Kapitel 4
Aufgaben
Anna lebte sich recht schnell ein. Mit ihren Kollegen hielt sie nur oberflächlichen Kontakt. Und die Projektleiterin mied sie, so gut es eben ging, denn diese war scheinbar jeden Tag schlecht aufgelegt. So jemanden hatte sie auch noch nie erlebt. Diese hatte mehr Starallüren als die eigentlichen Stars, die zu betreuen waren. Auch den Schauspielern ging sie aus dem Weg, so wie es der Vertrag vorgesehen hatte.
Jeder Tag lief eigentlich gleich ab. Unter der Woche stand früh morgens die Maske an und am Wochenende war meistens frei, außer es war spezielle Dreharbeiten geplant. Nach der typischen Morgenroutine waren nur noch kleinere Korrekturen, direkt am Geschehen zu erledigen. Zum Beispiel wenn jemand am Filmset sehr schwitzte und abgepudert werden musste, oder die Haare in alle Richtungen abstanden.
Es gab dazwischen immer wieder kleinere Pausen, die meistens alle zusammen verbrachten. Egal ob Schauspieler oder anderes Personal, es war bunt gemischt. Zu Mittag und abends gab es immer ein großes Essensbuffet. Jeder konnte sich unabhängig voneinander, etwas davon zu essen nehmen. Kaffee, Getränke und andere Kleinigkeiten, wie Obst oder Kekse, waren jederzeit verfügbar.
Am Wochenende ging Anna viel spazieren oder schlief einfach aus. Sie lebte in den Tag hinein, was konnte man auch sonst so Großartiges hier machen. Die Gegend rund um Watford war nicht gerade aufregend, außerdem war sie froh, wenn es einmal ruhig war. Dann nutzte sie die Zeit, las ein gutes Buch und hörte dabei den Regentropfen am Fenster zu, denn das Wetter in England war sehr oft schlecht.
Da Anna nicht gerade die gesprächigste Person war, hielt sie sich, überhaupt am Anfang, sehr zurück. Vor Alan hatte sie mit Abstand den meisten Respekt. Anna versuchte, ihm nicht zu nahe zu kommen, schließlich wollte sie ihn nicht belästigen.
Doch in ein paar Tagen würde sich das ändern.
Alan war eine offene Persönlichkeit, er ging schon mal auf andere Personen zu. Immerhin durfte er als bekannter Schauspieler nicht allzu große Berührungsängste haben. Denn er wurde in London sehr oft von Fans aufgehalten oder angesprochen, damit sie ein Autogramm oder Foto von ihm bekamen.
Alan wollte unbedingt einmal mit Anna sprechen, denn mehr als die „Guten Morgen" Floskel passierte zwischen ihnen beiden nicht. Nach den einzelnen Szenen war keine Zeit zu quatschen und selbst da redete sie so gut wie nichts mit ihm. Er fasste sich ein Herz, ging zu ihr und sprach sie an: „Hallo Anna, Sie sind ja neu in der Crew. Darf ich fragen, woher Sie kommen? Denn man kann einen leichten Akzent beim Sprechen hören."
„Ich komme aus Österreich und wohne in Wien", antwortete Anna, mehr wollte sie eigentlich nicht zu ihm sagen.
Alan war etwas verblüfft, normalerweise wurde er immer ausgefragt, doch Anna redete von selbst sehr wenig, also fragte er unbeirrt weiter. „Das ist ja interessant. Wie kommt man bitte von Wien nach London?", wollte Alan als Nächstes wissen.
„Mit dem Flugzeug", antwortete Anna trocken.
Nun fing Alan herzhaft zu lachen an. Gleich mehrere Leute drehten sich deshalb zu ihnen um.
„Also eines muss man Ihnen lassen Anna! Sie sind sehr schlagfertig, aber Sie wissen bestimmt, wie ich es eigentlich gemeint hatte", sprach er grinsend und fuhr sich durch die Haare.
„Natürlich weiß ich was Sie meinten Mister Rickman. Die Agentur, in der ich beschäftigt bin, bekam dieser Auftrag und ich nahm die Herausforderung an", sagte sie noch schnell und wand sich bereits von ihm ab.
Kaum läutete die Glocke das Ende der Pause ein, lief Anna schnell weg. Sie wollte nur noch fort von ihm. Seine Gegenwart und die Aufmerksamkeit, die er mit sich brachte, war ihr einfach zu viel geworden.
Alan sah ihr erstaunt hinterher. Anna hatte es scheinbar eilig von ihm wegzukommen. War er denn so unerträglich für sie? Grübelnd begab auch er sich wieder auf seinen vorgesehenen Arbeitsplatz. Heute war er nur als Zuschauer hier um dem Regisseur über die Schulter zu schauen.
Anna spürte noch immer die Hitze in ihrem Kopf. Man, war das vielleicht peinlich gewesen! Jeder hatte in ihre Richtung gegafft, als Alan so laut gelacht hatte. Sie wollte doch keine unnötige Aufmerksamkeit! Wieso interessierte ihn das überhaupt, fragte sie sich. Wahrscheinlich wollte er nur höflich zu ihr sein, da sie sich doch recht oft über den Weg liefen.
Doch Alan ließ nicht locker. Annas verschlossene Art reizte ihn auf eine komische Art und Weise, die er bis jetzt noch nie erlebt hatte. Ein paar Tage später, in einer Pause, hatte er vor sie wieder anzusprechen. Er hatte eine gute Beobachtungsgabe und wusste genau, dass sie ihren Kaffee schwarz und zuckerfrei trank.
Deshalb nutzte Alan die Gelegenheit und nahm für Anna einfach einen Kaffee mit. Da sie in der Nähe stand, ging er auf sie zu und hielt ihr einfach die dampfende Tasse unter ihre Nase.
„Was waren Ihre bisherigen Aufgaben, als Sie noch in Wien beruflich tätig waren?", sprach er sie schnell an, damit sie ihm nicht wieder entwischen konnte. Er blickte sie neugierig an und hoffte, mit ihr etwas reden zu können.
Anna nahm den Kaffee entgegen und antwortete etwas zögerlich: „Im Prinzip fast die selben Aufgaben wie hier, nur im kleineren Rahmen. Für Serien und gelegentlich auch für Veranstaltungen oder tageweise für Werbungen."
Und wieder schlief das Gespräch ein.
Das gibt es doch wirklich nicht, dachte sich Alan. So eine harte Nuss hatte er noch nie zu knacken gehabt und doch war es nicht unangenehm, mit ihr zu reden. Um die Konversation weiter in Gang zu halten entschied er sich deshalb etwas von sich und seinen Projekten zu erzählen.
Anna lauschte gespannt Alans Erzählungen, das gefiel ihr viel besser, denn sie hörte lieber zu.
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