schrei von Chuck durch den Flur: „Nein!"
Ich schaue auf und sehe, dass der Schlüssel auf den Abgrund zurollt. Das kann nicht wahr sein! Langsam rollt der Zylinder ungehindert weiter, doch der Griever fährt wieder seine Spritze aus und sticht in meine Richtung. Frustriert knirsche ich mit den Zähnen und wehre mich gegen den Angriff.
Kurz bevor er runterfällt, kommt das Mädchen mit wehenden blonden Haaren angerannt. Sie schlittert zum Rand und schnappt sich das silberne Teil in letzter Sekunde. Dann läuft sie zu Chuck, nimmt den zerknirschten Jungen bei der Hand und bringt ihn zum Tor. Theresa folgt ihnen mit verschränkten Armen.
Erleichtert atme ich aus. Das ist nochmal gut gegangen.
Dem schleimigen Etwas interessiert dies wenig und setzt zu einem neuen Schlag an. Geschickt weiche ich aus, rolle mich unter das Wesen und ramme mit aller Kraft meinen Spieß in seinen Bauch. Es gibt einen markerschütternden Schrei von sich.
Mit einem Schmatzen ziehe ich meine Waffe wieder raus und muss mein Gesicht verziehen. Wie abartig diese Teile auch sind. Grässliche Schöpfungen von WCKD.
Schnell hechte ich auf die sichere Seite und gebe dem Griever einen letzten heftigen Stoß. Taumelnd versucht es mich anzugreifen, doch dann stürzt es in die Tiefe. Nicht mal den Aufprall höre ich.
Endlich habe ich meinen ekelhaften Gegner besiegt. Erschöpft lasse ich den Speer sinken und gönne mir eine kurze Verschnaufpause.
Doch im nächsten Augenblick ruft Theresa: „Wir brauchen einen Code mit acht Zahlen!"
Einen Code? Ich schaue mich um. Was könnte auf einen Code hinweisen? Angestrengt denke ich nach und fasse mir an meine Schläfen. Eine Zahlenfolge mit acht Zahlen. Dann fällt es mir ein. Natürlich! Jede Nacht öffnete sich ein anderer Abschnitt des Labyrinths, insgesamt acht. Immer in der selben Folge. Und es gibt niemanden, der sich besser damit auskennt als: „Minho!"
„Was ist denn?", brüllt dieser vom anderen Ende des Flurs.
„In welcher Reihenfolge öffnen sich die Abschnitte?"
„Sprich noch leiser, dann verstehe ich dich!"
Genervt stöhne ich, doch gebe mir einen Ruck und schreie mir beinahe die Seele aus dem Leib.
Das scheint auch bei ihm anzukommen und er rattert die Zahlen wie ein auswendig gelerntes Gedicht runter.
„Warte, was? Komm bitte her, sonst verstehe ich es nicht", kommt es von Theresa.
Gute Idee, am besten gehen alle dahin. Wer weiß was passiert, wenn sie den Code eingeben.
„Geht alle zum Tor!"
Das lässt sich niemand zweimal sagen und alle stürmen zur vermeintlichen Rettung.
Ich bilde das Schlusslicht, überprüfe, ob es jeder schafft. Doch Minho kämpft immer noch mit einem hartnäckigen Griever.
Zwischen den Stößen, die er dem Ekelpaket verpasst, gibt er den Code an.
Weitere Griever kommen von allen Seiten angekrochen. Meine Freunde stehen zusammengedrängt am Tor, Theresa tippt Minhos Worten folgend die Zahlen ein. Meine Hände sind glitschig und mein Herz poltert in meiner Brust.
„Wir haben keine Zeit!"
Mit einem kräftigen Hieb schaltet Minho endlich den Griever aus und macht sich auf den Weg zu den anderen, stoppt nicht, die Reihenfolge zu rufen.
Plötzlich springt ein Griever aus dem Nichts auf mich und schmeißt mich um. Ich drücke es mit meinem Speer weg, aber es versucht mich zu stechen. Seine widerwärtige Fratze kommt mir immer näher und Schleim aus seinem Maul tropft in mein Gesicht. Ich ächzte. Dieses Teil ist echt schwer und ekelhaft. Ein Würgereiz steigt meine Kehle hoch und meine Arme beginnen bedrohlich zu zittern. Ich presse meine Zähne zusammen und wende den Kopf ab.
Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie alle erstarrt auf mich starren, aber das Mädchen greift sich den Speer von Newt und rennt zu mir. Mit einem Kriegsschrei stößt sie den Griever von mir weg und zieht mich hoch. Ihre Augen leuchten kurz grün auf und der Monster hält sich für einen Moment von uns fern. Aber vielleicht habe ich es mir einfach nur eingebildet.
„Komm schnell!" Auch in die anderen ist Leben zurückgekehrt. Theresa tippt die letzte Zahl ein und mehrere Wände fallen von oben runter. Mein Angreifer von vorhin nimmt es auch wahr und versucht mit letztem Ehrgeiz zu uns zu kommen.
Doch das steinerne Mauerteil fällt auf das Wesen und zerquetscht es unter sich. Knackend gehen die Stelzen zu Bruch, Schleim und Organsäfte werden herausgepresst und spritzen in unsere Richtung. Wie eine vergammelte Tomate, die zu Boden gefallen war, klebt das schleimige Ungetüm unter der Wand und verdeutlicht, was unser Schicksal gewesen wäre.
„Ihhh!" Meine Retterin schüttelt sich angeekelt neben mir.
„Danke", antworte ich bloß und spüre wie das Adrenalin zur Erschöpfung wechselt.
Sie schaut mich verdutzt an: „Ich dachte, das macht man so bei Freunden?" Stimmt. Aber ohne sie wäre ich wahrscheinlich jetzt auch Matsch. Warme Dankbarkeit breitet sich in meiner Brust aus. Trotzdem bleibe ich angespannt und mein Herz rast noch immer.
Langsam geht das Tor zischend auf. Vorsichtig gehen wir alle nacheinander rein und schauen uns um. Lampen flackern und es liegen Tote an den Wänden. Blut tränkt die weißen Kittel, bedeckt den ehemals sterilen Boden. Eine einsame Alarmleuchte blinkt vor sich hin. Bedächtig setzen wir einen Schritt nach dem anderen in die unheimliche Stille. Unsere Atmung hallt laut durch die trüben Gänge. Die Blondine hält sich dicht an mich und sieht sich verunsichert um.
Enttäuscht flüstert sie: ,,Ich habe mir den Ausgang anders vorgestellt." Ja, ich mir irgendwie auch. Keiner fühlt sich hier wohl und ein eiskalter Schauder rieselt mir den Rücken runter. Vor uns befindet sich eine Tür, die Newt mit Obacht aufstößt.
Wir gelangen in einen Raum, der wahrscheinlich mal die Überwachungszentrale war. Überall liegen Scherben herum und Bildschirme flimmern. In den Wenigen, die noch funktionieren, kann man die Lichtung sehen.
„Wir wurden tatsächlich beobachtet!" Newt deutet empört darauf. Ich schaue mich genauer um. An diesen Ort kann ich mich erinnern. Ich glaube, hier war ich mit Theresa. Die blauen Glaswände. Die weißen Tische. Die holografischen Bilder.
Plötzlich aktiviert sich ein Video und man sieht eine Frau, die komplett weiß eingekleidet ist. Erschrocken weichen wir einen Schritt zurück und schauen mit unverhohlenem Misstrauen auf die Frau auf dem Bildschirm, die sich mit Ava Paige vorstellt. Sie erklärt uns, was alles in der Welt passiert ist, während wir im Labyrinth waren. Starke Sonneneruptionen erschütterten die Welt, machten den Großteil unserer Erde unbewohnbar und entfachten einen Virus, der die menschlichen Hirne befällt und ihren Verstand nimmt. Der Brand-Virus. Meine Nackenhaare stellen sich auf. Gebannt höre ich ihr zu, doch dann merke ich, dass das Mädchen nicht mehr da ist.
Besorgt schaue ich mich um und entdecke sie bei einem anderen Bildschirm, der scheinbar auch noch funktioniert. Sie starrt auf etwas, was sich darauf abspielt. Auf ein Mal haut sie auf die Tastatur und schaut erschrocken auf. Dann merkt sie, dass ich sie beobachte und guckt ertappt weg.
Stirnrunzelnd wende ich meine Aufmerksamkeit genau in dem Moment zurück auf das Video, als Ava erklärt, dass sie lieber ihr Leben aufgibt und die Waffe an ihren Kopf hält. Mit dem Betätigen des Abzuges endet die kurze Frequenz. Verwirrt schnappen alle nach Luft. Hat sie wirklich...?
Wir wenden unsere Köpfe zu dem Platz, wo Ava ihr Video aufgenommen hat. Da liegt tatsächlich eine Person mit weißen Klamotten. Mein Magen zieht sich zusammen. Ob sie es tatsächlich ist? Wie hypnotisiert gehen wir darauf zu, aber plötzlich öffnet sich eine Tür. Licht fällt rein und blendet uns.
Mit zusammengekniffenen Augen versuche ich hinauszublicken. Jubelnd stürzen meine Gefährten zum Ausgang. Haben wir es wirklich geschafft? Sind wir endlich frei? Die Euphorie der anderen steckt mich und auch ich setzte mich in Bewegung.
„Stopp!", ruft plötzlich jemand. Wir drehen uns um und da steht Gally mit wutverzerrtem Gesicht. Er hat eine Waffe in der Hand.
„Wie hast du es geschafft, wie bist du reingekommen?" Ich schaue ihn halb wütend, halb verwundert an.
Er hält einen anderen Schlüssel hoch. Erst jetzt merke ich, dass seine Iriden vollständig dunkel sind und seine Adern schwarz hervorstehen.
Nein, das darf nicht wahr sein. Meine Augenbrauen ziehen sich zusammen. Diesen Zustand habe ich schon zweimal gesehen. Ben, der ehemalige Läufer, der mich kurz nach meiner Ankunft durch die Lichtung jagte und verbannt wurde. Alby, für den ich eine Nacht im Labyrinth blieb und ihm so das Leben rettete. Beide Erinnerungen legen sich wie eine kalte Hand um mein Genick.
Gally teilte nun das Schicksal. Wahrscheinlich traf in die Spritze des Grievers, in dem sich dieses tödliche Serum befindet, während des Kampfes. Er musste das Schleimungetüm töten, um an den Schlüssel zu kommen. Ich presse meine Zähne zusammen. Was hat in dazu bewogen? Er war doch fest überzeugt, in der Lichtung zu bleiben.
„Ich hab dich gesehen!", brüllt er mit tränenerstickter Stimme, „Du bist schuld für alles! Wegen dir sind wir hier!" Mit wildem Ausdruck in den Augen richtet er die Waffe auf mich. „Woah, woah, beruhige dich! Du wurdest gestochen, du denkst nicht klar!", ruft Newt, aber Gally zielt weiter zitternd mit der Waffe auf mich.
„Komm, Gally, reden wir wie normale Menschen miteinander", versuche ich ihn zu besänftigen.
„Nein, wegen dir sind so viele gestorben! Wegen dir kamen die Griever!" Diese Theorie hatte er schon auf der Lichtung. Nun, er hatte auch schon immer eine Abneigung gegen mich. Unruhig scharren sich meine Freunde hinter mich, Theresa weicht mir nicht von der Seite, Chuck steht dicht neben mir. Wie eine zusammengedrängte Herde stehen wir Gally gegenüber.
Zitternd wandert sein Finger zum Abzug. Er scheint sich in den Kopf gesetzt zu haben, mich zu töten. Entschlossen hebe ich den Kopf, meine Lippen zu einer Linie verzogen. Wenn ich schon sterben muss, dann mit Stolz. Wir haben es weit geschafft. Und für das Wohl meiner Mitstreiter, meiner Familie, bin ich bereit zu sterben.
Plötzlich wirft Minho seinen Speer auf Gally und dieser geht zu Boden, doch gleichzeitig löst sich ein Schuss und es hallt im ganzen Raum wieder.
Mit starren Augen liegt er dort, der Spieß tief in seiner Brust.
Alle schauen Minho an, teils bewundernd, teils vorwurfsvoll. Doch er zuckt nur die Schultern: „Er hätte Thomas umgebracht, ich musste eingreifen. Außerdem wäre er so oder so gestorben." Da hat er recht. Schon zum zweiten Mal an diesen Tag hat mir jemand das Leben gerettet. Erleichtert atme ich aus und wische meine Hände an meiner Hose ab, die doch vor Nervosität schweißnass geworden sind.
„Thomas", wimmert Chuck und geht auf die Knie. „Chuck!", ich knie mich erschrocken neben ihn hin. Er presst die Hände auf seine Brust, trotzdem sehe ich das Blut, dass in sein Hemd sickert. Nein! Er hat sich vor mich gestellt! Er ist der wahre Retter.
Er verliert schnell Blut und Kraft. Sein beiges T-Shirt verfärbt sich rot und das runde Gesicht wird immer blasser. Er kippt zur Seite und schaut mir vom Boden aus entgegen. Seine Atmung geht nur stoßweise, aber in seinen Augen liegt Entschlossenheit. Zitternd holt er seine geschnitzte Figur raus.
Die Erinnerung ist wie ein Schlag ins Gesicht. Es war an dem Abend, als ich für eine Nacht Arrest bekommen habe, weil ich ohne Erlaubnis ins Labyrinth gestürmt bin, um Alby, unseren damaligen Anführer, zu retten.
Ich sitze in der kalten Grube, meinen Rücken an die nasse Erde gelehnt. Schritte ertönen von draußen und zwischen den Gittern erscheint das grinsende Gesicht meines jungen Freundes.
„Chuck, alter Kumpel, schön dich zu sehen." Ich blicke zu ihm hinauf und sehe, wie er seinen Arm durch die Stäbe steckt und mir etwas reicht.
„Ich dachte, du könntest Stärkung gebrauchen, wenn du morgen deinen ersten Tag als Läufer hast." Gierig schnappe ich es mir und beiße genüsslich in das Brot.
Zufrieden seufze ich: „Das ist das beste Brot, das ich je gegessen hab."
Chuck lacht: „Bratpfannes Spezialität." Dann lässt er sich auf seinen Hosenboden plumpsen. „Meinst du, du findest den Ausgang?"
„Natürlich! Minho und ich werden ihn finden und wir werden alle frei sein."
„Gut. Dann finde ich meine Eltern und gebe ihnen das hier." Durch die Stäbe gibt er mir eine kleine hölzerne Figur. „Habe ich selbst gemacht."
Mit dem Daumen fahre ich über das grobe Holz, betrachte die rundliche Figur mit dem kleinen Kopf.
„Deine Eltern werden sich sicher freuen." Vorsichtig reiche ich sie wieder an Chuck.
„Meinst du, sie vermissen mich? Irgendwo da draußen müssen sie doch vor Sorgen sterben, oder?"
Ein Entschluss formt sich in meinem Kopf, nimmt Gestalt an und verfestigt sich in mir. Ich werde ihn hier rausbringen. Komme was wolle. Ich werde mit ihm ans Ende der Welt gehen, um seine Familie zu finden.
Meine Sicht verschwimmt. Wie Pfützen sammeln sich die Tränen, die ich mit Mühe zurückhalte. „Nein, Chuck, du wirst es schaffen!" Ich drücke seine Hand zu, drücke sie von mir weg.
„Hier ... wenn ihr es ... rausschafft, gib es meinen ... Eltern für mich, ... wenn du sie ... findest", sagt er mit großer Anstrengung und drückt mir die Figur in die Hand.
„Nein, du wirst es ihnen selber geben, du wirst mit uns kommen!" Ich presse meine Hände auf die Wunde, versuche die Blutung zu stoppen.
Seine Atmung wird schwächer und er lächelt mir ein letztes Mal zu. „Bitte", flüstert er nur noch und hört auf zu atmen.
„Nein!" Ich fange an zu weinen. „Bitte, Chuck, lebe! Lebe!" Ich lasse meinen Tränen freien Lauf. Warum? Warum, Chuck?
Newt legt mir eine Hand auf die Schulter und sagt sanft: „Er ist tot, Thomas. Wir müssen gehen." Aber ich schüttele den Kopf. Das salzige Wasser hemmungslos über meine Wangen.
Das Mädchen kniet sich neben mich und legt ihre Hände auf Chucks Brust. „Chuck...", flüstert sie. Dann nehme ich nichts mehr um mich herum wahr, ich sehe nur noch den unschuldigen, toten Chuck, verschwommen im Tränenschleier.
Seid gespannt auf das dritte Kapitel! Es geht spannend weiter, speichert die Geschichte, wenn ihr nichts verpassen wollt! Ich freue mich über jedes Feedback und jede Verbesserungsvorschläge. Ich hoffe, ich habe den Charakter von Thomas einiger Maßen getroffen und ihr konntet es nachvollziehen.
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