11 Omega
Nachdem sich die Tür des Behandlungszimmers hinter mir geschlossen hat, lasse ich laut die Luft raus, die ich etwas zu lange angehalten habe. Der Arzt ist eine Beta, was für mich Sinn ergibt. Die Arbeit mit schwangeren Omegas mag normalerweise kein Problem für einen Alpha sein, aber die Eifersucht und das Misstrauen des Baby-Vaters können es schwierig machen, denke ich.
Der Pfleger ist eine größere Überraschung, weil er selbst ein Omega ist. Ich bin in dem Glauben aufgewachsen, dass Omegas beschützt werden müssen, bis sie einen Alpha als Ehemann finden, dem sie Kinder gebären können. So werden sie zum Om, ziehen die Kinder groß und leben glücklich bis ans Ende ihrer Tage. Er zwinkert mir zu, als er meine neugierigen Blicke auffängt, während er mich zu einem bequemen Stuhl vor dem Arzttisch führt.
"Noch einer", murmelt er dem Arzt zu, der bestätigend nickt. Dann lächelt er mich offen an. "Heute ist keine Frage zu viel und das Gespräch dauert solange es eben dauert, okay? Wir sind hier, um zu reden und ihnen zu helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Aber zuerst muss ich sicherstellen, dass sie mit uns als ihr Arzt und Pfleger einverstanden sind."
Ich sehe sie verwirrt an. "Ist das die übliche Vorgehensweise? Kommt es oft vor, dass sich Patienten jetzt noch gegen sie entscheiden?"
Er lächelt und schüttelt den Kopf, bevor er mir erklärt, dass die Frage normalerweise am Tag der Terminvereinbarung geklärt wird. In meinem Fall hat aber der Vater meines Babys den Termin gemacht, also müssen sie mich eben jetzt um mein Einverständnis bitten.
"Wir sind beide komplett ausgebildet und in der Lage, sie so gut zu behandeln wie jeder Alpha-Arzt und jeder Beta-Pfleger, das können wir ihnen versichern. Aber es ist natürlich ihre Entscheidung."
Mir ist sofort klar, warum Alpha um dieses Betreuungs-Team gebeten hat. Der Beta-Arzt macht es meinem Vater schwer, sich ungefragt und vorgeblich zu meinem Schutz einzumischen, und der Omega ist für mich eine zusätzliche Datenquelle. Gut gemacht Alpha. Ich sage ihnen, dass ich damit völlig einverstanden bin, und damit fängt es an.
Jede Frage, die ich habe, wird ausführlich beantwortet und was ich nicht verstehe, wird vom Arzt oder dem Pfleger solange erklärt, bis ich es verstehe. Mit der Zeit werde ich mutiger und beginne auch, die Entscheidungsgewalt in diesem oder jenem Fall zu hinterfragen. Die Antwort ist immer dieselbe, die mir auch Alpha schon gegeben hat. Ich selbst habe hier das Sagen. Langsam fange ich an, selbst daran zu glauben.
Während der Pfleger mir Blut abnimmt, stellt mir auch der Arzt diverse Fragen. Einige meiner Antworten lassen ihn die Stirn runzeln. Ich füge in Gedanken zu jedem Stirnrunzeln ein geflüstertes "Bastard" hinzu, was mich schmunzeln lässt und meinen Arzt neugierig macht. Am Ende sieht er mich jedoch mit aller Ernsthaftigkeit an.
"Mr. Richmond, es stimmt. Als Omega stehen sie normalerweise bis zum Alter von einundzwanzig Jahren unter elterlicher Fürsorge. Ihr Vater hat das Recht, Entscheidungen für sie zu treffen, und die Pflicht, sie zu beschützen. Die Regeln für besonders geschützt gehaltene Omegas wie sie dienen in erster Linie dazu, Omegas vor ungeplanten und zu frühen Schwangerschaften zu schützen. Darauf beruht auch die allgemeine öffentliche Akzeptanz. Ihr Vater hat dabei bereits versagt. Sie sind nicht mehr minderjährig und bereits schwanger. Deshalb haben sie aktuell weitere Möglichkeiten, was die Vormundschaft angeht."
Ich sehe ihn neugierig an. "Ich habe irgendwie den Eindruck gewonnen, dass der Vater meines Babys ein Mitspracherecht haben könnte, aber was sind wirklich meine Möglichkeiten, außer im Haus Richmond zu bleiben?"
Er sieht mich sehr ernst und etwas streng an.
"Sie dürfen tatsächlich ihrem zukünftigen Ehemann und Vater ihres Kindes die Betreuungsrechte für sich übertragen. Ihr Vater mag dagegen Einspruch erheben, aber seine Chancen, vor Gericht zu verlieren, sind hoch."
Jetzt verstehe ich, warum mir Alpha einen Antrag machen will. Nehme ich ihn an, gelten wir als verlobt und das wird unseren Stand vor Gericht noch verbessern, sollte mein Vater rechtliche Schritte einleiten. Er ist wirklich ein Fuchs.
"Alternativ können sie sich der Betreuung durch einen Alpha auch komplett entziehen und sich in unserem Omega Care Center anmelden. Hier erhalten sie Unterkunft und jede Hilfe, die sie bis zu ihrem einundzwanzigsten Geburtstag benötigen. Auf diese Weise verlieren sie zwar den Schutz und die Hilfe ihres Hauses, aber sie gewinnen die Möglichkeit, sich und ihr Kind selbst zu versorgen." Davon höre ich jetzt zum ersten Mal und ich sehe ungläubig erst den Arzt an und dann den Pfleger, nachdem ich seinen Blicken zu ihm gefolgt bin.
"Es ist nicht so beängstigend, wie sie denken", mischt dieser sich ein. "Ich habe mich für diesen Weg entschieden und es kein einziges Mal bereut."
Der Arzt räuspert sich, um den fröhlichen Omega zu schelten. "Lüg ihn nicht an, Willow. Das wird ihm nicht helfen."
Der Mann zuckt entschuldigend mit den Schultern und sieht mich verlegen an. "Okay, es mag Zeiten gegeben haben, in denen ich mich zurück unter die Kissen und Decken meines Bettes in meinem Elternhaus gewünscht habe. Aber sie hätten mir auch nicht die Sicherheit gebracht, die ich in diesen Momenten suchte, und heute bin ich lieber weitgehend unabhängig als herumgeschubst zu werden."
So ist das also. Als schwangerer Omega habe ich schon mindestens einmal die Führung und den Schutz verloren. Also darf ich mir jetzt bessere Hilfe suchen. Mein Vater hat nicht einfach nur Entscheidungen für mich getroffen, die mir nicht gefallen haben. Er hat mich mit seiner Entscheidung im Stich gelassen und seine Aufgabe mir gegenüber verfehlt. Die riskante Prozedur, um etwas herauszufinden, was nicht wichtig ist und nicht geändert werden kann, ist für den Arzt ein weiterer Beweis dafür, dass das Wohlergehen von mir und meinem Sohn bei meinem Vater nicht die oberste Priorität hat.
"Wie auch immer sie sich entscheiden, wir würden sie lieber nicht mit ihm aus dieser Klinik gehen lassen, um zum Haus Richmond zurückzukehren. Wir sind hier, um Leben zu retten, und ihr Kind ist unserer Meinung nach bei ihm nicht sicher, ebenso wenig wie sie."
Als wir wieder zu den anderen nach draußen gehen und sich mein Arzt direkt auf meinen Vater stürzt, habe ich nur Augen für Alpha. Und als er vor mir auf ein Knie sinkt und mit so lieben Worten um meine Hand anhält, weiß ich, was ich zu tun habe. Ich will nicht allein sein und ich will auch nicht der Gnade meines Vaters ausgeliefert sein.
Alpha hat mir geraten seine Frage so schnell wie möglich zu beantworten, bevor mein Vater dazwischenfunken kann, aber er kann mich sowieso nicht dazu bringen, meine Meinung zu ändern. Ich sehe ihm tief in die Augen, suche nach Betrug, aber finde nur freundliche Hoffnung. Mir ist vollkommen klar, dass es hier nicht wirklich um die große Liebe geht. Seine gewählten Worte waren Show für das Publikum. Er hat mir bereits gestanden, dass sein Herz einem anderen gehört. Aber ich glaube seinen Worten, mit denen er mir versprochen hat, dass es darin ebenfalls Platz für mich und unseren Sohn geben wird. Eine Freundschaft, ein gemeinsamer Kampf und eine bessere Zukunft. Und ich bin bereit dafür.
Das ist vielleicht nicht der Weg, den ich mir für mich erträumt habe, aber zumindest ist es ein Schritt nach vorne und auch dafür bin ich bereit. Also zeige ich ihm meine Hand, strecke meine Finger aus und sage laut und deutlich: "Ja, ich will."
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