Der Brief
Gestern wurden die 6k reads erreicht 🎉 und deshalb folgt mal wieder ein verfrühtes Kapitel!!
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Alea konnte ihr Glück kaum fassen. Unter den Skorpionfischen verbarg sich deutlich mehr als nur etwas Rotfarn - es trat eine ganze Stadt zum Vorschein! Mit den eckig roten Gebäuden wirkte das Dorf fast schon italienisch.
Thea war die Erste, die voran schwamm. Für sie war es das erste Mal, dass sie eine Unterwasserstadt sah. Während sie durch die verlassenen Ruinen stolperte sah man ihr an, dass sie angekommen war. Sei es in einem lang ersehnten Traum, einer neue Welt oder Zuhause.
Erst als Fussel Alea anrempelte suchte sie ebenfalls nach dem Rofus. Die Finde-Finja hatte sie zwar hergeführt, jedoch nicht erklärt wo sich das vermeitliche Rofusfeld befinden sollte.
Die meisten Häuser waren mit den verschiedensten Mustern und Gravierungen verziert. Eines der Gebäude stach Alea sofort ins Auge. Es hatte zwei Stockwerke und einen rustikalen Thorbogen als Eingangstür. Die Fenster waren wie Halbkreise geformt und passten perfekt zum restlichen Erscheinungsbild. Die alte Fassade wies darauf hin, dass das Haus früher in einem strahlenden Orange geleuchtet haben musste. Heute sah es eher braun aus, was es allerdings nicht weniger schön erscheinen ließ.
„Hast du was gefunden?", schloss sich Lennox ihr an. Er hatte sich bereits ein wenig umgesehen und Alea am Straßenrand bemerkt. Verneinend schüttelte sie den Kopf.
„Wieso bist du dann stehen geblieben?", hakte er verdutzt nach. Folglich seufzte Alea.
„All diese Häuser - die ganze Stadt. Sie wirkt so ausgestorben", öffnete sie sich.
„Das ist nicht nur ein Gebäude! Vor elf jahren war es noch ein Zuhause!", fuhr sie erschüttert fort. Grübelnd fuhr Lennox mit den Fingerspitzen über die Mauern. Ihn schienen ihre Worte nicht kalt zu lassen.
„Du hast recht. Das Haus hat tatsächlich eine Geschichte zu erzählen. Wir sollten reingehen und sie uns anhören", schlug er daraufhin vor. Alea freute sich zu hören, dass Lennox sie verstand und sie sogar aufmuntern wollte.
„Gerne!", stimmte zu. Sie hatte schon häufiger verlassene Gebäude betreten und dabei immer etwas Neues über die Meerwelt gelernt. Vielleicht würde sie auch heute etwas Interessantes entdecken.
Es dauerte keine zwei Sekunden und Lennox warf sich ein paar Mal gegen die Haustüre, welche nach wiederholtem Hieven endlich aufsprang. Die beiden schwammen ins Haus und fanden sich in einem engen Flur wieder. Die Mauern und Kommoden waren größtenteils mit Algen bewachsen. Allerdings sahen diese Algen komisch aus. Sie waren nicht wirklich grün, sondern trugen ein trübes braun in sich. Alea nahm eine einzelne Alge genauer ins Visier und betrachtete diese näher. Nein, das Braun der Pflanze war tatsächlich anders.
Irgendwann beschloss sie sich weiter umzusehen. Bestimmt haben sich die Algen in dieser Region wegen dem Klimawandel verändert, redete sie sich ein, auch wenn diese Erklärung nicht wirklich beruhigend war.
Zu ihrer Linken hingen mindestens 15 Fotosteine an die Wand gehängt. Interessiert blieb sie stehen um sich die Collage näher ansehen zu können. Derweil schien Lennox' Interesse ebenfalls geweckt zu sein, denn auch er stellte sich neben Alea. Es war schwierig etwas zu erkennen, da die Bilder ebenfalls von Algen überdeckt wurden, jedoch sprang Alea ein Portrait ins Auge, welches vollständig von den Meerespflanzen verschont blieb. Tatsächlich schienen sie einen regelrechten Bogen um es herum zu machen. Sie hing es von der Wand und nahm es in die Hand um es genauer mustern zu können.
„Der Junge kommt mir irgendwie bekannt vor", kommentierte Lennox, während er das Mundstück der Sauerstoffflasche für einen kurzen Augenblick raus nahm. Nachdenklich stimmte Alea ihm zu. Auf dem Bild war ein Junge, etwa in Sammys Alter, abgebildet. Er hatte kurze schwarze Locken und hielt eine Robbe im Arm.
„Ich glaube ich nehme das Bild mit auf die Crucis", schlug Alea nach einer Weile vor. Es war ohne ihn unwahrscheinlich, dass es jemand vermissen würde.
Nach dem Beobachten und kommentieren weiterer Fotos beschlossen die beiden sich weiter umzusehen. In einem weiteren Raum - vermutlich das Esszimmer - befanden sich mehrere Kartons. Lennox ließ nicht lange auf sich warten und schwamm mit kräftigen Tritten zum Gerümpel. Neugierig öffnete er eine Kiste. In dieser befanden sich überwiegend Töpfe, noch weitere Bilder und eine Lampe. Am Rande der Kiste erblickte Alea etwas dünnes grünes. Sie schob sich an Lennox vorbei und zog das Etwas heraus. Gleichzeitig legte Lennox einen Topf, welchen er in der Hand hielt, beiseite und schenkte Alea seine ganze Aufmerksamkeit. Sobald sie genauer hinsah bemerkte sie, dass das Etwas aus gepressten Seetangblättern bestand, dessen Konsistenz mit Papier vergleichbar war.
„Wofür soll das Bitteschön gut sein?", lachte sie ratlos und betrachtete das vermeintliche Papier. Aus dem Nichts war Lennox plötzlich ganz aufgeregt. Er riss Alea das Seetangpapier aus der Hand und drehte es um. Drängend drückte er es ihr wieder entgegen. Nun verstand auch sie warum er so hibbelig wurde. Die Seetangblätter waren ein Brief!! Auf der Rückseite wurde ein kurzer Text auf Hajara geschrieben. Da Lennox selbst Hajara nicht lesen konnte, las Alea für sie beide laut vor:
„Liebe Shula,
ich kann nicht glauben, dass er nach all den Jahren einfach so wieder bei euch aufgetaucht ist und so eine Szene in aller Öffentlichkeit veranstaltet hat. Schämen soll er sich!
Ich habe gehört später wurde es... hässlich. Hoffentlich hat sich Oriony bei euch entschuldigt. Ich bin froh, dass es euch allen gut geht.
Melde dich bitte bei mir.
Deine Adanna"
Lennox schien seinen Ohren kaum trauen zu können. Vielleicht hatte er Unterwasser ja etwas falsch verstanden? Aleas verstörter Blick bestätigte allerdings seine Vermutungen. Konnte es sich in dem Brief wirklich um den Aquilius Orion handeln?
„Das Bild", fiel Lennox ein. Er legte das Portrait offen auf die Kiste, welche er nun als Tisch umfunktionierte.
„Der Junge hat keine Schwimmhäute", murmelte Alea versunken, woraufhin Lennox seine Augen überrumpelt zusammenkniff.
„Orion", bestätigte er nochmals.
In Aleas Kopf drehte sich alles. Wie kam Orion nach Italien? Er hatte ihr doch erzählt, er sei in der Nähe von Island aufgewachsen. Sie hatte mit ihm zusammen sein Dorf besucht! Allerdings war er auch viel auf Reisen gewesen.
„Sie sind hier!", wurde Alea ohne Vorwarnung aus ihren Gedanken gerissen. Im Flur ertönte eine helle Stimme, gefolgt von einem zufriedenen Grölen. Keine Minute später öffnete sich die Türe zum Esszimmer und Fussel, Keno und Thea standen vor ihnen.
„Wir haben den Rofus", freute sich Keno. Dabei deutete er auf Thea, die stolz einen großen Strauß roter Blätter in der Hand hielt. Als sie jedoch keine Reaktion erhielt zog sie verwirrt beide Brauen zusammen.
„Was ist denn in euch gefahren?", scherzte sie, während sie in Lennox' und Aleas blanken Gesichter sah. Es dauerte jedoch nicht lange und auch ihr Lächeln verschwand.
„So schlimm?", entschuldigte sie sich leicht beschämt für die blöde Bemerkung.
Alea seufzte müde. Die neuen Informationen wogen schwer und brachten viele Fragen mit sich.
„Das hier haben wir gefunden", gebärdete sie und drückte Thea den Brief in die Hand. Sofort begann sie zu lesen und auch Keno lugte mit auf das Seetangblatt. Als Kobold konnte er ebenfalls Hajara entziffern. Während Thea konzentriert die Zeilen überflog, wurden ihre Augen immer größer. Alea hätte schwören können sie wäre in diesem Augenblick um zwei Jahre älter geworden. Sobald sie fertig mit dem Lesen war gab sie ihrer Schwester den Brief zittrig zurück.
„Oh, Pa'. Was hast du nur angestellt?", murmelte sie vor sich hin.
„Was meinte diese Adanna mit es wurde hässlich?", schaltete sich Keno glüblerisch ein. Ihm schienen die Neuigkeiten ebensowenig zu gefallen, denn er wurde sehr unruhig.
„Das wissen wir nicht", gestand Alea und ließ die Schultern hängen.
„Noch nicht", ergänzte Thea ernst. Ihre Zuversicht gab Alea das Gefühl, sie würden tatsächlich das Geheimnis über Orion aufklären können. Sie wusste jedoch nicht, wie viel tatsächlich dahinter steckte - wie vieles noch verborgen lag.
Und, dass sich wiederum Einiges gleich vor ihrer Nase befand.
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