9. Seine Schatten der Vergangenheit
Sobald Aleyna aufwachte, war sie in ihren Gedanken versunken. Sie musste die ganze Zeit an gestern Abend denken und konnte sich nicht richtig konzentrieren.
Heute war Donnerstag, und sie hatte Zauberkunst und Verteidigung gegen die dunklen Künste.
Beim Frühstück setzte sie sich zu Emilia und Kayla, die ununterbrochen von der Party redeten, die am Freitag stattfinden würde. Doch von ihrem Gespräch bekam sie kaum etwas mit, weil sie die ganze Zeit Malfoys Blick auf sich spürte, der sie unruhig machte. Sie wusste nicht, warum.
Irgendwann hielt sie es nicht mehr aus, seinen Blick zu ignorieren, und schaute ihm in die grauen Augen. Sie waren schon längst auf sie gerichtet. Ein Moment der Stille. Er hielt den Augenkontakt kurz, blickte dann weg und wandte sich wieder seinen Freunden zu, darunter auch Mattheo.
Mattheo ignorierte sie weiterhin, wie auch schon die letzten Tage.
„Und was willst du anziehen, Aleyna?", riss Emilia sie zurück auf den Boden der Tatsachen.
„Was?", fragte sie leicht verwirrt.
„Was willst du morgen zur Party anziehen?", fragte Emilia sie erneut und grinste sie an.
„Ich weiß noch gar nicht, ob ich überhaupt hingehe", entgegnete sie.
„Du musst kommen!", entgegnete Emilia entsetzt. Kayla hatte noch nicht mit ihr geredet, aber sie wollte auch nicht mit ihr reden. Sie mochte sie einfach nicht.
„Na gut", antwortete sie Emilia, die daraufhin glücklich in die Hände klatschte. „Und was ziehst du dann an?", fragte sie sie erneut.
„Keine Ahnung, irgendein Kleid. Lass dich überraschen", entgegnete sie grinsend, um sie ein wenig zu provozieren.
„Das ist unfair! Ich will es wissen!", sagte Emilia und zog einen Schmollmund.
Emilia erzählte ihr noch einige Details zur Party, zum Beispiel, dass sie um 21 Uhr beginnen würde und im Slytheringemeinschaftsraum stattfinden sollte.
Nachdem sie fertig gegessen hatten, gingen Emilia und sie gemeinsam zu Professor Flitwicks Klassenzimmer. Kayla hatte nicht mit ihnen Zauberkunst, sondern ein anderes Fach.
Wie immer schauten die Schüler sie überall ängstlich an. Sie setzten sich wie letztes Mal nebeneinander und unterhielten sich leise während des Unterrichts.
Emilia war wirklich nett. Es fühlte sich gut an, dass jemand freiwillig mit ihr zu tun haben wollte.
...
Gelangweilt saß sie auf ihrem Platz in der letzten Reihe und folgte unaufmerksam dem Unterricht von Professor Snape.
Sie musste die ganze Zeit an gestern Nacht denken, an Malfoy.
Es war so überraschend gewesen, als er sie umarmt hatte. Noch überraschender war jedoch, dass sie die Umarmung nach kurzem Zögern erwidert und sogar genossen hatte.
Sie hatte nicht mit einer Umarmung gerechnet, da er sie doch hasste.
Eigentlich hatten Malfoy und Mattheo mit ihr Verteidigung gegen die dunklen Künste, aber sie tauchten nicht auf.
...
Mattheo wusste nicht, warum Draco so dringend mit ihm reden wollte, aber es schien wichtig zu sein. Beim Mittagessen hatte Draco gesagt, dass er ihm etwas erzählen musste, was nicht warten konnte.
Schließlich blieb er in einem abgelegenen Flur stehen und räusperte sich: „Also, es geht um Aleyna."
Sofort spannte sich Mattheo an. Er hasste sie, und allein der Gedanke an sie ließ ihn wütend werden.
Der Drang, ihr Schmerz zuzufügen, wie er ihn die letzten Jahre ertragen hatte, war riesig.
Sie hatte ihre Mutter getötet. Wie konnte sie nur?
Und als sie dann auch noch den Mut hatte, nach Hogwarts zu gehen, konnte er sie noch weniger leiden, wenn das überhaupt noch möglich war.
„Ich glaube, der geht's richtig schlecht, Theo", sagte Draco.
„Na und? Was interessiert es dich oder mich, wie es ihr geht?", schrie Mattheo aufgebracht.
„Beruhig dich. Ich wollte es dir nur sagen. Sie war gestern Abend auf dem Astronomieturm und wollte sich umbringen. Die war voll fertig", meinte Draco.
Sie wollte was? Wieso sollte sie sich umbringen wollen?
„Lüg mich nicht an!", fauchte Mattheo. „Ich lüg nicht. Sie wollte da gestern wirklich runter springen, die hat voll geweint und so", entgegnete Draco.
Das ergab keinen Sinn.
Welchen Grund hatte sie denn bitte für Selbstmord?
„Schwör", sagte Mattheo, während er Draco anstarrte.
„Ich schwöre", legte Draco seine Hand aufs Herz und redete gespielt feierlich. Mattheo verdrehte die Augen.
„Aber wieso sollte sie sich umbringen wollen?", überlegte er laut. Dracos Gesichtsausdruck wurde wieder ernster, doch er zuckte nur mit den Schultern.
Diese Frage spukte ihm den ganzen restlichen Tag im Kopf herum, er konnte an nichts anderes denken. Auch als Pansy und Kayla versuchten, ihn zu einem Dreier zu überreden, war er abgelenkt.
Wieso sollte Aleyna sich das Leben nehmen? Sie hatte seine Mutter getötet. Sie war ein Monster, genau wie sein Vater.
Seine Erinnerungen kamen von ganz alleine wieder: Mattheo saß an einem Schreibtisch und erledigte die vielen Aufgaben, die er bis morgen fertig haben musste.
Ein dumpfer Knall durchbrach die Stille, und er wandte sich von den Aufgaben ab. Er lauschte weiter, doch es blieb still.
Neugierig schlich er die Treppe hinunter und schaute durch die leicht geöffnete Tür in die große Eingangshalle.
Sein Atem stockte, als er sah, was sich gerade direkt vor seinen Augen abspielte.
Seine Mutter lag mit einem schmerzerfüllten Gesicht auf dem Boden, und Aleyna ging mit gezogenem Zauberstab auf sie zu.
Was machte sie da? In den Augen seiner Mutter war große Angst zu sehen.
„Avada Kedavra!"
Die Worte kamen von Aleyna.
Ein heller grüner Lichtblitz sirrte auf seine Mutter zu, und leblos sackte sie zusammen.
Hatte sie–? Mattheo stockte der Atem. Das konnte doch nicht sein. Das grausame Lachen seines Vaters erklang.
Er fühlte sich, als ob er keine Luft mehr bekam. Er war nicht mehr fähig, klar zu denken.
Geschockt drehte er sich um und lief. Er rannte so schnell er konnte. Weg von hier.
Ununterbrochen liefen Tränen seine Wangen hinunter.
Seine Mutter, sie lebte nicht mehr. Sie würde nicht mehr zurückkommen.
Aleyna hatte sie getötet.
Er rannte und rannte. Er hatte jegliches Gefühl verloren.
Er schwor sich, dass er Aleyna für immer hassen würde und sich irgendwann an ihr und seinem Vater rächen würde.
* ◦ . • ✧ ༝ . * ⋆ ✦ ꙳ ⋆
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