08 Omega
Eine weitere Pressekonferenz, die ich zuhause vor einem Fernseher verfolge, aber dieses Mal graut es mir nicht davor, ich will zuschauen. Sie sind meistens echt langweilig, besonders wenn ein neues Vorstandsmitglied angekündigt wird. Jeder aus dem Vorstand wird da sein und seine Redezeit einfordern. Und niemand sollte es wagen, eine Sekunde länger zu reden als die anderen, dann wird die Konferenz zu einem Irrenhaus. Letztes Jahr bekam einer der kleineren Vorstandsmitglieder das Recht auf ein letztes Husten in die Kamera. Aber ich bin es, der bis zum einundzwanzigsten Lebensjahr nicht ohne Führung bleiben kann. Ja, ne, ist klar.
Meine Gedanken schweifen zu meinem Om, der jetzt ohne Gesprächspartner zu Hause vor dem Fernseher sitzen muss. Vermisst er mich genauso wie ich ihn? Wahrscheinlich noch mehr, denke ich, als Griffin mir seine Hand entgegenstreckt, weil er sieht, wie ich traurig werde. Wer hätte gedacht, dass diese einfache Geste mich so leicht beruhigen kann? Ich nicht, aber deswegen mag ich sie um so mehr. Es ist eine kleine und ernsthafte Geste, um mir zu zeigen, dass ich nicht allein bin.
Der Moderator unterbricht seine langweiligen Kommentare, die große Tür des Regierungsgebäudes öffnet sich weit und die Vorstandsmitglieder der Stadtführung strömen heraus und versuchen, die besten Plätze vor den Kameras zu ergattern. Mein Papa und sein bester Freund sind ganz vorne und ich weise Griffin auf sie hin.
"Alpha macht es genau richtig und hält sich mehr im Hintergrund," teile ich meine Ansicht mit ihm, wie ich es sonst mit meinem Om getan hätte. "Er steht mit mindestens einem der höheren Häuser zusammen, was Stärke vermittelt. Und je später er seine Redezeit bekommt, desto besser."
"Warum ist das besser?", fragt Griffin neugierig und ich erröte, aber ich versuche es trotzdem zu erklären.
"Normalerweise ist die Chance gehört zu werden umso größer, je früher man dran kommt. Die Leute neigen dazu, abzuschalten, wenn es langweilig wird. Aber sie warten immer darauf, die Rede eines neuen Mitglieds zu hören, und je später er spricht, desto besser kann er den Sturm abschwächen, der von seinen Vorrednern ausgelöst wurde."
"Darüber habe ich noch nie nachgedacht." Griffin zuckt mit den Schultern und sieht mich verlegen an. "Ich habe an der Universität Medizin und Jura studiert, weil ich immer Doula werden wollte. Politik ist mir zu kryptisch."
Ich lächle schüchtern. "Politik war alles, worüber mein Vater sprach, und die meisten Seiten im Netz waren zu diesem Thema zu finden. Heute weiß ich, dass er kaum eine davon gesperrt hat; wahrscheinlich weil er sie für sich selbst brauchte. Aber ich muss zugeben, erst seit ich von einem Omega-Erben gehört habe, habe ich begonnen, mich wirklich dafür zu begeistern!"
"Du meinst also, heute morgen?"
Ich zwinkere ihm zu und wir lachen beide.
Die Rede meines Vaters ist peinlich. Er plappert darüber, den Jüngeren die alten Methoden beizubringen, damit unsere Stadt stabil bleibt.
"Blödsinn!", huste ich in meine Faust und Griffin grinst mich an.
"Noch ein Grummel-Fluch? Wie AJs Bastard?" Ich kichere und nicke. Das gefällt mir.
Ein paar Minuten später erkenne ich jemanden, der im Hintergrund mit Alpha spricht, ihm auf die Schulter klopft und lächelt, bevor er sich zum Rednerpult mit den Mikrofonen bewegt.
"Apropos Bastarde, vor diesem hier sollten wir Alpha warnen, er steht bei meinem Vater in der Schuld."
"Mach ich", sagt Griffin schlicht, nimmt kurzentschlossen sein Handy und drückt ein paar Tasten. Nur weil meine Augen auf Alpha auf dem Bildschirm fixiert sind, sehe ich, wie er einen Blick auf seine Smartwatch wirft und dann ein leichtes Nicken in Richtung Kamera andeutet.
"Was hast du ihm geschickt?" Es konnten nicht viele Worte gewesen sein, berücksichtigt man die kurze Zeit, die Griffin fürs Tippen und Senden brauchte und den winzigen Bildschirm, auf dem sie angekommen ist.
"Ein Emoji, das ein faules Ei zeigt."
"Wow, ihr habt bereits eure eigene Geheimschrift?"
Wir lachen darüber und planen weitere kryptische Spionage-Emojis, während wir darauf warten, dass Alpha spricht.
"Hast du gesehen, mit wem AJ da gerade gesprochen hat?" Griffin ist plötzlich ganz aufgeregt und ich schüttele den Kopf, beuge mich aber vor und versuche noch genauer hinzusehen.
"Das ist eine rechte Hand aus einem der großen Häuser. Ich verwechsle deren Namen und Zugehörigkeit immer wieder." Wenn ein Haus groß genug ist, kann es zu bestimmten Anlässen einen Vertreter schicken, statt dem eigentlichen Oberhaupt. Nur bei Abstimmungen geht das natürlich nicht.
Während ich noch versuche mich zu erinnern, wird schon der Name und das Haus eingeblendet und ich schnappe nach Luft. "Haus de Audley! Ist das ein Zufall?" Aber keiner von uns glaubt das.
"Würde mich nicht wundern, wenn sie sich an AJ gewandt haben, um nach dir zu fragen." Was Griffin sagt, ergibt Sinn.
"Autsch, ich bin wahrscheinlich vor Aufregung geplatzt, bevor ich die Chance habe, mit jemandem zu reden." Ich rutsche auf meinem Sitz hin und her, stehe schließlich auf und fange an, auf und ab zu gehen. "Es gibt so viel zu tun, und ich weiß nicht, wo ich anfangen soll."
Griffin steht auf, öffnet seine Arme und ich seufze und falle mit einem weiteren Seufzer hinein."
"Wir können einen Plan machen, bevor wir ins Bett gehen. So können wir uns einen Überblick verschaffen, was sofort erledigt werden muss und was noch eine Weile liegen bleiben kann. Auf diese Weise ersparen wir uns eine Panikattacke und ermöglichen uns eine ruhige Nacht, was denkst du?" Ich mag es, wie er immer über uns spricht und entspanne mich in seinen Armen.
"Danke. Wie kommt es, dass du immer weißt, was ich gerade brauche?" Er lächelt mich sanft an und ich möchte meine Wange an seine lehnen und an seinem Bart reiben. Sein Lächeln wird breiter und wissend, als er meinen Blick auffängt und mir liefert, was ich mit meinen Gedanken bestellt habe. Ich seufze wieder voller Zufriedenheit und er kichert und streicht noch einmal mit seinem Kinn über meine Kieferpartie.
"Es ist nichts Ungewöhnliches, wonach du dich sehnst, Cosimo. Die meisten Menschen hätten in deiner Situation ähnliche Wünsche. Und die ganz besonderen Wünsche", noch einmal reibt er mit seinem Bart über meine Wange, "kenne ich, weil du mich eingeweiht hast. Solange du deine Hoffnungen und Wünsche in diesem Haus bekannt machst, werden sie erfüllt werden, sofern es möglich ist."
"Also kein Einhorn mit Glitzer?" Er lacht und ich grinse wie ein Honigkuchenpferd.
"Wir werden sehen. AJ arbeitet daran."
Als die Nachrichten zu Ende sind, sitzen wir mit dem alten Handy von meinem Vater und einem neuen Gerät aus diesem Haus zusammen vor dem offenen Kamin und Griffin hilft mir, das neue Telefon einzurichten, ohne die Daten vom alten Gerät direkt herunterzuladen. Wir wollen nicht riskieren, Spyware von meinem Vater zu übernehmen und wir wollen die Möglichkeit behalten, das Alte zur Ablenkung verwenden zu können, falls notwendig. Manchmal fühle ich mich wie in einem Spionagethriller. Am Ende öffnen wir einen Chat zwischen AJ, Griffin und mir und finden heraus, dass er noch in einer Besprechung feststeckt, zusammen mit dem faulen Ei und noch einem Anderen, dessen Namen er mit dem Emoji ersetzt, das sich mit einer Hand vor die Stirn schlägt.
"Das ist tatsächlich einer seiner wahren Freunde", klärt Griffin mich auf und ich freue mich, das zu hören.
"Warum ein Facepalm-Emoji?"
Griffin grinst wissend und schüttelt dann lachend den Kopf. "Das ist schwer zu erklären, ich kann nur sagen, es passt. Du wirst es verstehen, wenn du ihn kennenlernst."
"Das hat Alpha auch zu mir über dich gesagt, kurz bevor wir uns trafen."
"Und? Hatte er recht?"
Ich könnte mein Lachen nicht zurückhalten, selbst wenn ich wollte, aber ich will es auch nicht. "Ja, zu sehen, dass du ein Beta und kein Omega bist, hat die Idee, dich zu benutzen, um ein Baby zur Welt zu bringen, sofort zunichte gemacht." Er stimmt in mein Lachen mit ein, wird dann aber ganz ernst.
"Weißt du, nachdem ich von dieser Krankheit seines Om gehört habe, frage ich mich, ob er mich wegen dieser Tatsache ausgewählt hat."
Ich schlage ihm mit meiner offenen Handfläche leicht auf den Hinterkopf und er jammert spielerisch und reibt die Stelle mit seiner eigenen.
"Wofür war das?"
"Auch wenn das am Anfang der Grund gewesen wäre, was ich nicht glaube, spielt es keine Rolle. Er liebt dich und er braucht dich. Das wird sich nicht mehr ändern, also wen interessiert das? Das war eine dumme Frage."
Wir albern noch ein bisschen herum, spotten und scherzen und haben Spaß. Als ich anfange zu gähnen, beschließen wir, Schluss zu machen. Aber in der Sekunde, in der ich meine Tür erreiche, fällt meine Stimmung in Sekundenschnelle in düstere Tiefen und ich könnte wieder anfangen zu weinen. Griffin sieht mich mitfühlend, aber ohne Mitleid an. "Was brauchst du, Cosimo?" Ich erinnere mich an seine Worte. Darüber, dass meine Wünsche wahr werden können, solange ich sie laut ausspreche. Ich weiß nicht, ob dieser Wunsch im Bereich der Möglichkeiten liegt erfüllt zu werden, aber ich muss es wenigstens versuchen.
"Ich brauche einen großen Löffel für die Nacht."
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