Magischer Vollpfosten und Fellbündel
Als der Wecker klingelt, öffnet Noëlle die Augen nur einen Spalt und dreht sich auf die Seite, bevor sie ihre Hand auf das Ding fallen lässt und es ausschaltet. Wieso zur Hölle muss sie nochmal so früh aufstehen? Irgendwas wichtiges wars. Gähnend setzt sie sich auf und schiebt die Bettdecke auf die Seite, wobei sie sich die Augen reibt und die Haare aus dem Gesicht streicht. Langsam rutscht sie zur Bettkante, die Augen sind eigentlich noch geschlossen und sie steht auf. Es ist ihre Wohnung, sie kennt sich gut genug aus um- BAM. Noëlle klatscht der Länge nach auf den Boden und ihr bleibt erst einmal die Luft weg, wobei sich das fellige Hindernis mit einem Mal bewegt und unter ihren Beinen hervorkommt. Hans hatte eigentlich gedacht dass er groß genug wäre um nicht übersehen zu werden, falsch gedacht. Sie ist eiskalt über ihn drübergefallen, oder besser gesagt über seine Hinterläufe. Besorgt steht er auf und stellt sich über sie, stupst sie mit der Schnauze an und weiß dass sie nicht ohnmächtig ist! Dafür schnaubt sie zu laut. Die Magierin dreht sich auf den Rücken und reibt sich das Kinn, irgendwie hatte sie es geschafft zumindest die Nase heile zu lassen. Als sie die Augen öffnet starrt sie Hans in das fellige Gesicht, wobei sie die Stirn runzelt.
„Seit wann hab ich nen Hund...?"
Nur Stück für Stück arbeitet ihr Hirn und die Erinnerungen kommen nach dem zugegebenermaßen sehr guten Schlaf zurück. „Hans?", murmelt sie und setzt sich auf, wobei dieser sich neben sie setzt. Dann aber fällt ihr etwas auf. Sie ist auf der Couch eingeschlafen. Wieso ist sie im Bett aufgewacht? Ihr Blick geht zu dem weißen Wolf neben sich und sie zieht die Augenbrauen hoch. „Was haben wir gestern ausgemacht?" Leises Grummeln. „Genau, ich schlafe auf der Couch und du auf dem Bett." Leicht senkt er den Kopf, auf was darf er sich jetzt wieder gefasst machen? Ein leichtes Schnipsen gegen seine Nase ist zu spüren. „Echt süß dass du mich ins Bett gebracht hast, aber das Ding hält n bisschen was aus. Wenn ich eh schon gepennt habe, hättest du locker draufgepasst." Perplex mustert er sie und legt den Kopf schief. Kein Anschiss dass er sie ohne Erlaubnis angefasst hat? Oder dass er im Weg gelegen hat? Kein Meckern dass es weh getan hat? Stattdessen reibt sie sich nur noch einmal das Kinn und steht langsam auf. „Frühstück?" Er sitzt noch für einen Moment irritiert da, bevor er in das Bad läuft, dort die Tür schließt, sich anzieht und dann wieder als Mensch und auf zwei Beinen in die Küche kommt. „Kaffee? Latte Macchiato? Cappuccino? Tee? Was willst du trinken?" Einen einfachen schwarzen Kaffee, mehr will er doch nicht. Und auch beim Essen gibt sie ihm so viele Auswahlmöglichkeiten, sodass er sie höflich auf die Seite schiebt und selbst ein einfaches Frühstück ohne großen Schnickschnack zubereitet. Immer wieder wenn sie schauen möchte was genau er macht, gibt er ihr einen bösen Blick.
Schlussendlich sitzt ein Streifenhörnchen auf seiner Schulter, wobei er seufzt und die Hand hinhält. Ohne zu zögern springt sie drauf und er hebt sie eine Etage höher, sodass Noëlle schlussendlich auf seinem Kopf sitzt und von dort alles genau beobachten kann ohne ihm im weg zu sein oder aufgrund von Bewegung runtergeschmissen zu werden. Es braucht nicht lange und trotzdem sieht es irgendwie verdammt lecker aus und es riecht nach Käse. Mehr braucht sie an sich nicht. Hans schiebt die Dinger, die sich ‚Monte Christo' nennen, auf die Teller und stellt sie auf den Esstisch, ehe er sich an den Abwasch macht und sich die Magierin erst dann wieder in die menschliche Form bringt, um beim Abtrocknen zu helfen. Dass ist das Mindeste, wenn man bedenkt dass er ihnen gerade Frühstück gemacht hat. Er ist ein wenig gespannt was sie davon hält, das ist so gut wie das einzig einigermaßen ‚ausgefallene' was ihm spontan eingefallen ist das einfach und ohne großen Schnickschnack zuzubereiten ist. „Also... uhm... wenn du deine eigene Wohnung hast... können wir uns darauf einigen dass du einmal in der Woche rüberkommst und wir gemeinsam frühstücken?" Sie lacht als sie seinen Blick sieht, das ist nichts mit dem er gerechnet hätte. Es ist nichts besonderes, das könnte sie auch locker ohne irgendeine Hilfe machen und es gibt tausende Varianten davon! Sie muss mal wieder übertreiben, kann das sein? So gut kann es nicht sein dass sie so etwas aussprechen würde. Ihn beschleicht der Verdacht dass sie am Anfang extrem nett sein wird, nur um dann irgendwas hinterrücks laufen lassen zu wollen. Darauf wird er aufpassen müssen, definitiv. Zu oft ist ihm das schon passiert und auch wenn sie nett wirkt und auch das mit dieser Oma rührend ist, er sollte erst einmal auf Abstand bleiben bevor er theoretisch anfängt sich mit ihr wirklich anzufreunden.
Um Punkt Sieben hatten sie ausgemacht, jetzt ist es kurz vor Sieben und Alucard wartet genervt darauf dass die werten Herrschaften unten vor der Wohnung auftauchen. Sie haben beide die Zeit komplett übersehen und er hat keine Lust dass die Lady das ganze mit einer schlechten Laune starten lässt. Er deutet den beiden an sich noch ein wenig zu beeilen, nachdem sie aus der Tür kommen und vor allem Sage mit einer Sporttasche und einem Koffer ankommt. „Die Lady sagte doch dass du keinen Hausstand mitnehmen sollst.", murrt er, die Magierin aber erwidert seinen Blick gelassen. „Und du weißt auch dass ich meine Ausrüstung mitnehmen soll und das ist sie nun mal." Ja, ja, ja. „Ich hoffe ihr habt eure letzte ruhige Nacht genossen, das wird in nächster Zeit nichts mehr!" Mit diesen Worten nimmt er sie in den Schatten mit und bis zum Anwesen, da es noch ein ganz kurzes Briefing aufgrund neuer Informationen gibt. Integra erwartet sie schon und blickt auf die Uhr als sie auftauchen. Huh, Punkt Sieben Uhr. Brav. Unwissend dass Alucard die beiden abgeholt hat, ansonsten wären sie noch immer in der Wohnung.
„Es gibt ein paar neue Dinge, dazu aber nur ganz kurz. Punkt Nummer eins, wir haben Informationen bekommen dass sich diese Gruppe im generellen auch hinter deinem Namen versteckt. Bauen sie große Scheiße und einer von ihnen wird erwischt, bist du als Gruppenleitung zuständig und deswegen könnten deine Aufträge einbrechen." Noëlle schnaubt und stellt die Tasche auf den Boden. „Diejenigen die mich kennen wissen, dass ich nicht in einer Gruppe arbeite und es auch nie tun werde. Ich mache mir um mein Geld keine Sorgen." Musternde Blicke der Lady, die darauf nicht hinaus wollte. „Ich denke nicht an dein Geld, Sage. Ich denke an deinen Ruf, der ist schwer aufzubauen und leicht zu zerstören." Wieder ein Lächeln. „Naja... und Puff-" Sie nimmt ein anderes Aussehen an, die Stimme hat sich ebenfalls verändert. „Schon hätte ich eine neue Identität. Ich will nicht sagen dass es nützlich ist aber... für den Ernstfall bin ich rückversichert." Sie nimmt ihre eigene Gestalt wieder an und nickt. „Mehrfach." Hans sieht zu ihr, ja schön dass SIE rückversichert wäre! Und er? „Keine Sorge, mein Bester." Die violetten Augen sehen ihn aus dem Augenwinkel an. „Ich habe Rückversicherungen in denen ich ein oder zwei Extra-Personen eingeplant habe." Morgens nicht einmal aufstehen und gehen können ohne dass es sie aufs Maul lässt, aber so extrem weit in die Zukunft planen und Möglichkeiten für Leute offen halten die eventuell nicht existieren? Alles klar. „Aber das war nur ein Punkt. Punkt Nummer zwei ist der erste Reiseort, wir fangen da an wo wir auch die ersten Informationen bekommen haben. Irland. Übrigens- Hast du dieses Tagebuch durchforsten können?" Ah, sie wusste dass sie was vergessen hatten. „Bis jetzt ist noch nichts rausgekommen, ich werde aber im Jet weiterschauen. Gestern war es ein wenig stressig." Mist, darauf hatte die Lady eigentlich gebaut. Aber gut, vielleicht findet sie ja noch etwas. „Gut, mach das. Wenn du was findest, dann gib Alucard bescheid und er wird es mir weitergeben. Punkt Nummer drei wäre der, dass es sein kann dass ich Alucard abziehen muss. Ihr werdet vorübergehend gut zurechtkommen, vor allem jetzt wo du Hans hast. Aber nicht sauer sein wenn er ein paar Stunden oder ein oder zwei Tage nicht da ist."
Sauer? Warum sollte sie sauer sein? Es könnte zu ein paar Unannehmlichkeiten führen, aber nichts worüber man komplett panisch die Fassung verlieren sollte. „Alles klar." Der Urvampir legt sich eine Hand auf die Brust. „Wie kannst du das nur so eiskalt sagen?" Noëlle blinzelt ein paar Mal und sieht ihn emotionslos an. „Weil du genau so, wenn nicht sogar noch erleichtert dazu geklungen hättest." Die roten Augen erwidern ihren Blick, er lässt die Hand sinken. „Touché." Wo sie recht hat, hat sie nun einmal recht. „Aber von meiner Seite aus wars das erst einmal, noch Fragen?" Nicht von Sage, auch nicht von Hans und Alucard ist dahingehend eh ein wenig desinteressiert. „Passt, dann ab mit euch. Der Jet wartet aufgetankt am Flughafen auf euch. Alucard, zeig ihnen alles was sie brauchen. Sage, Hans, das Wlanpasswort findet ihr in einem kleinen Heftchen an dem Stuhl auf dem ihr sitzt auf der Flugzeugwandseite." Schön dass man in dieser Generation als erstes ans Wlanpasswort denkt, läuft. „Nimm deine Tasche, du magischer Vollpfosten, komm her und es geht los. Du auch, Fellbündel." Ach, was für eine nette Einladung zur Reise, da folgt man doch super gern, nicht wahr? Aber es muss nur ein Job getan werden, es ist nichts besonderes, wird hoffentlich nicht zu lange dauern und dann kann man sich daheim ja noch ein wenig entspannen, bevor der Alltag wieder losgeht.
Im Jet sitzt Hans gegenüber von Noëlle, Alucard hat auf der anderen Seite des Ganges Platz genommen. „Du hast es vergessen, oder?" Die Magierin hebt den Kopf von ihrem Handy und sieht zu dem schwarzhaarigen, der sie auffordernd anblickt. „Hm? Was habe ich vergessen?" Kurze Stille und die stumme Frage ob sie nicht einmal eine logische Verknüpfung machen könnte. „Das mit diesem... Tagebuch-Ding oder so. Was du durchschauen solltest." Ah, das meinte er. Die Blondine schnalzt mit der Zunge und nickt. „Jop. Aber dafür mach ichs jetzt, gestern war wirklich ein bisschen was los." Der Teil ist nicht gelogen gewesen. Der Besuch im Krankenhaus, dann wieder zum Anwesen, dann in ihre Wohnung und das mit dem Renovieren klären, schnell essen, wieder kurz ins Krankenhaus und dann schlafen. „Wie geht's unserer Oma." Huh? Meint der jetzt Gloria? „Du warst bei ihr noch einmal, oder? Zumindest hast du es ihr ja ach so hoch und heilig versprochen." Der meint wirklich sie. Macht er sich ernsthaft Sorgen um sie oder ist ihm langweilig? „Sie war... überwältigt als ich gesagt habe dass ich alles organisieren werde wegen dem Brand und Renovierung und so. Und dass sie während der Zeit in einem kleinen Spa-Hotel unterkommt. Wollte sie nicht so ganz glauben, aber ich warte nur auf den Anruf dass sie entlassen ist damit ich den Rest regeln kann." Er kann ihr Lächeln sehen, sie mag dieses alte Weib wirklich sehr. „Und der Rest besteht aus...?" „Taxi bestellen damit sie zu meiner Wohnung kommt, da holt sie ihren Koffer aus meinem Schrank und dann mit dem gleichen Taxi ins Hotel, wenn es der Herr so genau wissen möchte. Und WEHE ihr geschieht irgendetwas." Alucard sieht wie ihr Blick warnend wird, schmunzelt aber leicht. „Was willst du dann tun?"
Skeptisch beobachtet der Werwolf die Interaktion, er wird erst eingreifen wenn es zu viel werden sollte. „Magie ist harmlos, wenn man sie beherrscht. Aber zu starke Gefühle, zusammen mit der Absicht der absoluten Zerstörung, können die Magie außer Kontrolle geraten lassen und was dann passiert kannst du dir höchstwahrscheinlich vorstellen. Und da ist es egal ob ich schwach oder stark bin- Zerstörung ist und bleibt Zerstörung. Egal in welchem Ausmaß." Man könnte das schon fast als Drohung aufnehmen! Wenn Alucard nicht wüsste dass das alles Fakten sind die sie ausgespuckt hatte. Er hatte in seinem Leben relativ selten mit Magiern zu tun, aber alle sagten sie das Gleiche. Magie ist wie ein Feuer in der Person. Sie kann wärmend sein, einladend, gemütlich und für gute Taten bestimmt sein! Aber es kann auch außer Kontrolle geraten und aus einem gemütlichen Lagerfeuer wird ein Waldbrand den man nicht mehr stoppen kann. Magier müssen diese dünne Grenze kennen die bei jedem anders gelegt ist, versuchen sie nicht zu erreichen und immer eine gewisse Ruhe bewahren. Die Magier die er von früher kannte, sind genau deswegen immer sehr abseits der normalen, menschlichen Zivilisation gewesen, sodass sie der Menschheit keinen Schaden zufügen können. Selbst ein schiefgelaufenes magisches Experiment könnte den Tod für Flora und Fauna in einem Umkreis von mehreren Meilen bedeuten! Sage ist eigentlich die erste die er kennengelernt hatte, die wirklich mitten in der Zivilisation lebt und trotzdem mit Menschen interagiert, einen Job hat und ihre Fähigkeiten dafür aktiv nutzt.
Noëlle sieht wieder auf ihr Handy und muss wirklich ihr kleines Tagebuch durchstöbern ob sie irgendetwas aufgeschrieben hatte was so eine Organisation angeht oder ob ihr vielleicht irgendetwas dabei wieder einfällt. Kurzerhand legt sie das Handy auf den Tisch vor sich, legt ihre Hände auf die Armlehnen und hebt sich selbst hoch, ehe sie die Beine in den Schneidersitz bringt und sich dann erst auf den Sitz herunterlässt. Nur noch Musik um sich komplett von der Außenwelt abzuschotten, Wlan ist aktiv, Handy lädt nebenher, passt. Nach ein paar Minuten ist sie schon so vertieft, dass sie nicht einmal mehr von der Musik irgendetwas hören würde und der Urvampir sieht zu Hans. „Wie zum fick bist du meiner Schülerin entkommen. Spiel das mal in deinem Kopf ab, ich will es wissen um so was in Zukunft zu vermeiden." Tot sollte Tot sein, nichts da mit knapp überleben! Da der Werwolf es nicht verhindern könnte dass er in seine Gedanken eindringt und er dahingehend ein wenig neidisch ist was Noëlle angeht, verdreht er nur die Augen. Was solls. Alucard sieht wie das alles abläuft und zieht eine Augenbraue hoch. Eine verdammte Explosion der Wand hat dem letzten Rest an Überlebenswillen in ihm genug Zeit verschafft sich auf die Seite zu rollen und zu verschwinden. Zu desertieren, um genau zu sein. Denn er half seinen ehemaligen Kollegen nicht mehr, nachdem er floh um sich selbst in Sicherheit zu bringen. Seras hatte im Eifer des Gefechts und aufgrund der Explosion nur einen Schatten gesehen und diesen umgebracht- einen ‚normalen' Soldaten und nicht Hans. „Huh, dachte eigentlich immer dass du jemand wärst der bis zum Schluss bleibt. Irgendwie enttäuschst du mich gerade."
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