1. Das Wiedersehen
Aleyna wusste nicht, wie Mattheo reagieren würde, wenn er sie sah. Doch eines war sicher: Der Hass in seinen Augen würde unausweichlich sein.
Dreieinhalb Jahre war es her, dass sie sich das letzte Mal begegnet waren – an jenem Tag, als er beschlossen hatte, von zu Hause fortzugehen und sie zurückzulassen.
Was die Meinung der anderen Schüler oder Lehrer betraf, kümmerte es Aleyna wenig. Es war ihr egal, was sie dachten. Diese Urteile hatten keine Bedeutung. Doch eine Angst quälte sie wie ein ständiger Schatten: die Möglichkeit, dass Mattheo ihr niemals verzeihen würde.
Ohne seine Vergebung würde es keine Versöhnung geben – nicht mit ihm, nicht mit sich selbst. Und ohne Versöhnung? Würde die Einsamkeit ewig bleiben.
In Aleynas Leben gab es keine Freunde, die sie auffingen, wenn die Dunkelheit sie zu überwältigen drohte. Keine Eltern, die sie trösteten, wenn die Last der Vergangenheit unerträglich wurde. Es gab niemanden, der sie verstand oder sich um sie kümmerte.
Diese Leere war allgegenwärtig.
Nie hätte sie gedacht, dass ihr Weg sie eines Tages hierherführen würde. An diesen Ort, an dem so viele Erinnerungen an eine verlorene Kindheit und zerbrochene Beziehungen schlummerten. Und doch stand sie jetzt vor dem großen Tor zur großen Halle von Hogwarts – wenige Meter von Mattheo entfernt.
Noch wusste er nichts von ihrer Ankunft. Doch dieser Umstand würde sich in wenigen Augenblicken ändern.
„Ich freue mich, eine neue Schülerin bei uns auf Hogwarts begrüßen zu dürfen", verkündete Professor Dumbledore mit seiner gewohnt bedächtigen Stimme. Die Worte schienen durch die schweren Holztüren zu hallen und drangen gedämpft zu Aleyna.
Das leise Murmeln und die Neugier der Schüler füllten die Halle wie ein aufgeregtes Summen. „Sie wird ab jetzt das sechste Schuljahr besuchen", fügte der Schulleiter hinzu, bevor er den entscheidenden Satz sprach:
„Hiermit heiße ich Aleyna Riddle herzlich willkommen!"
Das Knarren der sich öffnenden Tore schnitt durch das Gemurmel, und die Aufmerksamkeit aller Anwesenden richtete sich schlagartig auf den Eingang.
Die große Halle wurde still.
Aleyna trat ein, ihr Blick war klar und unerschütterlich. Die lange Tafel der Gryffindors nahm sie kaum wahr, ebenso wenig wie die Reihen der Hufflepuffs oder Ravenclaws. Für sie waren sie bedeutungslos.
Mit aufrechtem Gang und einem Gesichtsausdruck, der keine Unsicherheit erkennen ließ, ging Aleyna durch die Mitte der Halle. Alle Augen folgten ihr. Niemand wagte, den Blick abzuwenden.
Am Ende des Ganges wartete Professor McGonagall mit dem Sprechenden Hut in den Händen. Die strenge Miene der Lehrerin ließ keinen Raum für eine Begrüßung, und Aleyna erwiderte den Blick mit derselben kühlen Distanziertheit.
Ohne ein Wort setzte sie sich auf den bereitstehenden Stuhl. Ihre Bewegungen waren ruhig, kontrolliert.
Kaum hatte McGonagall den Hut gehoben, ertönte dessen Stimme laut und deutlich: „Slytherin!"
Die Verkündung kam wenig überraschend. Ein gemurmelter Applaus erhob sich von der Slytherin-Tafel, doch die Begeisterung schien eher gezwungen als ehrlich. Die Schüler wussten nicht, was sie von der Situation halten sollten.
Aleyna erhob sich vom Stuhl und ließ ihren Blick durch die Halle gleiten. Er wanderte über die Gesichter der Schüler am Slytherin-Tisch, bis sie ihn erkannte. Mattheo.
Sein Gesicht war reglos, doch seine Augen erzählten eine andere Geschichte. Kein Applaus kam von ihm. Kein anerkennender Blick. Stattdessen funkelten seine Augen mit einer Kälte, die Aleyna durch Mark und Bein drang.
Diese Art von Hass war ihr nicht fremd. Doch von Mattheo, ihrem Bruder, fühlte es sich wie ein Dolchstoß an.
Aleyna wusste, dass dieser Moment unausweichlich gewesen war. Doch das machte es nicht leichter, ihm standzuhalten.
Mattheo hasste sie.
Aber so sehr sein Hass sie auch traf, er konnte niemals den Selbsthass übertreffen, der sie schon seit Jahren begleitete.
Die Erinnerungen kamen wie ein Schlag zurück. Ihre Mutter. Der Tod. Das Blut.
Es war Aleynas Schuld gewesen. Ihre Hände hatten das Unverzeihliche getan.
Dieser Gedanke, die Gewissheit, war ein ständiger Begleiter. Und heute, inmitten der vielen Blicke und des leisen Getuschels, lastete diese Schuld schwerer denn je.
Aleyna wandte sich vom Tisch ab und setzte sich nicht zu den anderen Slytherins. Stattdessen blieb sie kurz stehen, die Augen auf den Boden gerichtet, bevor sie ohne weitere Regung durch den Raum ging.
Mattheo beobachtete sie weiter, und sie spürte seinen Blick auf ihrem Rücken.
* ◦ . • ✧ ༝ . * ⋆ ✦ ꙳ ⋆
Ich hoffe euch gefällt das erste Kapitel und hoffentlich ist es ein kleiner Ansporn weiter zu lesen!
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