28. Kapitel
Die Information, dass eine Königstochter eine weiße Hexe sein könnte, trifft den Alchemisten wie ein Blitzschlag. Lumiel ist im ganzen Land als die schönste Prinzessin weit und breit bekannt. In Sorge um seine Tochter soll König Robert seine Tochter, so gut es geht, vor der Außenwelt verstecken. Nur an besonderen Festen tritt die geheimnisvolle Schönheit ins Licht und verzaubert die Herzen der Männer.
Sollte die Hexe wahr sprechen, wäre dies ein Skandal. Auch wenn es sich um die Königstochter handelt, ist die Gesetzeslage eindeutig. Eine Hexe muss auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden. Sollte dies stimmen und Clive müsse sich vor König Robert wegen Sina erklären, hätte er etwas gegen den Herrscher dieses Königreiches in der Hand.
Luela betrachtet Clive neugierig, sie wartet auf eine Reaktion über diese Botschaft. Stattdessen wiederholt der Alchemist die Namen der drei weißen Hexen immer und immer wieder in seinen Gedanken, in der Hoffnung sie brennen sich dort ein und sind jederzeit abrufbar.
Clive möchte es nicht dem Zufall überlassen und blickt nun zu Luela mit einer Bitte auf: „Habt Ihr etwas zu schreiben, Luela?"
Die Hexe kichert amüsiert und erinnert ihn daran: „Der gute Mann hat wohl vergessen, dass er gefesselt ist."
In der Tat hat Clive für einen Moment vergessen, in welch einer Lage er steckt.
„Wie ärgerlich!"
Seine Art scheint die Schwarzhexe köstlich zu amüsieren, woraufhin Luela seinen Arm frei macht. Ein brennender Schmerz weckt Clives Aufmerksamkeit, es fühlt sich an, als würde Lava unter seiner Haut fließen. Heißes, glühendes Feuer und als Dampf von seinem Arm aufsteigt, gerät er in Panik. Schreiend vor Schmerzen beobachtet er, wie sich die Namen und Orte der drei Weißhexen in sein Fleisch brennen.
Die Schmerzwelle verglüht und doch pocht sein Arm, fühlt sich taub an und jede Bewegung schmerzt. Als sich der schwarze Kater Amon erhebt und die frische Wunde abschleckt, muss Clive die Zähne zusammenbeißen.
„Der Kater hat dich gern, Alchemist. Es mag vielleicht jetzt noch schmerzen, aber sein Speichel bewirkt Wunder."
Sie lässt seinen Arm los und nähert sich ihm, sofort steigt ihm der Schwefelgeruch in die Nase. Angewidert dreht Clive seinen Kopf zur Seite, mit der herzförmigen Flasche rückt seine Entführerin ihm viel zu nahe. Der Alchemist hofft so sehr, die Einnahme verhindern zu können. Doch die Hexe ist gnadenlos und zieht seinen Kopf an den Haaren zurück, während sie die Flasche ansetzt und das süße Gebräu einen Weg in seinen Mund bahnt.
Würde er nicht wissen, dass dies ein Hexentrank ist und hätte er die Prozedur nicht miterlebt, dann hätte er diesen Trank in einer Schenke sicherlich genossen. Der Flascheninhalt ist ein wahrer Gaumenschmaus und kaum werden seine Geschmacksnerven verwöhnt, vergisst der Alchemist seine Mission, die Magisterprüfung, Sina und auch all die anderen Leute, die ihm während des Reisens begegnet sind. Selbst die hübsche Schwarzhaarige erkennt er nicht wieder.
Mit einem fiesen Lächeln donnert die nun fremde Person ihm ihre Handfläche gegen den Brustkorb. Damit katapultiert sie Clive quer durch den Raum, sein Flug wird abgefedert, als würde er ins Wasser fallen. Seine Flugbahn wird durch weißleuchtende Lichtschleier gekennzeichnet und Clive ist sich so sicher, seinen Körper noch vor der schwarzhaarigen Frau zu sehen. Die Dunkelheit verschlingt den Alchemisten und etwas greift nach ihm. Er wird in die Tiefe gezerrt und je weiter er sich von seinem Körper entfernt, je schwummriger wird ihm. Sämtliche Wärme wird vertrieben und eine eisige Kälte macht sich über ihn her.
Nur ein Wimpernschlag und schon lächelt ihn die Sonne an, von dem grauenvollen Ort fehlt jede Spur. Stattdessen sticht ihn das vertrocknete Gras, ein Blick umher und er liegt in einem Wald nahe einem Dorf. Die Bäume leiden an der Dürre, denn die Rinde bröselt bereits ab und verteilt sich auf dem Boden.
Clives macht große Augen, als sich eine Horde streunender Wölfe ihm nähert. Ihre Blicke gelten jedoch noch nicht ihm, sondern zwei Dorfkindern, die mit leeren Eimern das Haus am Waldrand verlassen und sich entfernen. Das Rudel setzt sich leise in Bewegung, dabei nehmen sie keinerlei Rücksicht auf Clive. Der Alchemist kneift die Augen zu, als die Wölfe auf ihn herumtrampeln sollten. Doch statt auf ihn zu treten, gehen ihre Pfoten durch ihn hindurch. Verängstigt beobachtet Clive, wie die Tiere durch ihn hindurch laufen und die Jagd nach Frischfleisch eröffnen.
Das Geschrei der Kinder weckt seine Aufmerksamkeit, die Wölfe werden von den Kindern entdeckt. Ein Bauer eilt mit einer Mistgabel herbei und möchte sich den wilden Tieren in den Weg stellen, doch jeder einzelne Wolf fängt plötzlich Feuer. Bei dem grauenvollen Jaulen und dem Gestank nach brennendem Fell und Fleisch möchte sich Clive angewidert abwenden. Bis zu dem Moment, wo die schwarzhaarige Frau ins Licht tritt und zufrieden auf die brennenden Tiere blickt.
„Luela", erleichtert spricht der Bauer ihren Namen aus.
Ein Name, der Clive Kopfschmerzen bereitet. Eine Flut von Erinnerungen überwältigt den Alchemisten.
Wie konnte er nur vergessen, wer er ist und warum er sich hier befindet?
Verärgert blickt Clive auf, erhebt seine müden Knochen und schreitet entschlossen hinab. Gezielt zu Luela, deren silberfarbenen Augen ihn anvisieren.
Noch während er ihren Namen brüllt, breitet sich ein fieses Grinsen in ihrem Gesicht aus. Die Hexe dreht sich um und setzt das Gesicht einer Unschuldigen auf, mit gespielter Fürsorge spricht sie zu dem Bauern, bevor sie einfach davonläuft. Also beschleunigt Clive seine Schritte.
Ob die Kinder oder der Bauer, niemand schenkt dem Alchemisten Beachtung. Und doch erkennt der Alchemist aus der Ferne Luelas wehendes Haar, sie huscht an den Häusern vorbei. Also nimmt der Alchemist die Verfolgung auf und je länger er ihr auf den Fersen ist, je schneller wird ihm bewusst, dass Luela bereits mit ihm spielt. Die Hexe möchte, dass er ihr folgt. Es wirkt auf ihn, als würde sie sich immer gedulden, damit Clive sie nicht aus den Augen verlieren kann. Allein diese Tatsache bereitet Clive Magenschmerzen und doch ist die Verfolgung in seinen Augen ratsamer, als planlos herumzugeistern.
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