Kapitel 9
Der italienische Abend
Es vergingen nur ein paar Tage, bis die Gelegenheit kam und sie das italienische Essen umsetzen wollten.
Es war früher Nachmittag und wie vereinbart, wartete Alan wieder einmal mit dem Auto vor dem Studioausgang, als Anna bereits mit einer beachtlichen Einkaufstüte um die Ecke spurtete. Anna hatte den Vormittag dazu genutzt die ganzen Lebensmittel zu organisieren, ursprünglich wollte Alan die Kosten übernehmen, aber sie lehnte entschieden ab, es war ihre Idee und so wollte sie auch selbst dafür sorgen.
Er musste lächeln, freute er sich doch schon sehr auf dieses zufällig entstandene Treffen. Sie würden heute den Tag zusammen verbringen und Anna wollte für ihn kochen. Er konnte sich gar nicht mehr erinnern, wann das letzte Mal in seiner Luxusküche ordentlich gekocht worden war.
Als sie in Notting Hill ankamen, begaben sie sich sogleich in die Küche. „Tobe dich hier ruhig aus Anna, ich sorge für die Getränke, damit du nicht verdurstest", meinte Alan. Mit einer Selbstverständlichkeit, die ihn nur staunen ließ, ging Anna zum Kühlschrank und gab alle Lebensmittel hinein, die sie jetzt noch nicht benötigte.
„Alan, ich habe wirklich nichts dagegen, wenn du deinen Text lernst. Ich brauche hier sowieso länger, immerhin bereite ich zuallererst die Nachspeise zu, da diese rasten muss. Für welcher Film musst du überhaupt üben?", fragte Anna.
„Ok, ich will dich ja nicht in deiner Kreativität beim Kochen stören. Es handelt sich um eine Komödie, ‚The search of John Gissing' mehr kann ich dir leider nicht sagen", erwiderte er darauf und zwinkerte ihr zu, was sie mit einem Lächeln quittierte.
„Aber ich möchte trotzdem noch kurz mit einem Getränk mit dir anstoßen! Auf den netten Tag, den wir heute haben werden und dein sicherlich gutes Essen", bestimmte er. Ohne die Antwort von Anna abzuwarten, verschwand er in das Esszimmer und öffnete einen üppigen Barschrank, der unter anderem einen Kühl- und Weinschrank beinhaltete. Was für ein Luxus, dachte sich Anna, die ihm gefolgt war.
Alan balancierte zwei gut gefüllte Gläser mit Gin Tonic in seinen Händen, er hatte sogar Eiswürfeln und eine Zitronenscheibe hinzugefügt. Anna übernahm ihr Glas und beide prosteten sich zu.
Beide sahen sich dabei in die Augen. Was war das nur immer, man konnte in seinen wunderschönen Augen versinken. Um sich abzulenken sprach sie: „Mhhh das Getränk hast du sehr gut gemixt. Ich liebe Gin Tonic, aber zu viel darf ich jetzt nicht trinken, sonst gibt es kein Essen mehr." Zu Annas Erleichterung verabschiedete sich Alan und ging wie ausgemacht in das Nebenzimmer. Sie wäre viel zu nervös, wenn er neben ihr bleiben würde. Er begann seinen Text für die neue Filmproduktion, die anstand, zu üben.
Schnell konnte sie sich einen Überblick in der Küche schaffen, sie begann unverzüglich mit der Vorbereitung für das Tiramisu. Ein heißer Espresso für das eintunken der Biskotten wurde sogleich von der italienischen Luxuskaffeemaschine erledigt. So arbeitete Anna gewissenhaft und voller Freude in der Küche.
Für das Abendessen war es noch zu früh und die Nachspeise war bereits fertig vorbereitet. Vorsichtig klopfte Anna an Alans Arbeitszimmer, dahinter hörte sie ihn etwas murmeln und sie musste lächeln.
Er öffnete die Türe und sah etwas hilflos aus. Seine Haare standen in alle Richtungen und seinen Hemdkragen hatte er mittlerweile geöffnet. Anna musste der Versuchung widerstehen seine Haare zu richten, wie sie es sonst üblicherweise bei der Arbeit für ihn machte. „Was hältst du davon einen Tee zu trinken? Dann hättest du auch mal eine Pause", versuchte sich Anna selbst von seinem Anblick abzulenken und sich zu rechtfertigen warum sie ihn bei seinen Vorbereitungen störte.
Alans Miene hellte sich unverzüglich auf. „Das ist eine hervorragende Idee, ich werde dir assistieren", sagte er fröhlich. Gemeinsam gingen sie in die Küche. Anna füllte den Wasserkocher, während Alan nach einer der vielen Teesorten kramte. „Sie her, den habe ich letztes Mal gekauft. Einen Schwarztee mit Orange, Grapefruit und Limone. Ich habe ihn noch gar nicht gekostet, aber das werden wir jetzt zusammen nachholen", schlug er vor.
Alan übergoss den Tee mit 90⁰ C heißem Wasser und stellte die Uhr auf 4 Minuten. Währenddessen presste Anna eine frische Zitrone aus, stellte den Kandiszucker auf den Tisch und richtete große Teeschalen. Der Tee hatte ein wundervolles Aroma und es duftete köstlich danach. Beide saßen nun im Esszimmer und genossen den Tee.
Immer wieder blieb Annas Blick an seinem geöffneten Hemdkragen, der etwas derangiert war hängen. Bis sie es nicht mehr aushielt. „Verzeih Alan, ich muss dir kurz deinen Kragen richten", murmelte sie und beugte sich nach vor. Mit leicht zittrigen Fingern griff sie nach seinem Hemd und richtete es wieder. Dabei berührte sie unabsichtlich seine warme, weiche Haut am Hals. Sie war ihm so nah, dass sie seinen Atem auf ihrer Haut spüren konnte.
Alan überzog eine Gänsehaut, als er die sanfte Berührung ihrer Finger am Hals spürte. Ihre Nähe machte ihn nervös. Als sie auch noch zu ihm aufblickte, nachdem sie fertig war, wurde die Situation für ihn beinahe unerträglich! Er wusste nicht mehr was er fühlen sollte, als er in ihre schönen Augen sah. Als Anna auch noch in ihrem Gesicht leicht rot wurde, begann es überall zu kribbeln. Es wäre besser, er würde wieder schleunigst in sein Büro gehen, bevor er etwas Unüberlegtes tat.
Annas Gesicht brannte vor Verlegenheit. In seiner Gegenwart wurde sie immer wieder schüchtern, was sie eigentlich nicht unbedingt war. Aber seine Ausstrahlung haute sie einfach um. Durcheinander über diese Situation, ließ sie sich wieder zurück an die Rückenlehne fallen und sah zur Seite.
Ohne viel zu reden, tranken sie aus. Beide waren unabhängig voneinander in ihren Gedanken und Empfindungen gefangen. Alan war komplett aus der Bahn geworfen und ging wieder retour in sein Arbeitszimmer. Auch Anna ging es nicht viel besser, sie räumte noch das Teegeschirr weg und stand etwas ratlos in der Küche und sah aus dem Fenster. Nach einer halben Stunde hatte sie sich wieder beruhigt und begann nun das Abendessen vorzubereiten.
Die verschiedensten Düfte zogen sich durch das Untergeschoss, deshalb zog es Alan in Richtung Küche, wo er sich in den Türrahmen stellte und Anna beim Kochen zusah. Er konnte sich ohnehin nicht so wirklich auf seine Arbeit konzentrieren, viel zu sehr beschäftigte ihn die Situation, die beim Tee trinken entstanden war.
Anna war so in ihrem Element, das sie Alan nicht bemerkte, wie er dort stand und ihr verträumt zusah. Etwas regte sich in ihm und doch konnte er nicht ausmachen, was es genau war. Aber ihm gefiel, was er sah. Sie stand hier so selbstverständlich in seiner Küche, als würde sie hier her gehören. Leise schlich er sich wieder zurück in sein Zimmer.
Anna hatte in der Zwischenzeit den Tisch fertig dekoriert und war mit dem Vorbereiten des Essens fertig. Sie beschloss Alan zu rufen und schrie in den Flur: „So Alan es wird ernst, du darfst kommen!!"
Das ließ er sich nicht zweimal sagen und kam sofort zu ihr. Er konnte nur mit Mühe sein Erstaunen verbergen. Anerkennend nahm er den schön gedeckten Tisch wahr. Er sorgte wieder für das Getränk und nahm passend zu dem Essen einen perfekt temperierten italienischen Rotwein aus dem Schrank. Er dekantierte diesen sogleich und in füllte ihn in große Weingläser.
Als Vorspeise gab es getoastetes Weißbrot und Mozzarella mit Tomaten und Basilikum an Balsamicodressing. Es schmeckte so frisch und köstlich und zerging auf der Zunge. Als Hauptspeise gab es Picatta Milanese. Alan glaubte, im siebten Gourmet Himmel angekommen zu sein, denn es schmeckte einfach so vorzüglich. Sie unterhielten sich über belanglose und unverfängliche Dinge während des Essens, der Rotwein war sehr stark und trug zusätzlich zur lockeren Atmosphäre bei.
„Also es würde noch eine Nachspeise geben, aber ich denke wir brauchen eine kurze Pause?", frage sie Alan.
„Ja das denke ich auch. Wenn du willst, kann ich dich etwas durch das Haus führen, immerhin hast du noch nicht viel davon gesehen", schlug er vor. Er führe sie durch Teile des Hauses. Er wollte sie lieber nicht in den Schlafbereich nach oben führen, wer weiß wie das auf sie wirken würde.
Als er ihr sein Arbeitszimmer zeigte, trat er unabsichtlich sehr nahe an sie heran, weil der Flur zu Ende war. Sein Körper reagierte verräterisch auf sie, dass selbe Gefühl hatte er auch schon, als er ihr vorhin in der Küche zugesehen hatte. Über seine unangebrachten Gefühle irritiert, trat er gleich ein paar Schritte zur Seite.
Anna spürte schmerzlich den Verlust seiner Nähe. Er strahle so viel Wärme und Ruhe aus. Sein Atem, gemeinsam mit seiner dunklen Stimme in ihrem Nacken, hatte eine Gänsehaut bei ihr verursacht.
Als sie von ihrer kleinen Runde retour gekommen waren, nahm Anna das Tiramisu aus dem Kühlschrank und schnitt zwei Stücke aus der Form und streute etwas Kakaopulver darauf. Um die Nachspeise abzurunden, ließ sie noch zwei Espressi von der Kaffeemaschine herunter. Wieder am Esstisch sitzend genossen sie die süße Sünde.
Alan hielt sich den Bauch und meinte stöhnend: „Also, wenn du öfter kochen würdest, müssten sie wahrscheinlich die ganze Kleidung von Severus umnähen."
„Danke für dein Kompliment", sagte Anna und lachte über seine Reaktion.
Alan war es etwas peinlich, da er meinte, es hörte sich so an, als wollte er nun öfter von ihr bekocht werden. Aber wenn er genau darüber nachdachte, würde ihm das schon gefallen.
„Tja, das kann ich natürlich nicht verantworten, das dir deine Kleidung nicht mehr passt", sagte sie mit einem zwinkern.
Auch der Kaffee nützte nichts mehr gegen den leichten Nebel, den Anna durch den starken Rotwein und dem vorangegangenen Gin Tonic spürte. „Ich denke, ich sollte mir jetzt ein Taxi rufen, damit es nicht zu spät wird", meinte Anna. Sie musste zusehen, dass sie von hier wegkam! Der Wein und seine Nähe verursachten Gedanken und Gefühle in ihr, die sie nicht haben wollte! Es prickelte in bestimmten Regionen, als er ihr lange in die Augen sah.
Alan kam zur Vernunft und befand es für das Beste ihrer Bitte nachzukommen, denn sonst könnte er für nichts mehr garantieren. Die körperliche Spannung, die er spüren konnte, wurde für ihn immer schwerer zu ignorieren. „Ich übernehme das, ich rufe dir gleich ein Taxi", schlug Alan insgeheim widerstrebend vor.
Kurze Zeit später hupte das bestellte Taxi schon vor der Türe und Alan half Anna noch in die Jacke. Er berührte dabei ihre Schultern länger als notwendig. „Danke für den schönen Abend und deine vorzüglichen Kochkünste", murmelte er gedankenverloren, als er in ihren Augen versank.
„Gerne geschehen, es war wirklich sehr nett", sprach Anna und riss die Haustüre schnell auf, um keinen Fehler zu begehen, denn die Gefühle überwältigten sie gerade.
Der Schwall kalter Nachtluft ließ beide Gemüter wieder zur Vernunft kommen. Schnell entfernte sie sich von seinem Hauseingang Richtung Taxi und winkte Alan noch kurz zu.
Puh das war knapp! Am liebsten hätte sie ihn überfallen aber das war doch lächerlich! Ja, sie bevorzugte ältere Männer, aber 26 Jahre Altersunterschied war doch etwas extrem, auch wenn er für sein Alter unglaublich attraktiv war.
Alan trat wieder ins Innere, schloss die Türe und lehnte seinen Kopf dagegen. Was war das gerade eben, er hätte sie am liebsten...
Seine Hose war eng geworden. Was war nur mit ihm los? Er reagierte doch sonst nicht so auf Frauen, aber sie war eben nicht irgendjemand. Ihm fiel zwar auf, dass er sich in den Pausengesprächen am Studiogelände immer magisch zu ihr hingezogen fühlte. Bis jetzt dachte er aber immer, es läge daran, weil er sich mit ihr gut unterhalten konnte, ohne dass sie ihn anschmachtete. Aber so sicher war er sich mittlerweile nicht mehr, für ihn kam heute definitiv eine sexuelle Spannung rüber.
Er ging in die Küche und alles war aufgeräumt, als hätte dieses Treffen nie stattgefunden. Einzig die Überreste der Nachspeise, die sich im Kühlschrank befanden, bewiesen das, das eben Erlebte nicht nur geträumt war. Er fuhr sich mit den Fingern durch die Haare und über sein Gesicht, das durfte doch alles nicht wahr sein ...
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