Gegenmittel
Alea bemühte sich zu verstehen worüber Lennox und Cassaras sprachen, dies war jedoch praktisch unmöglich, da sie zu weit von ihnen entfernt war. Lennox drehte sich langsam um und ging auf die Hütte zu. Schnell sprangen Alea und Thea vom Fenster weg.
"Ist alles okay?", fragte Alea als er rein kam als wüsste sie von nichts. Dabei gebärdete sie weiterhin, damit Thea wusste worüber sie sprachen. Erschöpft rieb sich Lennox die Augen.
"Nein, es ist alles gut. Lass uns einfach später darüber sprechen", bat er sie. Am liebsten hätte Alea weiter nach gehakt, sie sah Lennox, aber an wie fertig er war, und wollte ihn deshalb nicht noch mehr belasten. Cassaras und Keno traten auch ein. Interessiert musterte Keno die Mädchen.
"Ihr seht euch wirklich ähnlich", betonte er das Offensichtliche. Alea musste schmunzeln. Bevor sie etwas sagen konnte unterbrach Lennox sie schon.
"Hast du sie schon gefragt?", erkundigte er sich.
"Mich was gefragt?", wiederholte Thea neugierig. Wie aufs Stichwort zog Alea ein kleines Fläschchen aus ihrer Hosentasche. Es war gefüllt mit einem gelblich trüben Inhalt.
"Was ist das?", meldete sich Cassaras alarmiert zu Wort. Er schien dem dubiosen Inhalt nicht ganz zu trauen und schaute diesem skeptisch hinterher. Alea stellte den Glasbehälter auf den Tisch ab. Dann drehte sie sich zu Thea um.
"Dir ist vielleicht aufgefallen, dass wir unterschiedliche Augenfarben haben", deutete sie an. Thea sah sie verdutzt an.
"Aber natürlich! Du hast nicht wandertypische grüne Augen, sondern braun-graue". Nachdrücklich zog Alea ihre Handschuhe aus und präsentierte Thea ihre nackten Fingerzwischenräume.
"Deine Raffnarben... Du hast keine Schwimmhäute, sie sind weg??", brachte sie empört hervor. Verblüfft berührte sie Aleas Hand, als könne sie es nicht glauben.
"Das war das Werk von Orion", fauchte Lennox verbittert. Ihm stand die Wut darüber ins Gesicht geschrieben. Beruhigend legte Alea ihre Hand auf seine Schulter. Sie hatte mit dieser Situation schon mehr oder weniger Frieden geschlossen und wusste ganz genau, dass Wut sie jetzt nicht weiter brachte. Deutlich entspannter als Lennox sprach sie weiter: "Ja, es stimmt. Orion hat mir das angetan. Er hat mich all meiner Meerkräfte beraubt, um mich unschädlich zu machen. Du, Anthea , kannst mir aber helfen".
"Ich?", fuhr sie erschrocken zusammen, "ich soll dir helfen? Aber wie?".
"Der Tasfar hat dir prophezeit du würdest der Elvarion, der letzten Generation helfen", ermutigte Cassaras sie. Seine Mundwinkel fuhren schmal nach oben. Lächelte er etwa?
"Du- Du bist die Elvarion, der letzten Generation?", stammelte Thea ungläubig. Verlegen nickte Alea.
"Mit deinem Blut können wir sie zurück in ein Meermädchen verwandeln", erklärte Lennox bittend. Ihm war anzusehen wie wichtig es ihm war, dass Alea wieder ein Meermädchen werden würde. Erneut nickte Thea, dabei blickte sie auf das Fläschchen. Kurz darauf zog sie ihren Ärmel hoch und sprach entschlossen:
"Blut? Wenn's nur das ist. Davon habe ich mehr wie genug!". Alea war überglücklich, dass ihre Schwester sofort bereit war ihr zu helfen und fiel ihr dankbar um die Arme.
Lennox zückte ein Taschenmesser aus seiner Hosentasche. Das war Bens. Er musste es ihm vor ihrer Abreise gegeben haben. Alea wunderte sich ein bisschen darüber, schließlich ging der Skipper nirgendwo ohne sein Messer hin. Thea setzte sich auf das Bett, woraufhin Lennox auf sie zu ging und sich vor sie hinkniete. Behutsam tastete er ihren Arm ab und überlegt wo er ihr Blut abnehmen wollte. Als er eine gute Stelle fand fuhr er das Messer langsam in ihren Unterarm ein. Dabei achtete er darauf das Loch nicht größer als nötig zu machen. Thea verzog ihr Gesicht, während Lennox langsam auf ihre Ader drückte. Dicke Bluttropfen rinnen raus. Schnell fing Alea einen großen Tropfen mit dem Fläschchen auf. Sie verschloss den Glasbecher mit dem Deckel und schüttelte ihn kräftig. Zur selben Zeit hielt sich Thea ihre neue Wunde mit einem Tuch zu, damit ihr nicht noch mehr Blut entwich. Anscheinend steckte sie den leichten Schmerz gut zurück, denn ihr Gesicht entspannte sich wieder. Während Alea das Gefäß weiterhin schüttelte erklärte sie Thea, dass Nelani das Gegenmittel für sie selbst hergestellt hatte. Sie war nämlich Biologin. Beeindruckt starrte Thea auf die Glasflasche. Und nach kurzer Zeit färbte sich der Inhalt bläulich grün.
Alea hörte auf zu schütteln. Wortlos starrte sie den Behälter in ihrer Hand an. In diesem Gebräu lag so viel Hoffnung. Die Hoffnung wieder schwimmen zu können, die Hoffnung Walwandern zu gehen, die Hoffnung ihr Schicksal erfüllen zu können. Aleas Hand begann zu zittern. Was wenn es nun nicht klappen würde? Gäbe es Nebenwirkungen? Lennox, der immer noch in der Hocke saß, blickte sie mit seinen azurblauen Augen von unten an.
"Hast du Angst?", fragte er sie verständnisvoll. Seine Wut über Orion schien wie verflogen, denn in seiner Stimme lag soviel Wärme, dass Alea sich wie Zuhause fühlte.
"Ich habe keine Angst... Ich mach mir Sorgen", gestand sie. Cassaras dolmetschte zwischenzeitlich, da Alea vergaß weiterhin zu gebärden.
"Ich bin mir sicher, dass alles gut gehen wird", sagte Lennox zuversichtlich und blickte auf das vermeintliche Gegenmittel. Wenn nicht einmal Lennox von einer Gefahr ausging, war Alea sich sicher, dass es die richtige Entscheidung wäre das Gebräu zu trinken. Bevor sie es sich anders überlegen konnte öffnete sie die Flasche und kippte sich den Inhalt in den Mund.
Die bläulich grüne Flüssigkeit schmeckte furchtbar, irgendwie bitter. Verkrampft schluckte sie auch den letzten Tropfen runter um es so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Als sie alles austrank guckten sie alle erwartungsvoll an. Da ging es auch schon los.
Ohne Vorwarnung spürte Alea ein Kribbeln in ihren Füßen, welches sich zu starken Schmerzen entwickelte. Angespannt verzog sie das Gesicht. Dieses Kribbeln, der Schmerz, zog sich bis zu ihren Händen. Sie starrte diese an.
"Deine Raffnarben!", rief Keno und ging fasziniert einen Schritt auf sie zu. Doch Alea hörte ihn nicht, sie hörte nichts. Zu sehr war sie auf ihre Verwandlung konzentriert. Alles begann sich zu drehen und Alea fiel vom Stuhl. Das Stechen wurde immer schlimmer und sie stieß einen qualvollen Stöhner aus. Sofort saß Lennox neben ihr. Behutsam musterte er sie.
"Es wird alles gut", versuchte er sie zu beruhigen. Es gab nichts was er für sie tun konnte, was ihn wahnsinnig zu machen schien. Die Haut hinter Aleas Ohren zog sich zusammen, oder drehte sich viel eher in Spiralen ein. Viel Haut staute sich auf einer kleinen Fläche hinter ihren Ohren auf und es entstanden weitere Knubbel. Verzweifelt an den Kopfschmerzen hielt sich Alea ihren hämmernden Schädel. Alles dröhnte und ihre Augen begannen zu brennen. Schlagartig schlug Alea mit beiden Händen auf den Boden und ließ sich nach vorne fallen. Ihren gesenkten Kopf hob sie mit einem erschöpften Keuchen, doch es war noch nicht vorbei. Das Braun in ihren Augen färbte sich in einem hellen Übergang in ein klares Grün. Nur ein Splitter vom Braun blieb in ihrem linken Auge übrig. Als hätte jemand mit Farbe gekleckert. Schweiß gebadet fiel Alea in Lennox' Arme. Sie hörte mehrere Stimmen auf sich einreden, jedoch war alles hinter einer dicken Decke verborgen, alles hörte sich so dumpf an.
Schließlich schloss sie erschöpft ihre Augen und schlief ein.
Alea war wieder ein Meermädchen!!
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