12 Beta
Kaum schließt sich die Tür des Behandlungszimmers hinter AJ und Cosimo, steht Silko schon vor mir und mustert mich neugierig. "Du bist mit ihm befreundet?" Ich nicke nur, füge aber hinzu, dass ich auch sein Doula bin und daher eine Freundschaft entsprechend hilfreich ist.
"Andrew Cavendish hat dich für ihn eingestellt?" Maurizios Frage ist sorgfältig formuliert und so neutral wie möglich gesprochen, aber ich weiß, was er wirklich wissen möchte, und ich bin bereit, es ihm zu geben. "Das hat er getan, aber es war Cosimos Zustimmung, die den Deal besiegelt hat. Zum Glück haben wir sofort harmoniert und verstehen uns bestens." Er lächelt mich dankbar an, nun da er ahnt, dass ich ein Teil des Grundes bin, warum sich Cosimo gegen die invasive Untersuchung entschieden hat.
"Ich würde euch wirklich gerne bald besuchen", erklärt er mit Nachdruck und ich nicke.
Das Oberhaupt des Hauses de Audley hat über seine Leute bereits mehrfach an ihren Wunsch erinnert, sich die Situation im Hause Cavendish anzuschauen. Wir haben es verschoben, weil Cosimo Zeit für seine Recherche und Eingewöhnung brauchte. Sie haben das verstanden und akzeptiert. Der letzte Austausch dazu war allerdings nicht mehr so geduldig und deutlich drängender. Sie blieben nur ruhig und freundlich, weil das Gespräch über Face Call direkt mit Cosimo war, der ihnen überaus deutlich gemacht hat, dass sie im Moment die einzigen sind, die ihn gegen seinen Willen zu etwas nötigen wollen. Sein selbstbewusstes Auftreten und die Forderung, ihm Zeit bis nach der dreimonatigen Vorsorgeuntersuchung zu geben, hat sie letztlich einlenken lassen. Daher wundert mich Maurizios Anwesenheit nicht im Geringsten. Sie wissen von Richmonds Forderung nach der riskanten Untersuchung und wollen sicherstellen, dass Cosimo gehört wird.
"Andrew hat deinem Haus von Anfang an gesagt, dass er damit einverstanden ist, und er hat kurz darauf mit Cosimo gesprochen. Unser Omega freut sich darauf, dich in unserem Haus herzlich willkommen zu heißen. Er hat auch viele Fragen an dich."
"Das höre ich wirklich gerne. Klingt, als wäre er bereits Teil eurer Familie. Er sah glücklich und zufrieden aus und ich sah weder Angst noch Unterdrückung. Ich glaube, ich weiß schon, was ich an meinem Besuchstag sehen werde."
Maurizio ist ein gründlicher Beobachter. Er scheint zu ahnen, dass ich in dieser Gruppe mehr als nur ein Freund und ein Doula bin. Auch damit habe ich kein Problem. Wir drei haben über unsere ungewöhnliche Lebensweise gesprochen und waren uns einig, dass wir zwar nicht übermäßig kommunikativ darüber sein würden, aber wir werden auch kein großes Geheimnis daraus machen. Also, wenn es jemand herausfindet, dann sei es so.
"Warum kommt er uns nicht besuchen? Ich vermisse ihn so sehr."
Silko wurde bisher noch nicht ins Haus Cavendish eingeladen und die bösen Blicke, die er mit Richmond austauschte, während er meinem Gespräch mit Maurizio zuhörte, sprachen Bände. Meiner Erfahrung nach erwartet Alpha Richmond, dass sein Sohn den ersten Schritt macht. Daher fragt er nicht, ob er Maurizio begleiten darf und stellt stattdessen diese Frage. Ich konzentriere mich auf Silko, um ihm Respekt zu zollen und mein Interesse an ihm zu zeigen. Ich bin kein Fan von ihm und seinen Handlungen, aber Cosimo zuliebe kann ich nett sein. Wenn er seinen Eltern vergeben kann, dann kann ich es auch.
"Er vertraut dir nicht mehr. Er befürchtet, dass er in der Sekunde, in der er euer Haus betritt, eingesperrt und festgehalten wird. Richmond hat ihn immer gehasst, also kam sein Verrat nicht unerwartet oder überraschend für Cosimo. Aber du? Er glaubte an deine Liebe und fühlt sich daher von dir so viel mehr hintergangen. Wenn du ihn sehen willst, musst du zu ihm kommen. Wenn ihr möchtet, dass er euch besucht, müsst ihr ihn einladen und nicht nur ihn, sondern auch Andrew und mich. Wenn ihr eine Wiedervereinigung wollt, müsst ihr das Vertrauen wieder aufbauen, was ihr verloren habt und das ist vermutlich der schwierigste Teil daran."
Silko ist schockiert über meine Erklärung und Richmond, der ebenfalls näher gekommen ist, nutzt nun den Moment, in dem Silko sprachlos ist, um mir seine Meinung dazu zu sagen. Ich muss mir ein Lächeln verkneifen, denn es ist schwer, zwischen einen plappernden Silko zu kommen. Aber es ist nicht so schwer, meine Belustigung zu verbergen, denn Silko fühlt sich wirklich schuldig und am Boden zerstört und ich fühle mit ihm. Auf keinen Fall möchte ich den Eindruck erwecken, ich würde ihn auslachen.
"Wer hat dir gesagt, dass ich meinen Sohn hasse? Das ist nicht wahr. Ich habe ihn nie gehasst. Ich habe nie etwas getan, um eine solche Behauptung zu rechtfertigen." Ich sehe Alpha Richmond nachdenklich an und sehe die Wahrheit in seinen Augen. Aber das ist nichts, das mir jemand gesagt hat. Daran glaubt Cosimo aus der Tiefe seines Herzens. Es gibt also nur eine Erklärung, wie beide gleichzeitig die Wahrheit sagen können, obwohl sie widersprüchlich ist.
"Hast du jemals etwas getan, um ihm zu zeigen, dass du ihn nicht hasst? Liebst du ihn überhaupt? Weil es Cosimo ist, der so denkt."
Silko dreht sich nun zu Richmond um und schubst ihn kräftig. "Wir haben ihn verloren, wir können ihn nicht verlieren!" Er weint wieder und fängt an, seinen Mann mit offenen Händen zu schlagen. Nicht, dass es ihm etwas ausmacht, nicht ein bisschen, aber der Schock in Richmonds Augen zeigt, dass er mit dieser Situation völlig überfordert ist. Also versuche ich, beiden noch etwas mehr zu helfen.
"Es war nicht Cosimo, der euch verraten hat. Das ist alles euer Werk. Er stellte sich nur den Konsequenzen und wählte den besten Weg, den er für sich und sein Baby sah. Jetzt liegt es an euch, die Kluft zu überbrücken. Er braucht euch, eure ehrliche Reue und ein Zeichen, dass ihr wirklich an ihm als Familie interessiert seid. Er muss sehen, dass in euch tatsächlich Liebe für ihn existiert."
Die beiden sehen mich jetzt hilflos und verloren an. Das ist es also, was mit einer Familie passiert, die nicht auf Liebe oder wenigstens Freundschaft gegründet ist, sondern aus einer rein hierarchischen Vernunftehe. Richmond plant und entscheidet alles ganz alleine und sein Mann und sein Sohn müssen ihm folgen. Er hat nicht einmal den Moment erkannt, in dem er sich von ihnen entfernt hat, weil er sie nicht gefragt hat, nicht auf sie gehört hat. Er dachte, er wisse, was das Beste für alle ist, aber er wusste nur, was das Beste für ihn selbst ist. Es ist wirklich traurig und ich freue mich umso mehr, dass Cosimo jetzt erlebt, was echte Liebe aus einer Familie machen kann.
"Weißt du, was der Schlüssel zu einer wirklich guten Beziehung ist? Reden! Ihr müsst miteinander reden."
"Mit wem und über was? Es gibt keine Möglichkeit mehr, Haus Richmond zu retten, oder?"
Richmond auf diese Weise zu sehen, zeigt, dass tief in ihm in der Tat ein guter Mann steckt. Auch wenn seine Prioritäten weniger bei seinem Sohn und mehr auf seinem Haus liegen. Dass er sich im Moment nicht als der große Alpha aufspielt und stattdessen nach Rat sucht, ist ein Geschenk, dass ich nicht ungenutzt lassen werde. Ich schaue mich um und sehe, dass Maurizio den Platz, an dem wir stehen und warten, geräumt hat. Richmond steht mit dem Rücken zum offenen Raum und den anderen Besuchern des OCC. Also wird es seinem Ruf nicht schaden, wenn ich offener mit ihnen spreche, solange ich dabei die Ruhe bewahre und das sollte mir nicht schwer fallen.
"Sprich mit Alpha Cavendish, öffne dein Herz für deinen Sohn und seine neue Familie und finde einen Weg der Zusammenarbeit. Es ist nicht notwendig, dass du allem zustimmst, wofür Haus Cavendish steht oder kämpft. Du musst auch nicht Andrews Führung folgen. Aber du hast bereits mehr als einmal Verhandlungen mit ihm abgelehnt, die er dir angeboten hat. Jetzt ist es an dir, neue Brücken zu schlagen."
Ich wende mich Silko zu, um mich zu vergewissern, dass er auch zuhört und begreift, dass er ebenfalls ein Teil davon ist. "Omegas haben Rechte und du bist auch nicht im Haus Richmond eingesperrt. Finde also einen Weg, mit Cosimo zu sprechen. Finde einen Weg, ihn zurückzugewinnen. Ich weiß mit Sicherheit, dass es Gegenstände in eurem Haus gibt, die ihm gehörten, und die er sehr vermisst. Vielleicht fängst du damit an? Fragt ihn, was er will, und gebt es ihm dann zurück."
Silko nickt eifrig und sieht seinen Mann an. "Weißt du? Du hättest auch schon längst mit mir reden sollen. Hast du vergessen, dass es in unserem Ehevertrag eine Klausel gibt, die uns eine einvernehmliche Scheidung erlaubt? Du wärst mich vielleicht schon längst los, wenn du mit mir gesprochen und nicht verschwiegen hättest, dass Maurizio immer noch in meiner Nähe ist. Stattdessen hast du beschlossen, gegen mich zu kämpfen, mich zu erpressen, mir Betrug vorzuwerfen und mich Tag und Nacht an jeden Tag zu überwachen."
Maurizio nutzt diesen Moment, um wieder näher zu kommen. Er räuspert sich und sieht dann Richmond direkt in die Augen. "Du hättest auch zum Haus de Audley kommen und über diesen Vertrag sprechen können, nachdem Silko für unfruchtbar erklärt wurde und der Zweck dieser Ehe hinfällig war. Wir hätten gemeinsam einen Weg finden können, wie es weitergeht. Stattdessen hast du es vorgezogen, ein Verbrechen gegen deinen Sohn zu begehen. Du wirst auch einiges an Vertrauen mit unserem Haus zurückgewinnen müssen, weißt du?"
Richmond vergräbt seinen Kopf in seinen Händen. "Ich habe es wirklich vermasselt, oder?" Wir nicken alle, aber er kann es nicht sehen. Einsicht ist der erste Weg zur Besserung, oder nicht?
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