26. Kapitel
Die wirksamste Pflanze gegen Keuchhusten ist Thymian, es gehört zu Clives Standardausrüstung. Der Thymiantee ist bereits aufgesetzt, die Tochter des Pferdebauern befindet sich ganz allein in ihrem Heim. Felines Freundin leidet am hartnäckigen Keuchhusten und sie ist hochansteckend, es ist ein Wunder, dass sich die Wirtstochter noch nicht angesteckt hat. Denn laut Feline, schaut sie jeden Tag nach ihrer Freundin Katharina und versorgt sie, so weit es geht. Katharinas Bruder und ihre Eltern sind noch fort, so kann sich Clive unbesorgt um seine Patientin kümmern.
Clive hat bereits Abstand von Katharina genommen, er begibt sich gezielt zu Feline, die ein Auge auf den Thymiantee hat. Er legt der Wirtstochter weiteren Thymian neben die Kochstelle.
„Morgens und abends sollte sie den Tee trinken. Besser wäre es, wenn sie dreimal am Tag darauf zurückgreifen würde, aber ich weiß, dass dir dafür die Zeit fehlt. Du musst auf Abstand bleiben, sie ist hochansteckend. Es wäre auch ratsam, wenn ihre Eltern und ihr Bruder vom Tee mittrinken. Nur zur Sicherheit, der Tee kann mit Honig gesüßt werden."
Feline nickt traurig, die krampfhaften Hustenanfälle ihrer Freundin gehen nicht spurlos an ihr vorbei.
„Und sonst kann man nichts für sie machen? Manchmal ist sie ganz rot oder blau im Gesicht ...es ist furchtbar. Fast, als würde sie ersticken."
Clive kennt die Symptome zu gut und wurde auch bereits Zeuge davon. Diese Krankheit ist für alle Anwesenden wirklich nicht schön und es fällt ein Stein von Herzen, wenn diese Erkrankung überstanden ist.
„Sie braucht viel Ruhe und Flüssigkeit. Auch wenn ihr nicht nach speisen ist, sollte sie versuchen, etwas zu sich zu nehmen. Ihr Körper braucht die Energie. Es sollte viel gelüftet werden, gegen die Hustenanfälle kann es auch helfen, wenn sie Dampf inhaliert. Einfach einen Topf mit heißem Wasser und mit einem Tuch über dem Kopf hilft es, wenn sie den Dampf einatmet. Ansonsten rate ich zur Bettruhe, wenn dann nur kurze Sparziergänge."
Feline wirkt sichtbar erschöpft und doch lauscht sie aufmerksam seinen Worten.
„Das kriege ich hin", versichert sie ihm.
„Du bist eine gute Freundin, Feline. Ich lege euch ans Herz, unterschätzt die Kälte nicht. Besonders gegen Abend und in der Nacht, gerade im Winter trifft es viele mit den Keuchhusten."
„Brauchst du noch Hilfe, Feline?", meldet sich Sina aus der Ferne.
„Nein, ihr habt genug getan. Ich komme zu Recht. Vielen Dank für eure Hilfe", antwortet die Wirtstochter.
Cuno steht schon eine ganze Weile an der offenen Tür, der Paladin wirkt beunruhigt, als könnte er sich jeden Moment anstecken. Er ist ganz bleich im Gesicht und jedes Mal, wenn Katharina anfängt zu husten, steht die Panik dem Paladin ins Gesicht geschrieben. Er ist auch der Erste, der hinaus eilt, Sina hingegen geduldet sich, bis Clive seinen Koffer geschlossen hat. Schließlich verlassen sie gemeinsam das Haus, schon in der nächsten Stunde müsste die Sonne untergehen.
Rebecca hielt draußen Wache und blickt nun zu ihnen.
„Alles gut?", spricht sie Cuno an.
„Nein, ich hoffe, ich habe mich nicht angesteckt."
„Die hustet ja auch ganz schön", ist selbst Rebecca aufgefallen.
„Katharina ist mager", bemerkt Sina und ihre Worte gingen an Clive.
Der Alchemist sieht zu ihr und nickt, bevor er ihr berichtet: „Die Erkrankten haben oft keinen Hunger und verlieren Gewicht, das kann oft ganz gefährlich sein."
„Ich wusste gar nicht, dass Thymian solch eine Wirkung hat. Ich arbeite viel mit Thymian, ich koche mit dem Kraut. Ich hätte nie daran gedacht, dass es so eine heilende Wirkung hat", gesteht Sina.
„Da bist du nicht die Einzige, Sina. Nur wenige wissen wirklich, was die Kräuter noch alles leisten können", lächelt der Alchemist sie freundlich an.
Sie laufen gemeinsam über den Hof des Pferdebauerns, vorbei an einem Brunnen und an den saubergehaltenen Ställen. Immer wieder hat Clive das Gefühl, aus der Ferne beobachtet zu werden. Sorglos unterhalten sich Rebecca und Cuno darüber, im Wirtshaus Karten zu spielen.
Clive stoppt erstaunt vor einem schmalen Durchgang zwischen einer Scheune und den Pferdeställen. Im Gras entdeckt er Bluts- und Schleifspuren. Sina wird gerade von Rebecca angesprochen, sodass keiner seiner Gefährten mitbekommen hat, dass der Alchemist nicht Schritt hält. Clive möchte sie gerade über seinen Fund informieren, da legen sich kalte Finger von hinten um ihn. Halten ihn den Mund zu, vor Schreck lässt Clive glatt seinen Koffer fallen.
Eine Klinge blitzt hervor und mit angehaltenem Atem beobachtet der Alchemist, wie ein Messer in seinen Brustkorb gestochen wird. Die Klinge bohrt sich durch sein Fleisch und wird von Clives Brustkorb gebremst, nun kann Clive nur hoffen, dass kein Organ beschädigt wurde. Das Glühen der Klinge beunruhigt ihn, die Gestalt hinter ihm setzt sich mit ihm in Bewegung. Sie ignoriert, dass jede Bewegung mit dem Fremdkörper schmerzt. Hinter einem großen Gebüsch kommen sie zum Halt, wo sein Entführer die Klinge mit einem Ruck aus ihm reißt. Noch während das Blut aus der Wunde quillt, hat Clive das Gefühl langsam zu Schrumpfen.
Die fremden Finger lösen sich von ihm, sodass Clive versucht zu schreien. Allein, um seine Freunde zu warnen. Aber kein Wort dringt aus seiner Kehle, als er seine Hände erblickt, versteht er die Welt nicht mehr. Der Alchemist kann genau beobachten, wie sich die Struktur seiner Hände verändert. Wie Knochen und Fleisch zu Stroh werden und noch immer verliert er an Größe. Seine Brille gleitet ihm von der Nase, fällt in den Dreck.
Ein Blick zur Seite und er schreckt zusammen, über ihn beugt sich bereits ein Teufel. Ein bekanntes Gesicht, das finster auf ihn herab starrt. Im Gegensatz zu den letzten Stunden wirkt die Blumenverkäuferin wie ein Riese auf ihn, ihr eisiger Blick lässt ihn kaum atmen. Mit nur einer schnellen Bewegung lässt die Fremde das Messer verschwinden, ein schwarzer Kapuzenumhang verdeckt einen Teil ihrer Gestalt. Neben dem Umhang fällt ihm nun der Gürtel mit allerlei Gegenständen auf, der sich um ihre Taille wie eine Schlange schmiegt. Allerhand Kräuter, Flaschen und Werkzeuge befinden sich dort.
Die Blumenverkäuferin schnappt nach ihm und hebt Clive mit einer Leichtigkeit in die Höhe, ihre Hand ist nur um wenige Zentimeter kleiner als er. Sie kann ihn so an ihren Gürtel binden und nun nimmt er den starken Duft von Verwesung und Schwefel war. Ohne Erfolg versucht der Alchemist zu sprechen, ihm liegen eine Menge Fragen auf der Zunge. Aber wie auch zuvor verlässt kein Wort seinen Mund und die Wunde an seinem Brustkorb hat mit einem Mal aufgehört zu schmerzen.
Hilflos kann er nur zu sehen, wie die Blumenverkäuferin ihn wegträgt. Seine Sicht ist bereits ohne Brille getrübt, seine Kurzsichtigkeit lässt die ferne Umgebung verschwommen wirken. Seine Finger sind nun auch verschwunden, denn seine Arme bestehen nun aus Strohhalmen, die am Ende, wo die Hand sein sollte, zugeschnürt sind.
Die Hexe ist schnell, huscht von einem Versteck ins Nächste. Gnadenlos wird Clive herumgewirbelt, donnert immer wieder gegen ihren kalten Leib. Als die Blumenverkäuferin geduckt an einem Mauerstück zum Halt kommt, bekommt sie Gesellschaft. Eine Stimme, an die sich Clive erinnert.
„Luela, nimm mich mit", wird die Hexe aufgefordert.
„Dann schnell, Amon! Klettere auf meine Schulter", fordert sie den kleinen Kater auf.
Nach dem kurzen Zwischenstopp geht es weiter, schleichend begibt sich die Hexe abseits in eine Hütte auf einem Hügel. Clive fühlt sich schlagartig unwohler, als sie in eine dichte Finsternis abtauchen. Das einzige Licht in der Hütte dringt durch die offene Tür und neben dieser befinden sich anscheinend die Besitzer des Hauses. Ihr Verwesungsprozess war schon im vollen Gange, denn von den zwei Leuten blieben nur noch Knochen über. Wenn Clive nur könnte, dann würde der Alchemist vor Frust aufschreien, als nun die Tür durch Zauberhand knarrend zufällt.
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