20. Kapitel
Feline, die Tochter des Wirts, ist die Erschöpfung anzusehen und doch lächelt sie, als würde die Sonne das ganze Jahr über strahlen. Eine junge, dünne Frau, die ihren Vater überall unterstützt. Aus einem Gespräch mit dem Dorfmädchen erfährt der Alchemist, dass die Frau des Wirts vor einem Jahr verstarb. Nun kümmert sich Feline, um ihre zwei jungen Brüder und um die Bewirtung der Gäste. Ihr Vater steht am Tresen und übernimmt all das Geschäftliche. Dem Kochen widmet sich Feilines Großmutter, die Köchin wird immer wieder als alter Stinkstiefel vom Wirt beschimpft. Wie zwei Streithähne fauchen die beiden sich seit Eintritt in die gemütliche Herberge an.
Ein riesiger Kachelofen sorgt für eine angenehme Wärme in der Gaststube, er wird mit Holz befeuert. Auf den farbigglasierten Kacheln befinden sich Allerhand Blumenmuster. Was auch immer die Leute an diesen Ofen finden, Clive findet dieses Ding einfach nur hässlich und konnte sich schon im Magisterturm mit dem Wärmespender nicht anfreunden.
Die Gaststube ist vertäfelt, durch einige grünen Glasfenster dringt ein wenig Tageslicht hinein. Feline ist ordentlich, sie hält die Stube sauber und doch wirkt der Ort genauso trostlos wie der Rest des Dorfes. Nur drei Gäste befinden sich in der guten Stube, zwei ältere Herren und ein etwas jüngerer Kerl.
Cuno ignoriert Sina, die neben ihm Trübsal bläst, und rollt die Karte aus.
„Ich habe nicht vor, länger wie eine Nacht hier zu verweilen. Dieses Dorf wirkt mir nicht geheuer", gesteht der Paladin.
„Wir sollten mit dem Dorfvorsteher reden, irgendetwas stimmt hier nicht", grübelt Clive.
„Seid Ihr Euch sicher, dass Ihr nur heißes Wasser wünscht?", spricht Feline Clive freundlich an.
Sie stellt das Tablett mit den drei Holzbechern auf den Tisch und reicht Cuno und Sina ihren Apfelsaft. Der Paladin atmet laut auf und muss sich die Bemerkung verkneifen.
Clive antwortet dem Mädchen freundlich: „Ein Becher warmes Wasser genügt mir."
Feline streicht sich eine Strähne ihres honigblonden Haares aus dem Gesicht und reicht ihm etwas unsicher den Becher dampfendes Wasser. Sie geduldet sich jedoch und beobachtet, wie Clive aus seinem Koffer eine Teemischung holt. Der Alchemist verfeinert das heiße Wasser mit getrockneten Pfefferminzblättern. Neugierig blickt die Wirtstochter mit ihren eisblauen Augen über den Becherrand.
„Darf ich fragen, was Ihr beruflich ausübt?", fragt sie ihn.
„Ich bin ein Alchemist."
Clive entgeht der Hoffnungsschimmer in den neugierigen Augen des Dorfmädchens nicht. Sie lächelt ihn lieblich zu, bevor sie eilig davon läuft.
„Hättest du dir nicht einfach einen Apfelsaft bringen lassen können?", meldet sich der Paladin.
„Ich trinke gerne Tee", rechtfertigt sich Clive unbeeindruckt.
Er bemerkt, wie Sina ihn nachdenklich betrachtet, also schenkt er der Fee ein Lächeln, womit sie nur wenig anzufangen scheint. Schnell senkt sie den Blick und nippt an ihrem Becher Apfelsaft.
Nun gehen die beiden Männer die Route durch, Cuno weiß ganz schön viel um die Nachbarstädte und -dörfer. Ihre Planung wird jedoch unterbrochen, Feline macht Anstalten, sich neben Clive zu setzen. Also rutscht der Alchemist auf der Holzbank zur Seite und lässt sie neben sich Platz sitzen. So nah, dass er ihre vielen Sommersprossen aus nächster Nähe betrachten kann. Für ihre Gesellschaft erntet die Wirtstochter einen argwöhnischen Blick von Clives Begleitschutz.
Mit ihrem süßen Lächeln blickt sie den Paladin an und empfiehlt: „Unser Früchtebrot schmeckt hervorragend. Hättet Ihr gerne welches?"
Sina schüttelt ihren Kopf, während Cuno zögert. Er wirkt etwas erschlagen mit der Tatsache, dass es hier Früchtebrot gibt.
„Oh, ich liebe Früchtebrot. Wärt ihr mir böse, wenn ich welches esse?", fragt der Paladin seine Begleiter.
„Das geht schon klar..." Versichert Clive ihm amüsiert und blickt rüber zu Sina, die ihm schlagartig in die Augen blickt. „...Bist du sicher, Sina? Sonst bist du doch immer so eine Naschkatze."
Verlegen blickt die Fee weg, woraufhin Clive beschließt: „Ich nehme auch etwas vom Früchtebrot."
„Okay, schön", freut sich Feline.
Da sich die Wirtstochter nicht erhebt, hebt Cuno eine Augenbraue.
„Sonst noch was?"
Feline dreht sich zu Clive und fragt ihn: „Womit beschäftigt sich ein Alchemist?"
„Es gibt viele Bereiche. Warum fragt Ihr?"
„Heilt ihr Krankheiten? Oder was für Wunder vollbringt Ihr?"
Es überrascht Clive, dass genau sein Gebiet angesprochen wird. Das zeigt ihm, dass ihr hier ein medizinischer Notstand herrscht.
„Kann ich irgendwo helfen? Ich kenne mich mit der Heilkunde gut aus."
„Katharina die Tochter des Pferdebauers hustet sehr schlimm, es wird einfach nicht besser. Ich mache mir Sorgen um sie."
„Ich kann mir Katharina gerne ansehen."
Damit bringt er Feline zum Strahlen, glücklich nickt sie.
„Gut, ich bezahle Euch mit dem Früchtebrot. Einverstanden?"
„Einverstanden." Lässt sich Clive darauf ein und möchte diese Gelegenheit nutzen. „Feline, weißt du, wo der Dorfvorsteher zu finden ist?"
„Ihr sucht Albert? Um diese Uhrzeit sollte er auf seinem Hof zu finden sein. Es ist nicht schwer zu finden, ihm gehört das größte Grundstück hier. Seine Gänse sind sehr gesellig, lustige Zeitgenossen. Sie verfolgen einen bis zum Grundstück und schnattern ununterbrochen", berichtet die Wirtstochter aufgeregt.
„Was gibt es über das Dorf zu wissen?", klinkt sich Cuno ins Gespräch ein.
Felines gute Laune schwindet, etwas trübe blickt sie zu ihm auf.
„Nun ja, vor und hinter uns liegen dunkle Zeiten. Das Glück ist nicht auf unserer Seite, dieses Örtchen kämpft mit starken Erntebußen. Wir hoffen auf ein Wunder, viele Leute sind krank hier. Es ist nicht mehr schön."
„Wir versuchen zu helfen", möchte Clive sie aufmuntern.
Mit einem müden Lächeln nickt Feline ihm zu, bevor sie ihm verspricht: „Euer Pferd ist auf jeden Fall in guten Händen. Katharinas Bruder Johann wird sich gut um das Tier kümmern."
„Da bin ich mir sicher", erwidert Clive freundlich.
Feline blickt zu Cuno rüber und entdeckt Mina.
„Ihr habt da einen Vogel sitzen ..." Sie tippt sich an die Schulter, Cuno schwenkt den Kopf zur Vogeldame, die sich freudig gegen seine Wange drückt.
„...ich kann Euch helfen, ich fange den Vogel ein und setze ihn draußen aus."
„Nein..." Sinas erste Worte seit dem Mord an den beiden Jägern. „...der Vogel gehört zu uns."
Die Fee klingt etwas panisch, als wolle man einem Kind die liebste Puppe entwenden.
Feline betrachtet sie überrascht.
„Verzeiht, aber Tiere sind hier nicht erlaubt."
„Bitte macht eine Ausnahme", fleht Sina besorgt.
Die Wirtstochter sieht zu Cuno, der versucht den Vogel von seiner Wange fernzuschieben. Doch das Tier betrachtet dies als Spiel und sobald es auf Abstand geschoben wird, nähert sich die Vogeldame ihm wieder glücklich.
„Ist das auch für Euch in Ordnung?", spricht das Dorfmädchen den Paladin an.
„Ja, irgendwie schon", schnaubt Cuno erschöpft und streichelt zum Ende den Vogel.
Das Mädchen nickt ihm zu und lässt sie somit allein, nun genießt Clive in aller Ruhe seinen Pfefferminztee. Dabei bemerkt er Sinas Blick auf sich ruhen.
„Wie schmeckt dein Apfelsaft?", spricht er sie an.
„Ist okay", antwortet sie wenig begeistert.
„Die Apfelernte ist in Mitleidenschaft geraten, das schmecke ich heraus, Clive", äußert sich Cuno dazu.
„Kannst du da etwas machen, Sina?", interessiert es den Alchemisten.
Die Fee wollte ihm antworten, doch Cuno ist schneller und ermahnt sie: „Nicht hier."
Ein Blick zu den Gästen zeigt, wie misstrauisch sie beäugt werden. Die Tür wird aufgestoßen und ein Junge eilt herein. Sein Blick schweift umher, woraufhin der Wirt ihn anspricht. Das Kind ignoriert den Mann und läuft gezielt zu ihren Tisch. Dreck schmückt seine Wangen und auch seine Hände sehen aus, als hätte er mit den Händen im Acker gegraben.
„Die Herren..." Der Junge stoppt und entdeckt Sina, woraufhin er seinen Kopf kurz neigt. „...und die Dame, entschuldigt die Störung. Eine Rebecca schickt mich, sie sagt, ich würde einen Cuno hier finden."
Der Paladin beißt sich zornig auf die Lippen, bevor er vorschlägt: „Das bin ich. Was möchte Rebecca?"
„Ihr sollt die Dame ..." Bei dem Wort schnaubt Clive Beschützer spöttisch. „...am Friedhof treffen. Ihr sollt Euch bitte beeilen, es wäre dringend. Der Friedhof befindet sich an der Kapelle."
Clive bemerkt die mörderischen Blicke vom Zweiertisch, die ihrem Gespräch mit gespitzten Ohren lauschen.
„Danke, Junge. Lass mich raten, Rebecca fordert, dass ich dich bezahle", ahnt der Paladin.
„Die Dame hat mir eine Goldmünze versprochen."
Der Junge nickt ihm zu.
„Eine Goldmünze?", wiederholt Cuno erbost über Rebeccas Versprechen.
„Ja, der Herr", reagiert der Junge gelassen.
Der Paladin holt die Goldmünze hervor und drückt sie dem Kind in die Hand, glücklich betrachtet dieses den runden Taler. Nun kommt Feline mit dem duftenden Früchtebrot, Cuno nimmt sich schlechtgelaunt eine Scheibe, die ihm kurz darauf vom Jungen aus der Hand gerissen wird.
„Oh, Früchtebrot. Ich liebe Früchtebrot. Ich danke Euch." Der Junge beißt glücklich hinein. „Hmmm, ist das lecker. Einen schönen Tag noch die Herren und die Dame."
Mit vollen Mund und dem warmen Brot läuft er zur Ausgangstür. Feline lächelt daraufhin glücklich.
„Sehr nett von Euch", richtet sie ihre Worte an Cuno.
„Ja, sehr nett", brummt der Paladin.
Feline wünscht ihnen einen guten Hunger und lässt sie allein, Cunos beleidigter Blick bringt Clive zum Lächeln.
Die Wirtstochter hat drei Stücke von dem Früchtebrot serviert, also reicht er Cuno eine Scheibe.
„Hier, gönne es dem Jungen." Nachdem sein Begleiter das Stück entgegengenommen hat, hält der Alchemist die letzte Scheibe zu Sina, die verwundert aufblickt. „Probiere mal, Sina. Es schmeckt wirklich gut."
Zögernd nimmt die Fee die gesüßte Brotscheibe entgegen und bricht diese in zwei Hälften, um den Alchemisten die andere Hälfte zu reichen. Überrascht nimmt Clive dieses entgegen und beobachtet, wie Sina nun ihre Hälfte mit Mina teilt. Cuno scheint dies nicht ganz geheuer zu sein, da die Fee ihm dadurch sehr nah ist.
„Könntest du den Vogel nicht einfach auf deine Schulter nehmen?", fragt der Paladin sie.
„Sie will aber bei dir sein, das werde ich akzeptieren", äußert sich die Fee dazu.
„Nun gut, aber lasst euch Zeit. Rebecca soll warten", gibt der Beschützer nach.
„Sicher? Es könnte wichtig sein", entgegnet Clive nachdenklich.
„Mir egal, sie hat zu Warten!", duldet Cuno keine Widerworte.
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