-30- "Einzige."
Der Flug war... langweilig, öde, uninteressant. Viel zu sehr war ich damit beschäftigt, Louis zu vermissen, anstatt das Fliegen zu genießen. Denn eigentlich freute ich mich jedes mal darauf, wenn ich auf diese Weise reiste. Nur jetzt halt nicht.
Zwar hatte ich versucht, mich abzulenken, indem ich meiner Mutter und Niall schrieb, aber viel gebracht hat es dann auch nicht. Und eigentlich wartete ich auch nur auf Louis' Nachricht, denn er hatte mir versprochen, sich zu melden, wenn er wieder bei sich zu Hause angekommen war. Nur leider dauerte das lange, länger als ehe überhaupt sein konnte. Denn wie lange brauchte man denn bitte, um auf dieser Insel von A nach B zu fahren? Auf jeden Fall nicht lange.
Nachdem ich dann auch den Zwischenstopp auf Guernsey überlebt hatte, war ich doch froh, endlich in dem Flieger nach England zu sitzen. Neben mir saß nur leider eine ausländische Dame, die während der ganzen Zeit lauthals mit jemandem telefonieren musste, aber in einer Sprache, die ich nicht verstand. Alles in allem war es Stress. Denn als wir zum Landen ansetzten, fing dann noch ein Baby an zu schreien und ich stand kurz vor einem Zusammenbruch. Louis hatte sich nämlich noch immer nicht gemeldet.
Und an dem Punkt entschied ich, diesen Tag zu verabscheuen.
Niall hielt zum Glück seine Klappe, als wir im überfüllten Schulbus saßen, der vor kleinen Kindern nur so wimmelte. Sie alle spielten Minecraft. Spannend. Mit ihren Schulranzen saßen sie halb auf ihren Sitzen und hockten vor den Handys.
Eine Woche war vergangen. Eine ganze Woche, in der ich meinen Louis nun schon nicht gesehen hatte. Zumindest nicht live und in Farbe. Nur über meinen Bildschirm, da wir jeden Abend um halb acht geskyped hatten.
Tja, und jetzt war der Schulalltag wieder da, was hieß, dass man nicht mehr aufbleiben konnte, bis man vor dem Handy fast einschlief und auch morgens nicht bis zum Mittag im Bett bleiben durfte, weil der ach so tolle Wecker jetzt wieder anfing, in einer derartigen Lautstärke schrille Töne von sich zu geben, dass man ihn gar nicht erst überhören konnte. Und da ich Niall mürrisch angeblickt hatte, als ich in den Bus eingestiegen war, ganz nach dem Motto: "Sei einfach leise!", verhielt er sich nun auch ruhig und brabbelte nicht irgendeinen Müll vor sich hin.
Alles in einem, ich war schlecht gelaunt. Viele Mädchen freuten sich immer auf den Schulanfang, weil sie ihre Freunde wiedersehen konnten und dieses Schuljahr zu einem "ganz besonderem" machen konnten (was eh niemand einhielt). Ich wiederum teilte diese Meinung nicht. Wenn ich meine Freunde sehen wollte, traf ich mich einfach mit ihnen, Ferien hin oder her und ich machte mir auch keine Mühe, meine Unterlagen irgendwie zu verschönern. Stift blieb Stift und Block blieb Block. Fertig. Außerdem war das hier jetzt mein letztes Jahr und ich musste ordentlich lernen, um mein Abi hinzubekommen. Aber ich hatte ja mit Louis gelernt.
Louis...
"Harry, aussteigen", zwitscherte mein Kumpel Niall neben mir gut gelaunt und schulterte seinen Rucksack, ehe er aus dem Bus hüpfte. Er hatte einfach viel zu viel Energie.
Mein Schließfach war noch immer der gleiche alte und verbeulte Blechkasten, der so aussah, als hätte er schon den ein oder anderen Kopf zu viel dagegen geknallt bekommen. Gewalt war schon immer ein großes Thema auf Schulen gewesen. In Form von Prügeleien.
Alle im Flur schnatterten aufgewühlt durcheinander, manche umarmten sich oder taten sonst was. Das einzige, was ich tat, war die Toilette zu finden. Dringend. Ich hatte zu Hause keine Zeit mehr gehabt, um zu gehen. Zeitdruck eben. Druck, der sich jetzt in meinen unteren Partien widerspiegelte. War das jetzt Energieumwandlung? Immerhin soll ja quasi alles Energie sein; meinem Physiklehrer nach zumindest. Und der war so ein typischer ekeliger Naturwissenschaftler, der besser in einem Labor aufgehoben wäre als in einer Schule.
"Hey, Baby!"
"Hallo", kicherte Louis glücklich in die Kamera und winkte mit einem großen Sweater (bei dem ich mir sicher war, dass er mal mir gehört hatte) über seine Hand gezogen einmal hin und her, ehe es sie wieder ruhig auf seine Beine legte. Er hockte im Schneidersitz auf seinem Bett, während ich an meinem Schreibtisch saß und in Louis' Augen guckte.
"Ich habe dich vermisst", gab ich zu und erntete ein schüchternes Lächeln.
"Ich dich auch. Wie war die Schule?"
"Es ging. Wir hatten Messe und dann halt den organisatorischen Kram. Stundenplan mit unseren Kursen und wir mussten mal wieder die Hausordnung über uns ergehen lassen. So wie immer. Bei dir?"
"Auch normal. Nichts Besonderes. Oh, doch, wir haben einen neuen. Tyler. Er ist in den Sommerferien nach hier gezogen und wohnt jetzt mir seiner Mutter und der kleinen Schwester hier. Ich denke mal, dass sich die Eltern getrennt haben oder der Vater verstorben ist und sie hier ein neues Leben anfangen wollen."
"Okay...? Wie ist er? Also zu dir?"
"Keine Sorge, er steht nicht auf Männer, und außerdem, wer spricht schon mit klein Louis? Der ist nämlich direkt von den 'Coolen' aufgenommen worden. Typisch." Lou blickte lachend auf den Bildschirm.
Da dachte man, auf solch einer winzigen Insel wie Alderney gab es diese Klischee-Coolen nicht. Doch. Denn leider starben die nie aus. Meist strebten sie alle einem Motto nach: "Rauchen for life. Wohoo." Ich denke, jeder kannte diese Menschen und ich musste nicht näher drauf eingehen.
"Wenn das das Einzigste ist, was er gemacht hat, dann ist er unwichtig."
"Einzige."
"Was?", machte ich.
"Einzige. Du hast einzigste gesagt, aber es heißt einzige", klugscheißerte mein Freund grinsend und freute sich wahrscheinlich wahnsinnig, dass er etwas besser wusste als ich.
"Idiot."
Doch daraufhin bekam ich nur eine Zunge rausgestreckt.
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it's my birthday ✨🎊 deshalb das Kapitel 🙈
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