Kapitel 97
Kapitel 97
Die nächsten Tage verbrachten beide in einem recht regelmäßigen Rhythmus. Aufstehen, Tabletten nehmen und essen und dann widmeten sie sich den Übungen, während sie immer wieder kleine Pausen machten. Saori ging Schwimmen, während Aaron ihr Anweisungen gab, was sie tun sollte.
Jeden Abend spürte die Dämonin den Muskelkater und war froh darüber, dass Aaron die Geduld aufbrachte, sie in den Schlaf zu massieren. Er war ein wirklich geduldiger Lehrer und immer noch so sanft, aber dennoch bestimmend und auch fordernd.
Sie hatte das Gefühl endlich einmal Fortschritte zu machen.
Ihr Körper gewann ein bisschen an Stärke, sodass es ihr nicht mehr so schwer fiel, die Flügel zu tragen. Den ersten, richtigen Fortschritt bemerkte sie, als sie in der Lage war, ihre Flügel ohne Hilfe ganz auszubreiten. Das brachte sie zum Strahlen, als sie sich damit im Spiegel sah.
Jeden Morgen hatte sie es versucht und dabei festgestellt, dass es besser wurde, je länger sie übten.
Dadurch, dass Aaron ständig bei ihr war und nicht zu seiner Hauptinsel gehen musste, machte sie viel bessere Fortschritte als davor. Raffael schien wirklich ein guter Angestellter zu sein, auf den man sich verlassen konnte.
Nach einigen Tagen wachte Saori morgens auf und spürte die Nervosität, die sich in ihr immer öfters ausbreitete und für ein Kribbeln sorgte. Aaron hatte gemeint, dass sie bald wieder zusammen fliegen würden und Saori hatte das Gefühl, dass es da zu dem entscheidenden Punkt kommen würde: Konnte sie allein fliegen oder nicht?
Aaron hatte es zwar nicht wörtlich gesagt, doch mittlerweile kannte sie ihn besser und ging davon aus, dass er etwas vorhatte.
Am Morgen war er bereits wach, als sie wach wurde. Er hatte ihr das Essen ans Bett gebracht und streichelte sie sanft. "Bereit für einen kleinen Flug?", fragte er neckend.
Sie hatte gar nicht bemerkt, dass er aufgestanden war. Lächelnd nickte sie, fragte ihn jedoch neckend, ob er vor oder nach dem Essen den Flug geplant hatte. Genüsslich streckte sie sich erst einmal ausgiebig, wobei sie mittlerweile ihre Flügel mit ausbreiten und strecken konnte. Durch das Essen und Ikaias Pulver hatte sie wohl ein wenig zugelegt. Das merkte sie, dass einige Kleider nicht mehr ganz so gut saßen.
"Nach dem essen und einem kleinen Spaziergang", erklärte ihr Aaron. Er wollte immerhin nicht, dass sie sich übergab.
"Und Ihr seid der Meinung, dass ich jetzt etwas herunterbringen kann?", neckte sie ihn. Die Nervosität war sicherlich für ihn spürbar. So wie sie Aaron kannte, wollte er sicherlich, dass sie etwas aß. Und wenn es nur etwas Kleines war.
"Die Tabletten und das Pulver wäre sehr gut", sagte er und streichelte sie, bevor er ihr Ohr küsste.
Quietschend zog sie ihren Kopf von ihm weg. Es kitzelte jedes Mal, wenn er so sanft war. Aber es erregte sie auch, was in diesem Moment auf keinen Fall notwendig und vom Nutzen war.
Den Gefallen, das widerliche Getränk und die Tablette zu nehmen, tat sie. Essen konnte sie später auch noch.
Aaron musste über ihre Reaktion schmunzeln und wartete geduldig, bis sie gegessen hatte. "Bist du bereit für einen kleinen Flug?", fragte er.
Auf die Frage hin nickte sie und spülte ihr Glas zuerst aus, bevor sie es trocknete. Die Schmetterlinge in ihrem Bauch tanzten einen Tango, so aufgeregt war sie. Es war schon immer ihr Wunsch gewesen, fliegen zu können. Was, wenn sie es selbst jetzt nicht konnte? Waren dann alle Übungen umsonst gewesen?
Aaron wartete auf den Balkon auf sie und hatte die Arme ausgebreitet, damit er sie in den Arm nehmen konnte. Selbst jetzt würde sie noch nicht in der Lage sein, einen Senkrechtstart hinzulegen. Das beanspruchte die Muskeln viel mehr.
Vielleicht würde das mit der Zeit kommen, die sie hier verbrachte und Übungen machte. Erst einmal war es wichtig zu testen, ob sie wirklich fliegen konnte.
Saori trat zu ihm und legte ihre Arme um den Nacken des Engels, dem sie noch einen kurzen Kuss auf die Wange drückte, bevor sie ihm zunickte.
Dann faltete sie ihre Flügel zusammen, damit diese Aaron nicht störten. Kurz darauf erhob sich der Engel mit mehreren Flügelschlägen in den Himmel und stieg immer weiter auf.
Die samtigen, schwarzen Flügel der Dämonin machten ebenfalls leichte Bewegungen, um zu testen, ob sie die so bewegen konnte. Ihre Augen waren begeistert, denn bis dahin hatte sie es nicht geschafft, ihre Flügel im Flug leicht zu bewegen. Es war nur für sie, um zu testen. In der letzten Zeit hatte sie ein besseres Gefühl dafür bekommen und war stolz darauf.
Dann schwebte Aaron plötzlich nur noch. "Breite die Flügel aus", bat er sie leise.
Sichtlich nervös breitete sie diese aus, wie sie es von ihm gelernt hatte. Das Zögern war deutlich zu spüren. Schließlich erfasste der Wind ihre Flügel leicht und ließen sie sogar vibrieren.
Aaron beobachtete sie einen kurzen Moment, bevor er sie sanft von sich löste und etwas von sich weg hielt. Noch stützte er sie, so dass sie sich an das Gefühl gewöhnen konnte.
Ihre Finger griffen sich jedoch fest in seine Tunika, als hätte sie Angst, loszulassen. Dabei spürte sie den Auftrieb, den der Wind ihr gab, solange ihre Flügel ausgebreitet waren.
Es brauchte einige Sekunden, bis sich ihre Finger wieder lockerten. Angst zu haben, war normal. Aber Aaron war im Notfall da und würde sie fangen.
Vorsichtig begann die Dämonin, ihre Flügel wieder zu bewegen und sie stellte fest, dass es sich anders anfühlte als sie erwartet hatte. Nicht schlecht, sondern befreiend.
"Ich bin da", versprach er ihr und dann warf er sie in die Luft und ein Stück von sich weg.
Erschrocken schrie sie auf und sah, wie er sich durch den Wurf von ihr entfernte. Allerdings kam es ihr nicht so schnell vor. Eher, als würde alles in Zeitlupe ablaufen. Saori fiel in die Tiefe, wobei sie einen Arm nach ihm ausgestreckt hatte, als würde sie ihn fassen wollen. Dabei sah sie Aaron, der immer kleiner wurde, je mehr sie fiel, an.
Anstatt wie sonst in Panik zu verfallen, vertraute sie einfach darauf und begann, so kräftig sie konnte, ihre Flügel schlagen zu lassen. Angestrengt ließ sie die Flügel so gleichmäßig wie sie nur konnte, die Bewegungen ausführen, die sie gelernt hatte.
Dabei fiel sie immer weiter und weiter, doch es wurde langsamer und schließlich spürte sie sogar, wie sie stieg. Ihre Muskeln schmerzten und sie spürte, wie viel Kraft es sie kostete. Dann kam ein Wind, der sie unterstützte und instinktiv hielt sie die Flügel offen und ließ sich tragen.
Der Auftrieb sorgte dafür, dass sie sich kurz entspannen konnte. Sanft wehten die weichen, schwarzen Flügel mit dem Wind und erst nach einigen Augenblicken begriff sie, dass sie tatsächlich nicht mehr fiel, sondern leicht nach oben trug. Ein Strahlen, welches man noch nie zuvor auf ihrem Gesicht gesehen hatte, war zu sehen. Mit leichten Flügelbewegungen schaffte sie es sogar, sich leicht zu drehen.
Aaron hatte sich in dieser Zeit zu ihr fallen lassen, damit er in ihrer Nähe blieb. Er war jedoch weit genug weg, damit er sie nicht behinderte, während sie entdeckte, was sie alles tun konnte.
Egal wie sehr die Muskeln brannten, es war wie eine Droge, die Saori immer weiter anfachte. Immer wieder schlug sie mit den Flügeln, sodass sie nach oben stieg und öffnete sie dann, um sich treiben zu lassen. Freiheit ... ein Wort, welches sie davor nicht gekannt hatte. Eines, welches sie geglaubt hatte, niemals fühlen zu dürfen. Auch wenn sie auf Aarons Insel frei war, fliegen zu können war die größte Freiheit, die sie nun kannte.
Überglücklich, dass sich das harte Training ausgezahlt hatte, drehte sie zu Aaron ab, als sie ihn in etwas Entfernung sah. Sobald sie ihn erreicht hatte, nahm sie ihn bei der Hand und lächelte glücklich.
"Endlich geht einer meiner Wünsche in Erfüllung ... mit Euch Seite an Seite fliegen zu können", sagte sie rau. Tränen der Freude hatten sich in ihren Augen gebildet, die sie schimmern ließ. "Endlich fliegen können ..."
Aaron strahlte sie an, weil ihre Freude ansteckend war und dann schwebten die beiden Hand in Hand über den Himmel.
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Das war Band 4 von Aingeru Aroha. Wir hoffen, es hat euch gefallen und würden uns freuen, wenn ihr auch in Band 5 dabei sein werdet und Aaron und Saori auf ihrer Reise begleitet!
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