3. Aufmerksamkeit
Aleyna stand vor dem Spiegel in ihrer Robe. Der Stoff fühlte sich ungewohnt an, doch sie fand, dass er ihr gut stand. Ihre langen braunen Locken fielen über ihre Schultern, und sie musste sich eingestehen, dass sie noch nie zuvor so ordentlich und formell ausgesehen hatte. Ein kurzer Blick auf die Uhr ließ sie jedoch erkennen, dass es Zeit war. Zeit für ihren ersten Schultag auf ihrer neuen Schule. Sie hatte sich entschieden, zum Frühstück zu gehen. Auch wenn der Appetit nicht groß war, konnte sie es sich nicht leisten, sich weiterhin ohne Energie durch den Tag zu schleppen. Gestern hatte sie kaum etwas gegessen.
Nachdem sie sich für das Frühstück fertig gemacht hatte – Wimpern getuscht, Augenringe abgedeckt, das Lieblingsparfüm aufgetragen, das nach Blumen duftete – verließ sie das Zimmer mit einem leisen Gähnen.
Im Gemeinschaftsraum waren schon einige Schüler auf dem Weg zum Frühstück, aber sie schien für niemanden von besonderem Interesse zu sein. Auf ihrem Weg zur großen Halle fiel ihr auf, dass sich die Gespräche, die sie umgaben, jedes Mal verstummten, wenn sie an ihnen vorbeiging. Ein vertrautes Gefühl von Unbehagen stellte sich ein. Sie hatte es schon oft erlebt, doch es schien nie weniger unangenehm zu werden.
Als sie die große Halle betrat, war sie noch nicht ganz voll. Der Lärm der vielen Gespräche hallte durch den Raum, doch sie bemerkte sofort, wie viele Blicke sich auf sie richteten. Es war nicht das erste Mal, dass sie so etwas erlebte, doch heute hatte es eine neue Intensität. Sie ignorierte die stummen Blicke, als sie sich einen Platz am Slytherintisch suchte.
Die Halle füllte sich langsam mit mehr und mehr Schülern. Aleyna nahm sich ein wenig zu essen, aber nicht zu viel. Ihr Hunger war eher ein Bedürfnis nach Energie als nach Genuss. Sie bemerkte, dass die Plätze neben ihr weiterhin frei blieben. Lorenzo, der etwas weiter entfernt saß, schenkte ihr ein kurzes Lächeln, doch das war alles. Er wandte sich dann wieder seinen Freunden zu.
Aleyna ließ ihren Blick über die Halle schweifen, bis ihr Blick auf eine vertraute Gestalt fiel.
Mattheo. Ihr Bruder.
Direkt hinter ihm war Malfoy, der in seine Richtung sprach. Die beiden kamen zusammen auf den Slytherintisch zu, doch als sie bemerkten, dass nur noch neben Aleyna Plätze frei waren, hielten sie abrupt inne. Mattheo warf ihr einen wütenden Blick zu, bevor er sich zu zwei Slytherinschülerinnen umdrehte und sich zu ihnen setzte.
Aleyna konnte nicht hören, was er sagte, aber es war klar, dass er diese Situation wenig mochte. Kurz darauf erhoben sich die beiden Mädchen und begannen, ihre Plätze zu verlassen. Mattheo und Malfoy nahmen ohne weitere Umschweife die freigewordenen Plätze ein.
Die erste von den Mädchen, die sich gezwungenermaßen neben Aleyna setzte, war groß und hatte schulterlange schwarze Haare. Sie wirkte eher unzufrieden, doch das störte Aleyna nicht weiter. Das andere Mädchen, das sich ebenfalls neben ihr niederließ, hatte lange, hellbraune Haare und ein freundliches Gesicht. Sie lächelte Aleyna kurz an, dann begann sie, ihr Frühstück zu genießen.
Aleyna starrte immer wieder zu ihrem Bruder hinüber. Sie konnte sehen, wie er sich mit Malfoy unterhielt, aber als er bemerkte, dass sie ihn beobachtete, funkelte er sie mit einer Wut an, die sie nur zu gut kannte. Dann wandte er sich wieder ab und nahm die Unterhaltung mit Malfoy auf.
Aleyna fragte sich, was sie getan hatte. Warum war alles zwischen ihnen so schwierig? Sie hätte damals stärker sein müssen, hätte mehr tun können, um das, was passiert war, zu verhindern.
Ihre Gedanken wurden von einer Stimme unterbrochen. Eine leise, zögerliche Stimme.
„Du bist Aleyna, oder?"
Die Frage kam von dem langhaarigen Mädchen, das sich neben sie gesetzt hatte. Es war Emilia, die ihr schüchtern ein kleines Lächeln schenkte. Aleyna nickte knapp.
„Ich bin Emilia", stellte sie sich vor. „Weißt du, was du jetzt für ein Fach hast?"
Aleyna hob den Blick von ihrem Teller und antwortete nur mit einem kurzen: „Verteidigung gegen die dunklen Künste."
„Oh, Kayla und ich haben auch gleich Unterricht bei Professor Snape", sagte Emilia und deutete auf das schwarzhaarige Mädchen, das bereits mit den anderen redete. „Wir können ja zusammen hingehen, wenn du willst."
Aleyna warf einen kurzen Blick auf das Mädchen, das Kayla hieß und zuckte mit den Schultern. „Warum nicht?"
Mit einem kleinen Nicken nahm Emilia das Angebot an, und zusammen mit Kayla gingen sie zum Unterricht.
Der Gang zur Treppe, die sie in den dritten Stock führen würde, war ruhig. Auf dem Weg dorthin fragte Kayla plötzlich: „Wo hast du eigentlich deine Schulsachen?"
Aleyna zuckte mit den Schultern. „Ich habe noch keine. Mein Zauberstab reicht für heute."
Emilia warf ihr einen Blick zu, während sie auf die Treppe zusteuerten. „Wenn Professor Snape davon erfährt, wird er sicher nicht begeistert sein", warnte sie.
Aleyna nickte nur, unsicher, was sie davon halten sollte. Sie hatte nie viel Wert auf solche Details gelegt, aber die Vorstellung, in Professor Snapes Unterricht ohne Vorbereitung zu erscheinen, war nicht gerade verlockend.
Der Unterricht war im dritten Stock, Raum 3C, und als sie den noch recht leeren Klassenraum betraten, wurde Aleyna von der imposanten Einrichtung überrascht: Der eiserne Kronleuchter, das riesige Drachenskelett an der Decke – alles wirkte bedrohlich und dennoch beeindruckend.
Aleyna suchte sich einen Platz in der letzten Reihe und setzte sich direkt ans Fenster. Emilia und Kayla setzten sich weiter vorne, was ihr völlig recht war.
Der Klassenraum füllte sich schnell mit Schülern, doch viele schienen sie kaum wahrzunehmen, so beschäftigt waren sie mit ihren eigenen Gesprächen.
Als dann Mattheo mit Malfoy eintrat und sich ebenfalls nach hinten bewegte, passierte es. Ihre Blicke trafen sich.
Mattheo blieb stehen, starrte sie einen Moment lang an und setzte sich dann mit Malfoy einige Reihen vor ihr. Der Raum verstummte, als ein Mann in schwarzer Robe den Raum betrat – ein düsterer, blasser Mann mit schwarzen Haaren. Aleyna hatte ihn schon mehrmals bei ihrem Vater gesehen, und sie wusste sofort, dass er ein Todesser war.
„Bücher auf Seite 78, wir lesen", sagte er mit eisiger Stimme. Doch Aleyna hatte kein Buch dabei. Da sie nicht vorhatte, sich in den Unterricht zu vertiefen, beschloss sie, einfach aus dem Fenster zu sehen und die Szenerie zu genießen.
...
„Mrs. Riddle, können Sie mir vielleicht meine Frage beantworten?"
Aleyna riss die Augen auf. Sie war wohl eingeschlafen. Der Blick des Lehrers war ungnädig, und die Schüler drehten sich alle zu ihr um, als hätte sie die Aufmerksamkeit der ganzen Klasse auf sich gezogen.
„Wenn Sie die Frage noch einmal wiederholen könnten...", murmelte sie benommen, den Kopf leicht schüttelnd.
„Wie heißen die drei unverzeihlichen Flüche, und was bewirken sie?"
Aleyna überlegte einen Moment und antwortete dann selbstsicher: „Der Cruciatus-Fluch ist der erste, er fügt dem Opfer unerträgliche Schmerzen zu. Die Strafe für diesen Fluch ist eine lebenslange Haftstrafe in Askaban, es sei denn, der Zaubernde stand unter dem Einfluss des Imperius-Fluchs. Der Imperius-Fluch ist der zweite. Er nimmt die Kontrolle über das Opfer und zwingt es, Dinge zu tun, die es nicht will..."
In diesem Moment sah sie ihren Bruder an, der sie mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. Sie fuhr fort: „Und der dritte Fluch ist der Todes-Fluch. Mit der Formel Avada Kedavra wird das Opfer sofort getötet."
„Das ist korrekt", sagte Professor Snape mit einem unbeeindruckten Blick. „Doch trotzdem müssen Sie heute nachsitzen, Mrs. Riddle. Ich dulde es nicht, dass in meinem Unterricht geschlafen wird, und Ihre Materialien haben Sie auch nicht dabei."
Die Schüler wandten sich wieder nach vorne, doch Mattheo starrte noch einen Moment lang auf sie, bevor er den Kopf schüttelte und sich wieder dem Unterricht widmete.
* ◦ . • ✧ ༝ . * ⋆ ✦ ꙳ ⋆
Was haltet ihr von Emilia und Kayla?
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