Kapitel 6 - Adriana
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Die Themen wechselten wieder und Adriana lehnte sich zurück. Ihr Teil war getan, jetzt ging es darum, mehr über den Typen herauszufinden. Sie würde sich in den nächsten Tagen mit vielen ihrer Leute treffen und daran arbeiten, ihre Sichtweite zu vergrößern. Dennoch entgingen ihr die wichtigen Dinge der Versammlung nicht: Der Leiter des Ordens schlug Maßnahmen zur weiteren Überwachung der Magiergilden vor, die Martinale äußerten sich erzürnt darüber, der Vorschlag wurde abgelehnt. Haus Floraux erwähnte, dass die Genehmigungen für einige Gemälde erneuert werden müssten und die Martinale genehmigten, ohne mit der Wimper zu zucken. Für jegliches Geschäft, das mit Essenzmagie Gewinn machte, brauchte es eine Lizenz von den Martinalen. Sie hingegen sorgten dafür, dass diese Geschäfte die Standards einhielten und niemand zu Schaden kam.
In der Zwischenzeit lehnte sich ihr Vater wieder zu ihr herüber. "Antandriel hat ein weiteres Fürstentum gekauft, genau da wo der Weg zu den Ostklippen entlangführt."
"Der Mann ist schlau."
Seine Faust legte sich langsam auf den Tisch. "Ein verdammter Idiot, ist er. Wir werden unsere Handelsrouten wohl bald umlegen müssen, was meinst du, Tochter?"
"Wo willst du die Erze denn sonst hinleiten? Durch die Moore und das Risiko eingehen, dass sie dort von Räubern angegriffen werden? Nein, Vater. Dir bleibt nicht viel übrig, als den Weg durch Antandriels Fürstentum zu nutzen. Ich denke, er wird nicht so dumm sein, öffentlich einen Angriff auf deine Händler auszuüben. Er wird Zölle verlangen." Adriana fragte sich, warum er mit ihr überhaupt darüber sprach. Sie wusste, er wollte dass sie irgendwann einmal das Geschäft der Erzgewinnung übernahm, schließlich war das die größte Einnahmequelle ihres Hauses. Damit wurde der Großteil an Waffen in ganz Aldramyr geschmiedet. Doch wenn ihr Vater sie wirklich im Geschäft haben wollte, dann hätte er sie wohl noch einige weitere Jahre im Anwesen einsperren müssen, denn sie dachte im Leben nicht daran einmal seinen Platz einzunehmen. Ganz egal wie viel Geld dort wartete.
Doch auf der anderen Seite war es genau das Geld, das es ermöglicht hatte, ein Haus für Grana in dieser Stadt zu kaufen. Und es war genau das Geld, das Granas Kleidung und Lebensmittel bezahlte. Ohne, dass er davon wusste. Und das war auch besser so.
Aber Adriana durfte deshalb leider nicht ganz egal sein, was mit den Einnahmen passierte. Sie seufzte. "Antandriel wird selbst nicht vor Ort sein, um die Karawanen in Augenschein zu nehmen. Aber er wird seinen Söldnern auftragen, besonders die Händlerwägen aufzuhalten. Wenn man also eine ... diskretere Art des Transportes fände, könnte man eventuell den Zöllen entgehen."
"Das ist eine sehr schlaue Idee, Adriana."
***
"Das ist eine sehr schlaue Idee, Adriana", äffte sie sarkastisch nach, als sie die letzten Gänge zu ihren Gemächern passierte. "Als ob du meinen Rat gebraucht hättest", spuckte sie aus und öffnete die Zimmertür. Sie durchquerte ihr Arbeitszimmer, ließ sich auf das weiche Bett fallen und starrte an die mit blauen Ornamenten verzierte Decke. Was mache ich hier eigentlich.
Kailund der Erhabene schien auch keine Antwort für sie parat zu haben. Der in vielen Mythen gefeierte Krieger durchstach gerade einem Drakryr - einem uralten Monster mit zehn Armen - das Herz. Um ihn herum jubelten ihm die Menschen zu und freuten sich, dass die ewige Nacht nun vorüber war. Er wurde als Held gefeiert, und doch fragte sich Adriana, ob er sich jemals als Held gefühlt hatte. Ob er jemals an dem Punkt gewesen war, an dem er seine Arbeit als nutzlos betrachtet hatte, auch wenn das natürlich nicht stimmte. Er hatte einiges bewirkt, und so auch Adriana. Warum erkannte sie das nur manchmal nicht?
Leise klopfte es an der Tür. Adriana runzelte die Stirn; es war spät.
"Herein!"
Es war Fioll. Er schob ein kleines Tablett mit etwas heiß dampfendem durch die Tür und lächelte. "Soweit ich mich erinnere, hattet Ihr kaum Abendessen."
Das stimmte; sie hatte in der ganzen Hektik mit der Versammlung ganz vergessen, zu essen. Hungrig klebte ihr Blick an dem Tablett, bis Fioll es abstellte. Adriana schleppte sich aus dem Bett und setzte sich an den Tisch.
"Danke", sagte sie, bereits mit vollem Mund.
"Ihr tragt Eure Haare ja immer noch blond", bemerkte Fioll, nahm eine Strähne zwischen seine Finger und hob sie auf Augenhöhe. Ihre neue Haarfarbe war nur noch wenig dunkler als die seine.
Adriana zuckte mit den Schultern. "Ich hatte mich gefragt, ob sie irgendwann nachlässt, falls es eine Illusion sein sollte." Sie aß gierig weiter von dem Essen und sah zu Fioll. Er hatte eine Grüblermiene aufgesetzt. "Gibt es Neuigkeiten?"
"Um ehrlich zu sein, Herrin, ja. Ihr hattet mich beauftragt, nachzuforschen ob es einen Ort namens 'Hohrengut' und einen Clan namens 'Dreißig-Sieben' gibt."
"Ja?", Adriana legte die Gabel beiseite und lauschte gespannt.
"Den Ort gibt es in der Tat. Er befindet sich weiter nördlich, ungefähr drei Tagesreisen entfernt. Doch was viel interessanter ist: der Clan. Ich habe einige meiner Kontakte in der Stadt danach gefragt, und keiner von ihnen wollte mir dazu etwas erzählen."
"Wollte oder konnte?"
"Wollte, Herrin", beharrte Fioll und fuhr fort: "Meine Kontakte sind eigentlich nicht abergläubisch, aber als ich den Namen erwähnte, zuckten sie zusammen und meinten, es gäbe dazu nichts zu sagen. Was ich bezweifle. Etwas an ihrer Reaktion war zu schlagartig, um wirklich nichts dazu sagen zu können."
Adriana nickte. "Interessant. Ich frage mich, ob der Clan auch in Hohrengut bekannt ist." Es war zugegeben nicht die Art von Informationen, auf die sie gehofft hatte, doch sie konnte auch nicht erwarten, dass ihr sofort alles über die Herkunft dieses Mannes in den Schoß gelegt wurde. "Meinst du, der Clan könnte gefährlich sein? Dass die Leute Angst vor ihm haben? So eine Reaktion habe ich in der Menge heute nicht bemerkt."
"Nichts für ungut Herrin, doch meine Kontakte sind ein wenig bewanderter als die Bauern und Händler unten in der Stadt." Fioll erzählte nie viel von seinen 'Kontakten', doch es war klar dass es sich dabei um Gelehrte und Adlige handeln musste.
"Lass uns morgen zur Bibliothek gehen. Vielleicht finden wir eine Information darüber im Clanregister. Und vielleicht sagt der Name einem der Martinale etwas."
Fioll lächelte. "Das ist eine ausgezeichnete Idee. Doch zuerst solltet Ihr noch ein wenig Schlaf abbekommen, meint Ihr nicht auch?"
Adriana zwang sich zu einem Lächeln. "Ach, und Fioll?"
"Ja?"
"Ich möchte eine Phantomzeichnung von dem Magier erstellen lassen. Damit die Wächter auch wissen, nach wem wir suchen."
"Natürlich, Herrin." Fioll nahm das Tablett ohne dem Essen wieder mit und ließ sie mit ihren Gedanken allein. Es war schon komisch, dass er immer dann auftauchte, wenn ihre Gedanken eine dunkle Richtung einschlugen.
Adriana seufzte und schlüpfte in ihr Nachtkleid, löschte die Kerzen und drehte sich zum Bett. Doch nachdem sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah sie den kühlen Schein, der sich über den Teppich zeichnete. Adriana ging ins Arbeitszimmer zur Balkontür und zog die Vorhänge beiseite. Eine halbe Mondsichel blitzte ihr entgegen. Verzaubert stieg sie auf den Balkon hinaus und genoss den kühlen Wind, der durch ihre Haare strich und ihre Gewänder aufbauschte. Die Stadt lag im Schein verborgen, nur wenige Lichter waren hinter den Fenstern zu sehen. Eine dunkle, in Stein und Holz gemeißelte Landschaft, die sich dem schwachen Mondschein entgegenhob.
Etwas huschte auf den Häuserdächern umher.
Adriana hielt den Atem an und trat einen Schritt vor, schirmte ihre Augen vor dem Mond ab und kniff sie angestrengt zusammen. Ein Mensch? Noch ehe sie genauer hinsehen konnte, war es verschwunden.
Adriana seufzte. Es war spät, das hätte genauso gut auch eine Katze sein können. Ihre Augen waren unheimlich schwer.
Und selbst wenn es tatsächlich jemand war, konnte sie nunmal nicht die ganze Stadt überwachen. Adriana wandte sich von der Landschaft ab, verriegelte die Balkontür und ließ sich schließlich ins Bett fallen.
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