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3. Kapitel

Staunend lässt Clive seinen Blick durch das riesige Anwesen gleiten, die Räumlichkeiten sind sehr hell und nicht zugestellt. An den Wänden hängen wunderschöne Gemälde über die schönsten Orte der Welt, an einem muss der Alchemist stoppen. Das Meer hat ihn schon immer fasziniert, ein Blick auf das Bild und er fühlt sich in seine Erinnerung zurückversetzt. Das Rauschen der Wellen, die Möwen am Himmel, der Sand zwischen den Zehen und diese frische Luft. Alles wirkt für diesen kurzen Moment so real.

Plötzlich schwindet die Erinnerung an das Meer und nun sieht er diese wunderschönen ozeanblauen Augen vor sich. Die Augen der Sklavin, die ihm nicht aus dem Kopf gehen möchte und seinen Bauch zum Kribbeln bringt.

„Clive, trödel nicht!", reißt ihn Linus aus seinen Gedanken.

„Wart Ihr schon einmal am Meer?", interessiert es den Paladin Cuno.

Während der Kutschfahrt hat Clive seinen Namen in Erfahrung bringen können, der Paladin ist schließlich sehr gesprächig.

„Einmal, es war einer der schönsten Tage meines Lebens. Wie steht es mit Euch? Wart Ihr schon mal dort?", erkundigt sich der Alchemist.

„Ich wünschte, ich wäre. Aber nein, noch hatte ich nicht das Vergnügen", antwortet Cuno ihm mit einem freundlichen Lächeln.

„Komm jetzt, Clive!", wird Linus launisch.

„Ihr habt einen unangenehmen Zeitgenossen an Eurer Seite, Clive. Seid Ihr sicher, dass ich Euch nicht beim Tragen des Koffers behilflich sein soll?", bietet ihm Cuno an.

Clive umklammert den Griff seiner Tasche aus schwarzem Leder feste.

„Nein danke, Cuno. Dieser Koffer symbolisiert, was ich bin", antwortet Clive ihm.

Der Paladin ist viel zu freundlich für seinen Geschmack, fast schon verdächtig.

Cuno überholt ihn und klopft an zwei großen Flügeltüren, bevor er sich zu den Gästen dreht.

„Wartet bitte kurz", bittet er die beiden.

Schließlich verschwindet er durch einen Türspalt.

Clive entgeht nicht, wie Linus den Knauf seines Schwertes umklammert.

„Das gefällt mir nicht", brummt der Söldner.

Als wäre der Alchemist auf einen Hinterhalt nicht vorbereitet, in seiner Hosentasche befinden sich zwei Flaschen, deren Inhalt für ein plötzliches Verschwinden ganz hilfreich sein kann. Rauchpulver, das Glas muss nur auf dem Boden zersplittern und schon breitet sich der Rauch erbarmungslos aus. Nichts und niemand kann diesen Vorgang stoppen und so können sich die beiden unbemerkt aus dem Staub machen.

Cuno öffnet einige Augenblick später die Tür, nun tritt der Graf hinaus. Ein gepflegter Mann gesteckt in dunkler, feinster Kleidung beäugt seine Gäste, Clive kann er nicht täuschen. Die Tage waren für den Grafen anscheinend nicht ganz leicht, die Spuren sind in seinem Gesicht deutlich sichtbar. Er hat viele Sorgenfalten und für einen Adeligen ist er sehr mager, seine smaragdgrünen Augen wirken leer. Die Tränen sind bereits getrocknet, etwas bereitet dem Adligen Kummer.

Der Graf betrachtet Clive mit einem unsicheren Ausdruck, er zupft sich an seinem schwarzen Bart, bevor seine Finger durch das rabenschwarze Haar fahren.

„Verehrter Alchemist, ..."

Allein dieser Anfang bereitet Clive Sorge, denn so sprechen keine Adeligen mit ihm.

„...ich wende mich verzweifelt an Euch. Ich weiß nicht weiter, meine Tochter ist schwer krank. Schwester Hildegard kann ihr nicht helfen, meine Tochter wurde zu meinem Bedauern aufgegeben. Es heißt, unheilbare Krankheiten seien Gottes Strafe, aber meine junge Tochter hat nichts verbrochen. Nichts, womit sie solch ein Schicksal verdient hätte. Ich bitte euch aufrichtig, rettet meinen kleinen Engel, sie ist alles, was mir von meiner verstorbenen Frau geblieben ist", am Ende seiner Bitte schießen dem Grafen die Tränen in die Augen.

„Wo ist Ihre Tochter?"

Clive hat genug gehört. Er möchte keine Zeit verlieren und sich das Kind ansehen. Der Graf nickt ihm zu und bittet sie nun herein in das liebevoll gestaltete Kinderzimmer mit den prächtigen Wandmalereien von Schmetterlingen und Blumen. Seine Tochter hat eine beachtliche Sammlung von Puppen und sogar ein Schaukelpferd.

Der Alchemist nähert sich dem kleinen Mädchen und stellt seinen Koffer am Boden ab. Ihm fallen die bereits ausgefallenen Fingernägel auf, das arme Kind ist an ihrem Bett festgebunden.

Der Graf erklärt ihm erschöpft: „Wegen den Krämpfen und den Wahnvorstellungen mussten wir so handeln, bevor sie sich selbst verletzt hätte. An ihrem Körper befinden ..."

Clive blickt auf und kommt dem Grafen zuvor: „Hautschwellungen und Blasenbildung."

Überrascht nickt ihm der Vater des Kindes zu, der Alchemist betrachtet nun die Arme des Kindes.

„Schwester Hildegard behauptet, es sei das Antoniosfeuer", berichtet der Graf ihm.

Clive hebt die Decke an und blickt auf die freien Füße des Kindes, er atmet erleichtert auf.

„Gut, ich sehe keine Fäulnis. Es muss schnell gehandelt werden, ich kann ihr helfen. Es ist ein Pilzbefall, Mutterkorn wird dieser genannt. Das Gegenmittel ist in kurzer Zeit verabreicht, Ihr müsst euer Korn länger lagern und die Ernte auf den Pilz untersuchen", rät ihm Clive und schnappt sich seinen Koffer.

Der Graf beobachtet, wie der Alchemist im Handumdrehen das Gegenmittel zusammengemischt hat und seiner Tochter verabreicht. Das junge Kind ähnelt ihrem Vater sehr, sie hat seine Augen und Haare. Der Pilzbefall hat sie jedoch ganz schön ausgelaugt, durch die Verengung der Gefäße kommt es hierbei zu Durchblutungsstörungen. Mögliche Spätfolgen wären dann das Absterben der Gliedmaßen. Aber zum Glück hat ihr Vater schnell genug gehandelt.

„Es wird dir schon bald besser gehen", verspricht er dem Mädchen.

„Ich brenne", ihre Stimme ist schwach.

„Gleich nicht mehr", äußert sich Clive mitfühlend dazu.

„Das sagt sie immer wieder, sie hat es geschrien", berichtet der Vater besorgt.

„Die Betroffenen beschreiben den Schmerz, als würde ihr Inneres brennen", ist dem Alchemisten bekannt.

Der Adelige klammert sich verzweifelt an den Hoffnungsschimmer und beschließt: „Ich bestehe darauf, dass ihr bis zu ihrer vollständigen Genesung als meine Gäste hierbleibt. Sollte meine Tochter diesen Wahnsinn heil überstehen, dann entlohne ich Euch mit viel Gold."

Seiner Stimmlage zu urteilen, duldet er keine Widerworte und doch ist das Angebot zu großzügig für den Alchemisten.

„Nein, das kann ich nicht annehmen. Das hier gehört zu meinen Pflichten, selbstverständlich werde ich bleiben. Wenn Ihr erlaubt, sehe ich mir Eure Felder an. Ihr dürft diese nicht niederbrennen, sonst atmen Eure Untertanen die Pilzsporen ein und dieser Fall wird als Seuche gemeldet", informiert Clive den Grafen.

Dieser betrachtet seinen Gegenüber misstrauisch, bevor er in Erfahrung bringen möchte: „Wie kann ich Euch für Eure Dienste entlohnen?"

„Der Alchemist interessiert sich für die Hexe, Eure Hoheit", meldet sich Cuno aus dem Hintergrund.

„Der Hexe? Etwa das Mädchen beim Sklavenhändler?", hinterfragt der Graf verwundert nach.

Sämtliche Anspannung fällt von dem Adeligen.

Clive schlägt die Augen nieder, schließlich wollte er das Thema langsam angehen.

„Ganz Recht", antwortet der Paladin ihm.

Der Alchemist rechnet mit Spott, stattdessen berichtet der Graf ihm: „Ich hatte vor diese Versammlung zu zerschlagen, der Sklavenhändler geht zu weit. Ich dulde den Verkauf von Hexen nicht."

„Was habt ihr vor mit der Hexe?", möchte Clive in Erfahrung bringen.

„Das Gesetz ist eindeutig, eine Hexe wird auf dem Scheiterhaufen verbrannt", antwortet der Graf in einem strengen Tonfall.

Das hatte der Alchemist befürchtet.

„Tja, dann hat sich die Sache ja geklärt."

Das scheint Linus zu freuen.

„Wenn die Versammlung zerschlagen wird und die Hexe unseren Fängen entkommt, dann können wir aber nichts daran ändern", beginnt der Graf.

Es folgt eine dramatische Pause, woraufhin Clive schlagartig zu ihm aufblickt.

„...sobald meine Tochter geheilt ist, bestehe ich aber darauf, dass du mit dieser Hexe mein Reich verlässt. Sonst bringst du mich in große Schwierigkeiten, ich kann sie hier für einige Tage beherbergen. Du musst diese Flügel verstecken, vielleicht unter einem Umhang. Was erhoffst du dir von der Hexe, wenn ich fragen darf?"

Kaum spricht der Graf zu Ende, fällt Linus die Kinnlade zu Boden.

„Sie ist weit von Zuhause weg, wenn es ihr Wunsch ist, dann möchte ich sie sicher zurück bringen", antwortet der Alchemist.

Der Graf betrachtet ihn zuerst mit großen Augen, bevor er losprustet. Er bricht in schallendes Gelächter aus und klopft dem Alchemisten amüsiert auf die Schulter.

Clive weiß nicht so ganz, was er hiervon halten soll. Schließlich will er doch nur helfen, darüber sollte so nicht gelacht werden.

„Du bist mir ja ein feiner Kerl", lächelt der Graf.

„Das ist Verrat an den König!", nimmt Linus dem Grafen mit einem Schlag die gute Laune.

Cuno handelt und richtet sein Schwert auf Linus, sein Herr nähert sich nun dem Söldner mit einem grimmigen Ausdruck.

„Muss ich dich erst fürs Schweigen bezahlen, Söldner?", fragt der Graf ihn mit einem düsteren Ausdruck.

„Wenn der König von diesem Unterfangen erfährt, dann sind wir tote Männer! Nicht ohne Grund werden Hexen hingerichtet! Seht Ihr denn nicht, dass sie bereits das Herz des Alchemisten gestohlen hat! Ein fähiger Mann, der kurz nach ihrer Begegnung kriminell werden möchte!", versucht Linus bei ihnen durchzudringen.

Nun stellt der Graf Clive vor die Wahl: „Du hast deinen Begleiter gehört, Alchemist. Willst du dieser Hexe immer noch helfen? Obwohl du die Folgen kennst? Wenn der König hiervon erfährt, dann droht uns allen die Hinrichtung."

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