11. Kapitel
Gut gelaunt wachte Lillith auf. Tara rief ihr spöttisch von der anderen Zimmerseite her zu: „Na, schon über deine sogenannten Freunde hinweg? Kann ich verstehen, so toll sind sie ja nun auch wieder nicht!" Tara und die anderen Mädchen aus Lilliths Zimmer brachen in schallendes Gelächter aus. Da kehrte die Erinnerung an den vergangenen Tag zurück. Gwen. Wie sie und Milo Gwen gerettet hatten. Wie sie ihren Freunden gebeichtet hatte, was sie in den Weihnachtsferien wirklich gemacht hatte. Schlagartig war ihre gute Laune auch schon wieder verraucht. Stöhnend ließ Lillith sich zurück in ihr Kissen sinken. Und sie hatte gehofft, alles sei nur ein böser Traum gewesen! Und wenn das hier ein Traum war? Wenn sie träumte, das alles geträumt zu haben, oder eben wirklich erlebt zu haben? Lillith zwickte sich in den Arm. Autsch. Definitiv kein Traum. Träume taten nicht weh. Na, das würde ja ein lustiger Tag werden, dachte Lillith ironisch. Dann machte sie sich auf den Weg zum Frühstück. Als Lillith den Speisesaal betrat, warfen ihr Liam und Kathy, die an ihrem gewohnten Tisch saßen, böse Blicke zu. Sie sah sich um und ihr Blick blieb kurz an Milo hängen, der ihrem Blick jedoch auswich. Lillith drehte sich auf dem Absatz um und marschierte los. Sie hatte keine Ahnung, was als erstes auf dem Stundenplan stand und so zog sie Ole zu Rate. Da er ein bestens informierter Stundenplan war, war er natürlich längst über alles im Bilde. Er teilte ihr auch gleich mit, dass sie jetzt Superkraftförderung Feuer hätte, bei Dominus Sven. Lilliths Laune sank, sofern dieser noch nicht erreicht war, auf den Tiefpunkt. Ausgerechnet Dominus Sven! Sie hasste ihn über alles! Das Gute war, Liam und Kathy besaßen diese Superkraft nicht, deshalb hatten sie dieses Fach nicht. Milo und die anderen Elementarier hingegen schon. Ole verkündete halb im Scherz, dass sie den anderen Elementariern dann wenigstens Feuer unterm Hintern machen könnte, aber Lillith fuhr ihn an, er solle die Klappe halten. Ole verstummte und sagte den ganzen Weg über kein Wort mehr. Na super. Noch einen Freund, den sie vergrault hatte. Aber sie war einfach so unheimlich wütend und dementsprechend sehr leicht zu reizen. Wie zu erwarten gewesen verspotteten Nolan und seine Bande Lillith, wo sie nur konnten. Und Dominus Sven, der an diesem Tag besonders schlecht gelaunt zu sein schien, fuhr jeden an, der auch nur mit der Wimper zuckte. Er beschwerte sich wegen jeder noch so kleinen Kleinigkeit. Und um noch eines drauf zu setzten, hatten sie auch noch eine Doppelstunde. So stellte sich Lillith die Hölle vor. Genug Feuer gab es ja...
Auf dem Weg zur Mittagspause lief Lillith Kathy und Liam über den Weg. Fest entschlossen, sie zur Rede zu stellen, ging sie auf die Beiden zu. Doch die ignorierten sie einfach. Als Lillith ihnen den Weg verstellte und sie fragte, was denn los sei, erwiderten sie nur, dass Lillith sie angelogen hätte und dass Freunde so etwas nicht taten. Sie wollten schon einfach weiter gehen, aber das ging zu weit! Zornig rief Lillith: „Ich hatte es versprochen, klar?! Und ich breche meine Versprechen nicht! Außerdem muss ich euch definitiv gar nichts sagen, denn wisst ihr was? Wahre Freunde würden verstehen, warum ich ihnen nicht alles gesagt habe!" Ihre Augen funkelten zornig. Liam erwiderte ruhig: „Willst du damit sagen, wir wären schlechte Freunde?!" Er hatte leise gesprochen, doch die Wut war aus seiner Stimme sehr gut herauszuhören. Kathy funkelte Lillith an: „Du hast die ganzen Semesterferien mit mir verbracht, du hättest es mir jederzeit sagen können. Aber scheinbar vertraust du mir nicht. Also, warum sollten wir dir vertrauen?" Lillith war sprachlos. Ihre ehemals besten Freunde wandten sich um und machten Anstalten zu gehen, aber nun sah Lillith rot. Wie konnten sie nur! Sie rief ihnen hinterher: „Habt ihr mir überhaupt zugehört?! Habt ihr überhaupt versucht, mich zu verstehen?! Denn das wäre eure Aufgabe als meine Freunde gewesen!" Sie kochte vor Zorn, doch was sollte sie noch sagen? Sie wollte, nein, sie konnte nicht glauben, wie sich ihre Freunde verhielten. Doch die schauten sich nicht einmal mehr um, sondern gingen einfach zum Mittagessen. Lillith sackte in sich zusammen und lief, ohne darüber nachzudenken wohin, zum Stall. Dort stürzte sie auf Gwen zu, schlang ihre Arme um ihren massigen Körper und begann zu weinen. Als sie sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, saß sie einfach nur da. Sie hatte keinen Hunger mehr, vielleicht sollte sie einfach mit Gwen abhauen. Wen würde es schon kümmern? Milo. Ihr würde es kümmern. Aber nicht wegen ihr, sondern wegen Gwen. Und wenn sie alleine abhaute? Sie würde nicht weit kommen. Plötzlich hörte sie hinter sich das Geräusch von sich schließender Stalltüren. Als sie aufblickte sah sie, dass die Käfigtüre, durch die sie zuvor zu Gwen gekommen war, geschlossen war. Der Schlüssel hing wieder an seinem Haken, also unerreichbar, und sie konnte Nolan und Tara lachen hören, während sie davonliefen. Vermutlich hätte Lillith den Schlüssel mittels Telekinese zu sich holen können, aber sie kümmerte sich gar nicht erst darum. Mittlerweile war es Abend geworden. Zeit zum Schlafen. Lillith blickte sich um. Eigentlich war Gwens Käfig, der einfach riesig war, eher schon ein Gehege, richtig gemütlich. Lillith gähnte. Dann legte sie sich neben Gwen und sobald sie die Augen geschlossen hatte, war sie auch schon eingeschlafen.
Als Lillith erwachte, wusste sie erst gar nicht wo sie war, doch da stupste Gwen sie auch schon vergnügt an. Lillith rief den Schlüssel mithilfe ihrer Superkräfte zu sich und verließ den Käfig. Sie verabschiedete sich von Gwen und machte sich auf den Weg zur Schule. Sie war früher ohne Freunde ausgekommen und würde es auch jetzt tun. Sie war stark. Sie würde das schaffen. Mit diesem Vorsatz im Kopf machte Lillith sich auf den Weg in ihr Zimmer. Sie zog sich um und holte ihre Tasche. Dann ging sie zum Frühstück. Glücklicherweise war fast niemand mehr da und so konnte sie sich in Ruhe den Bauch vollschlagen. Wenn sie in den folgenden Tagen auf Kathy oder Liam traf, sahen diese kurz hoffnungsvoll in Lilliths Richtung und dann ganz schnell wieder weg. Lillith machte es ihnen nach. Mit Milo war es ähnlich und die anderen aus Nolans Bande verspotteten sie, wo sie nur konnten. Es war keine leichte Zeit für Lillith, doch zumindest zu Gwen und Ricky konnte sie jederzeit gehen. Außerdem hatte sie sich wieder mit Ole vertragen, nachdem er über eine Woche lang nicht mehr als das Nötigste gesagt hatte. Mittlerweile war es schon fast Ostern und Lillith hoffte auf ein Wunder. So gut sie auch früher ohne Freunde ausgekommen war, jetzt, da sie wusste, wie toll es mit Freunden war, wollte sie einfach nicht mehr darauf verzichten. Fast wünschte sie sich, sie hätte sie nie kennen gelernt. Dann würde sie sie jetzt wenigstens nicht vermissen. Milo hatte jedenfalls weniger Schwierigkeiten, fast sofort wurde ihm verziehen. Alle anderen Schüler freuten sich schon wie verrückt, denn morgen würde das alljährige Ostereiersuchen stattfinden. Zu diesem Zweck bemalte jeder Schüler ein oder mehrere Eier, in die ein Zettel mit einer Botschaft kam. Die Eier waren für eine bestimmte Person gedacht und diese Person musste das Osterei dann finden. Eigentlich eine sehr nette Geste, aber Lillith war überzeugt, dass sie leer ausgehen würde. Nichtsdestotrotz bemalte sie selbst drei Eier, eines für Kathy, eines für Liam und eines für Milo. Sie gab sich wirklich Mühe, hoffentlich reichte es.
Dann war der große Tag gekommen und die Schüler machten sich auf die Suche. Überall auf dem Gelände konnte ein Ei für einen versteckt sein, wobei es auch Hinweise und Spuren gab und von außen zu erkennen war, für wen das Ei bestimmt war. Natürlich durften Superkräfte verwendet werden, ansonsten hätte es wohl tagelang gedauert, bis alle ihr Ei gefunden hatten. Obwohl Lillith nicht wirklich damit gerechnet hatte, fand sie bald ein Ei mit ihrem Namen darauf. Es war wunderschön blau mit weißen Punkten darauf. Es sollte wohl den Sternenhimmel darstellen. Als Lillith es in die Hand nahm, materialisierte sich ein Zettel. Lillith las ihn durch und mit jedem Wort wurde ihr Lächeln breiter. Liam hatte geschrieben: „Liebe Lillith, ich weiß, dass ich unfair war, aber ich war einfach wütend. Es tut mir schrecklich leid und bei genauerem Nachdenken verstehe ich, warum du so gehandelt hast. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen, denn ich würde sehr gerne wieder mit dir befreundet sein! (Ich bin sicher, Kathy geht es genauso.) Frohe Ostern, Liam!" Kurz darauf entdeckte sie ein Ei, dass wohl einen Sonnenuntergang nachstellen sollte. Auch Kathy tat es leid und sie bat um Verzeihung. Glücklich flüsterte Lillith: „Natürlich verzeihe ich euch, das habe ich doch schon längst!" Und genau das würden die Beiden auch wissen, wenn sie die Eier fanden, die Lillith für sie gemacht hatte. Nach einer Weile entdeckte sie auch noch ein drittes Ei. Es hatte einen grünen Hintergrund und zeigte eine wunderschöne Abbildung von Gwen. Schon bevor sie den Zettel gelesen hatte wusste sie, dass es von Milo war. Er entschuldigte sich für die Unannehmlichkeiten und wünschte frohe Ostern. Lillith war überglücklich, da war es also, ihr Osterwunder! Nach der Eiersuche fielen sich Lillith, Kathy und Liam in die Arme und Milo lächelte ihr schief zu. Als es Zeit fürs Abendessen war, zu dem der Speisesaal österlich geschmückt worden war, saß Lillith wieder mit Kathy und Liam an einem Tisch. Die drei lachten und quatschten wie zuvor. Es war einfach toll. Ja, dachte Lillith, Freunde waren einfach großartig und sie fragte sich, wie sie die letzten Wochen und die Jahre zuvor nur ohne ausgekommen war. Und ihre waren ja wirklich die perfekten Freunde. Was wollte man schon mehr? Mit vollem Magen und überglücklich schlief Lillith ein. Was für ein Osterfest...
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