Die kleinen Stöcke geben unter Cunos Stiefeln nach, knacken, sodass ihre Ankunft unüberhörbar ist. Die paar Stufen der Treppe haben die beiden Freunde bereits hinter sich gelassen und folgen einem Tunnel tiefer ins Erdreich. Der Boden unter ihren Füßen besteht aus festgetretener Erde und Stöcken. Aus den Wänden ragen überall immer wieder gerne mal Wurzeln heraus. Die Luft ist feucht, sodass es sicher nur eine Frage der Zeit ist, bis hier Pilze wachsen.
Mit der brennenden Fackel voran und einem Messer in der freien Hand folgt ein Fuß nach dem anderen. Der Tunnel wirkt endlos und verdächtig still. Nur das Knistern der Flamme, Cunos Atem und die Schritte der beiden Freunde sind die einzigen Geräusche weit und breit.
Rebeccas Augen wollen ihr einen Streich spielen, die Diebin hat das Gefühl immer wieder Umrisse in der Dunkelheit zu erkennen. Dinge, die an ihnen vorbeihuschen und ihr Herz lauter schlagen lassen. In Häuser bei Nacht einzubrechen ist das eine, aber dieser Ort ist nicht nur von der Kälte eingenommen, sondern unheimlicher als die dunkelste Nacht.
Die Stille wird von einem bösen Lachen gestört, die beiden Freunde halten schlagartig inne und sehen sich bleich um. Luelas Stimme klingt nah, das Ende des Tunnels scheint schon bald erreicht zu sein.
„Anscheinend haben wir unerwünschten Besuch. Eine dreckige Diebin und ein Mann der Gerechtigkeit", stell die Hexe fest.
„Da!", spricht Cuno seine Kindheitsfreundin an.
Er deutet auf ein Schattenbild im Schein der Flamme. Eine gekrümmte Gestalt mit Hörnern, die an ihnen vorbeihuscht. Rebecca hält schlagartig Ausschau nach dem Wesen, das diesen Schattenwirft. Vergebens. Wie sollen sie so etwas bezwingen?
In diesem Moment wünscht sich Rebecca den Alchemisten zur Hilfe, Clive wäre sicherlich eine größere Hilfe als Cuno. Denn die Diebin bezweifelt, dass Stahl hier etwas bezwecken wird.
„Ignoriere diese Schatten, weiche den Bedrohungen einfach aus. Wir wissen, die Hexe ist aus Fleisch und Blut, mit ihr wird der Spuk enden", motiviert ihr Kindheitsfreund sie.
Er hat Recht. Kaum zu glauben, dass Rebecca so etwas jemals denken würde. Aber es stimmt, die Hexe kann bluten. Sie sollten Luela besser schnell ausfindig machen.
Kaum liegen die Bomben in Rebeccas Finger, greift Cuno grob zu. Kopfschüttelnd blickt er ihr in die Augen.
„Auch hier wissen wir nicht, ob Unschuldige in die Sache gezogen werden."
Zwar spricht der Paladin weiter, doch Rebeccas Augen ruhen auf die Silhouetten von Schlangen, die sich ihren Schattenbildern nähern.
„Schön! Neuer Plan! Ich gehe da jetzt rein, lege überall ein Feuer und wenn sich dort etwas befindet, das in deinen Augen gerettet werden soll, dann nur zu!", beschließt die Diebin auf die Schnelle.
Denn ihr fehlt die Konzentration bei all dem Spuk. Besser, sie handeln schnell, bevor die Hexe sich vollständig erholt.
Seine Einwände kann er sich sonst wo hinstecken, Rebecca stürmt voran. Mit einem Sprung befindet sich Rebecca im Keller. Sie duckt sich unter den plötzlich schnellen Bewegungen hinweg, spürt einen kalten Atem, der ihre Nackenhaare zum Sträuben bringt, und richtet sich langsam auf. Es folgt ein schriller Schrei. Keiner, den sie Luela zuordnen würde. Es klingt wie eine gequälte Seele eines alten Weibs.
Fluchend stößt die Diebin im Dunklen gegen einen Stapel Bücher, stolpert und bekommt Halt durch Cunos festen Griff. Dankbar blickt sie ihm in die Augen, schließlich beugt sie sich hinunter, um mit der Fackel den Bücherstapel anzuzünden. Die neue Feuerquelle offenbart das erboste Gesicht von Luela, die Hexe befindet sich im Hintergrund und breitet bereits ihre Arme aus. Rebeccas Kindheitsfreund lässt von der Diebin ab und schreitet der Hexe nun entschlossen entgegen, dabei weicht er gehörnten Schattenkreaturen aus, die so schnell sie erscheinen auch verschwinden.
Ein Wirrwarr an Stimmen prasselt nun auf Rebecca nieder. Schemenhafte, leuchtende Gestalten laufen an ihr vorbei, sollen den Langfinger verunsichern. Die Temperaturen sinken schalartig, lassen den Boden gefrieren und verwandeln diesen zu einer rutschigen Fläche. Mit der Fackel bekommt Rebecca die Geister verscheucht, fürs Erste. Die Schemen tauchen wenige Meter von ihr entfernt auf, lachen über ihre Gefuchtel.
Nach und nach legt Rebecca ein neues Feuer, sie gibt genug Freiraum zwischen den Feuerstellen, sodass den beiden Freunden mehr Zeit für die Flucht bleibt. Genug Möbel und Bücherstapel sorgen für ausreichend Futterstellen. Je heller der feuchte Raum leuchtet, je mehr kann die Diebin beobachten, wie die vielen Schattengestalten versuchen, die Feuerquellen zu löschen. Kessel, Flaschen, Kisten und Gläser stehen überall in dem runden Raum herum. Im Zentrum der Höhle befinden sich ein ganz großer Kessel, ein große, runde Holzbadewanne und ein Schaukelstuhl.
Die Höhle wird von acht Säulen aus Knochen gestützt. Die Gebeine liegen auf einander und wirken wie festgeklebt. Dreckige Schlafmatten, knochentrockenes Brot und Krüge mit Wasser lassen Rebecca daraus schließen, dass sie den Schlafplatz der Kinder gefunden hat. Ziemlich unfair, wenn sie am anderen Ende dieses protzige Bett eines Königs mit Samtvorhängen und detailreichen Schnitzereien erblickt. Eins ist klar, die Kinder leben nur, weil sie ihren Zweck erfüllen. Die Hexe handelt nicht aus Nächstenliebe, ihr sind die Kinder völlig egal. Eine Tatsache, die Rebecca erzürnt.
Ein Blick zum Paladin zeigt, dass er sich gut im Kampf gegen die Hexe schlägt, er weicht ihrer Magie in Form von schwarzen Feuerbällen und Blitzen aus. Luela atmet noch immer schwer, die Wunden sind zwar verschwunden, als wäre nie etwas passiert, und doch schwächelt die Hexe. Luela wirkt unkonzentriert, ihre müden Augen kann sie kaum aufhalten und außerdem schwankt die Hexe verdächtig. Also wirft Rebecca ein Messer los. Zähneknirschend beobachtet die Diebin, wie dieses von einer dieser Schattengestalten gefangen wird. Luela blickt ebenfalls zu ihr, nur kurz. Denn sie wirft mit einer Schockwelle nach Rebecca, die nur knapp der magischen Bedrohung entkommt. Die Macht des Teufelsweibs donnert gegen die Wand, bringt den Bau gefährlich zum Wackeln und frisst ein kugelartiges Loch in Rebeccas Größe in den Erdwall.
Ein Aufschrei. Cunos Schwert erwischt die Hexe und schneidet ihr das Fleisch an dem linken Unterarm auf. Mit einem wutverzerrten Blick schlägt Luela ihre Faust nieder zu Boden und lässt den Boden wellen. Die beiden Freunde taumeln durch die Höhle, weichen herabfallenden Deckenstücken und den Schemen aus. Die Wand hinter Rebecca bereitet der Diebin besonders Sorge, schließlich graben sich dort totenbleiche Arme heraus. Die Bedrohung versucht nach ihr zu greifen und es fehlen nur wenige Zentimeter. Fast hätte Rebecca den Kampf verloren, doch zum Glück wird der Boden geglättet. Rebecca plumpst auf ihren Hintern und blickt angsterfüllt auf die bleichen Arme. Es sind zu viele, um sie zu zählen.
Cunos Ruf rettet ihr jedoch das Leben, denn Luela hat sich angeschlichen und wollte ihre Magie auf sie niederdonnern. Wie ein böses Monster beugt sie sich über Rebecca und streckt ihre Klauen aus, aus Reflex handelt die Diebin. Ein Wurf und die Klinge bohrt sich in das rechte Auge der Hexe. Luela schreit schmerzerfüllt, blutet und taumelt. Mit einem Tritt befördert Rebecca die Hexe zu Boden, schnappt sich das nächste Messer und hofft, den Spuk zu beenden. Sie wollte sich auf Luela stürzen, ihr das Herz herausschneiden, aber die nächste Schockwelle erwischt die Diebin.
Die Wucht der Druckwelle ist groß, Rebecca wird gnadenlos hinauf gegen die Decke gerissen. Ihre Atemwege leiden bei der Kollision, für einen Moment ringt Rebecca nach Luft, bevor sie wie eine heiße Kartoffel von der Decke fällt und unsanft auf dem Boden landet. Keuchend blickt Rebecca auf und verfolgt, wie Cunos Schwert ins Leere trifft, da Luela rechtzeitig zur Seite gekrabbelt ist.
Mit dem unverständlichen Gemurmel beschwört die Hexe den nächsten Zauber herauf, bei einer Knochensäule lösen sich die Gebeine. Nach und nach fügen sich Knochengerüste zusammen und die Hexe erhält eine Hand voll untoter Krieger zur Unterstützung, wofür der Paladin sie verflucht.
Mühsam erhebt sich Rebecca und eilt ihrem Freund zur Hilfe, das Feuer hat sich bereits bedrohlich ausgebreitet. Die Hitze ist unerträglich, Rebeccas Haare kleben ihr bereits durch den Schweiß im Gesicht. Der Rauch füllt ihre Lungen und lässt sie husten. Noch gibt es ein Entkommen aus dieser Höhle. Die Zeit hängt ihnen jedoch im Nacken, das erkennt selbst die Hexe.
Luela ergreift zuerst die Flucht. Rebecca läuft ihr entgegen, springt auf das Teufelsweib zu und donnert mit dem Miststück zu Boden. Dabei überschlagen die beiden sich mehrere Male, bevor sie benommen gegen einen Stapel Kisten krachen. Die oberste Kiste wackelt verdächtig und stürzt tatsächlich hinab. Rebecca holt mit ihren Beinen Schwung und tritt Luela von sich. Schnell rollt sich die Diebin auf dem dreckigen Boden zur Seite, dabei entkommt sie nicht allen hinab donnern Gläsern. Einige der Behälter zerspringen und der starke Geruch nach Alkohol aller Art steigt der Diebin in die Nase.
Ganz vorsichtig und mit Bedacht erhebt sich Rebecca, in der Hoffnung, in keine Scherben zu greifen oder zu treten. Luela ist ebenfalls auf ihren Beinen und stürmt nun aus dem Keller, Rebecca eilt zu Treppen. Fast hätte die Diebin die Hexe an den Haaren erwischt, aber dann erwischt sie etwas am Fuß. Geekelt blickt Rebecca hinab auf einen blassen Arm, der aus dem Boden ragt und ihr Bein gefangen hält.
Es folgt eine schnelle Bewegung von der Seite, zu ihrem Glück handelt es sich um Cuno, der den bleichen Arm von der Hand trennt. Bevor es zu einem Wortwechsel kommen kann, greift ihr Kindheitsfreund nach ihr und eilt mit ihr aus dem brennenden Keller. Im Haus hältst sich zum Glück keiner mehr auf, denn die Dorfbewohner haben sich draußen vor der Hütte versammelt. Sie unterstützen die beiden, indem sie die Hexe mit Steinen bewerfen und ihr keine Chance geben, um durchzuatmen.
Ein ungutes Gefühl plagt Rebecca, als die Hexe anfängt zu dampfen. Ihre Fußabdrücke glühen noch Minuten später wie in einem Brennofen. Einige Dorfbewohner wittern ebenfalls die Gefahr und ergreifen die Flucht. Cuno wollte dem ein Ende bereiten, doch Rebecca hält ihn zurück. Sie wird das Gefühl nicht los, dass er in seinen sicheren Tod laufen würde. Ihrer Meinung nach sollten sie jeden Schritt nun dreimal überdenken und mit äußerster Vorsicht handeln.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro