The Last
Als Min Yoongi nach einem langen Spaziergang wieder sein Elternhaus betrat, war das Erste, was er bemerkte, der penetrante Geruch von Alkohol, der in der Luft lag.
„Mama? Bist du da?" Er streifte sich vorsichtig seine Schuhe von den Füßen und lief leise in den Flur hinein. Irgendetwas war komisch heute.
Er blickte ins Wohnzimmer, musterte die Couch, auf der seine Mutter um die Zeit normalerweise immer fernsah. „Mama?" Yoongi warf einen Blick in die Küche, doch auch dort fand er seine Mutter nicht. Nun waren nur noch zwei Räume übrig, in denen sie sein konnte, wenn man das Bad mal ausließ.
Also schritt Yoongi vorsichtig die hölzerne Treppe hinauf und bei jedem Schritt, den er machte, hallte das Knarzen des Holzes unnatürlich laut wieder.
Als er oben angekommen war, wusste er sofort, was falsch war. Denn die Tür zu seinem Zimmer stand sperrangelweit offen und seine Mutter saß ausdruckslos ins Nichts starrend auf dem Bett ihres Sohnes.
„Mama? Was machst du da?" Yoongi trat in vorsichtig in sein Zimmer.
Erst jetzt bemerkte er, dass die Schubladen seines Schreibtisches offen und darin herumgewühlt worden war. „Was ist den hier passiert? Hast du was gesucht?" Seine Stimme war ruhig, aber innerlich begann er Angst zu bekommen. Hoffentlich hatte seine Mutter bei ihrer Suche, – was auch immer sie gesucht hatte – nicht seine Zigaretten und Drogen entdeckt, wenn ja, dann war er so gut wie tot.
„Mama? Was ist denn?" Er berührte sie leicht am Arm und bemerkte erst jetzt, dass ihr ein paar Tränen die Wangen herunterrannen. „Mama! Jetzt sag schon, was ist los?", wollte Yoongi nun etwas ungeduldiger wissen, doch sie schüttelte nur den Kopf und vergrub diesen drauf in ihren Händen. „Nichts Yoongi, ich realisiere nur gerade, wie sehr ich bei deiner Erziehung versagt habe."
Der 17-Jährige blickte sich um und nun erkannte er mit Schrecken, was seine Mutter gefunden hatte. Drei Tütchen lagen auf seinem Schreibtisch. Tütchen, die Yoongi ziemlich bekannt vorkamen, eine von diesen beinhaltete ein weißes Pulver, die andern beiden jeweils zwei bunte Pillen.
„Seit wann nimmst du das Zeug, Yoongi?" Seine Mutter hob den Kopf und sah ihn mit einer Mischung aus Wut und Enttäuschung an. Yoongi antwortete nicht, sondern starrte nur auf die drei Tütchen. „Wo verdammt nochmal hast du das her?", sie stand auf und erst jetzt konnte Yoongi die rot unterlaufenen Augen seiner Mutter erkennen. „Wo hast du das her?", schrie sie noch einmal, wie als hätte ihr Sohn sie nicht gehört. Nun hob der Schwarzhaarige trotzig den Kopf. „Seulgi hat es mir besorgt", erklärte er ruhig und wahrheitsgemäß. Seine Mutter lachte zynisch auf. „Du hängst immer noch mit diesem Mädchen rum, du weißt, dass sie nicht gut für dich ist." Der Schwarzhaarige seufzte, erhob sich und nickte dann. „Ja, ich hänge noch mit ihr rum."
„Und warum? Ich habe dir so oft gesagt, dass du es lassen sollst!", erwiderte seine Mutter immer noch schreiend.
„Weil ich sonst niemanden habe, Mama. Ich bin sonst verdammt alleine!" Nun wurde Yoongis Stimme auch lauter.
Es war still, bevor sie wider zu einer Antwort ansetzte, ihre Stimme war nun ruhiger. „Du hast mich, Yoongi. Warum bist du damit nicht zu mir gekommen?" Nun war es an dem 17-Jährigen zynisch aufzulachen.
„Erzähl keinen Bullshit. Ich habe niemandem, noch nicht mal dich. Und soll ich dir auch sagen warum?" Er legte eine kurze Pause ein und sah seiner Mutter fest in die roten Augen. „Weil du den Alkohol hast. Ich" er deutete mit seinem schmalen Zeigefinger auf sich „bin dir so egal, wie Papa. Du hast mich in den letzten Monaten kein einziges Mal gefragt, wie es mir geht und ob alles okay in der Schule ist. Das einzige, was du tust, ist fernsehen, trinken und, wenn du mal einen guten Tag hast, zur Arbeit gehen! Und du wunderst dich, dass ich Drogen nehme und spraye, das ist doch..." Plötzlich durchfuhr ein stechender Schmerz Yoongis Körper. Er begann in seiner Wange und breitete sich dann langsam in seinem Brustkorb und seinem restlichen Körper aus. Wie verschüttetes Wasser floss er in jede noch so kleine Ritze und verweilte dort. Aber es war nicht der physische Schmerz, der dem Teenager so sehr wehtat, der war im Gegensatz zu dem psychischen Schmerz nichts, als er realisierte, dass seine Mutter ihn gerade ohne zu zögern geschlagen hatten. In dieser Sekunde war das Bild der liebevollen und perfekten Mutter, die sie mal gewesen war komplett zerstört. Ihre Hand hatte als Abrissbirne gedient, die durch die Mauern der eigenen Wohnung brach und sie zertrümmerte, solange bis nur noch einzelne Steine übrig waren.
Er hob den Kopf, Tränen flossen seine Wange herunter und tropften auf den Boden. Doch seine Mutter sah ihn nur an, in ihren Augen lag keine Reue, noch nicht Mal Zufriedenheit oder etwas dergleichen konnte darin erkennen.
Sie waren nur kalt und ausdruckslos.
„Du hast gerade einen bösen Fehler gemacht", flüsterte er erstickt, bevor er herumwirbelte, sich mit einem Griff seine Sporttasche griff, die drei Tütchen einsteckte und aus seinem Zimmer hechtete. „Min Yoongi!", hörte er seine Mutter durch das heruntergekommene Haus brüllen. „Wir sind noch nicht fertig, komm zurück." Doch er ignorierte ihre Aufforderung, schlüpfte blind vor Wut und Enttäuschung in seine Schuhe, griff sich seine Jacke und trat kurz darauf auf die Straße.
Die kalte Nachtluft erschlug ihn fast und er sog erschreckt die Luft ein, als sein aufgrund des Streits erhitzter Körper mit einem Mal völlig kalt wurde.
Doch leider vertrieb die Nachtluft weder Wut, noch Enttäuschung. Und so rannte Yoongi los, mit einem klaren Ziel vor Augen: Hoseok.
Er würde beim Training sein, er würde seine verletzte Seele mit seinen Worten heilen, er würde Yoongi weinen lassen, ohne ihn als schwach abzustempeln. Er würde von ihm akzeptiert werden.
Während Yoongi so blind vor Tränen durch die Straßen lief, dachte er nur an den Rothaarigen, nur an dessen Lächeln und an dessen Worte, die er gleich zu hören bekommen würde, schöne Worte würden es sein.
Doch als er an dem Tanzstudio ankam, das die letzten Tage zu einem sicheren Zufluchtsort für den 17-Jährigen geworden war, war alles dunkel und verlassen. Er trat an die Tür, zog an dem Griff, in der naiven Hoffnung sie würde doch offen sein, doch er wurde enttäuscht. Wieder rüttelte er an der Tür, nun fester. „Hoseok!", schrie er dabei verzweifelt und die Tränen rannen ihm wieder die Wangen herunter. Wie konnte es sein, dass Hoseok nicht hier war? Hatte er ihn etwas vergessen? Er hatte ihm gesagt, dass er hier sein würde, aber warum war er es dann nicht? „Hoseok!", schrie er wieder. „Hoseok, ich brauche dich." Nun war sein Hilfeschrei nur noch ein Schluchzen und er sank langsam an der Tür herunter auf den Boden. Dicke Tränen tropften auf den Boden und der Schmerz in Yoongis Brust war kaum auszuhalten. Warum war das Leben so gemein zu ihm? Was zu Hölle hatte er getan, dass er das hier verdiente? Was verdammt nochmal hatte er falsch gemacht?
So saß er ein paar Minuten vor der Tür, sich fragend was er denn jetzt tun sollte. Nach Hause konnte er auf gar keinen Fall. Er blickte neben sich und erinnerte sich dann daran, dass er ja seine Sprühdosen mitgenommen hatte. Mit dem nächsten Gedanken war klar was Yoongi tun würde und so erhob er sich keine Minute später und machte sich auf den Weg in den Park, in dem er das letzte Mal auch mit Seulgi sprayen gewesen war.
Der Teenager sprayte die schwarze Farbe mit einer selten da gewesenen Genugtuung auf die Hausmauer und beobachtete fasziniert wie er damit eine Figur auf der Mauer platzierte. Er wusste genau, was er sprayen würde. So begann er bei den Beinen der Comic-Figur oder besser dem einem Bein, denn das andere war nicht mehr vorhanden. Das andere wiederum war vernarbt und verschrammt, fast so als hätte das Mädchen, das Yoongi gerade erschuf, sich die Verletzungen selbst zugefügt. Auch ihre Kleidung war nicht weniger kaputt und an manchen Stellen konnte man Blut erkennen, dass ihren Körper herunterlief.
Sie war verletzt, genau so wie es Yoongi war. Auch fühlte er sich so durchsichtig und so konnte man unter ihrer Haut ebenfalls ihre Organe sehen. Mit einem Unterschied zu dem menschlichen Körper; ihr Herz fehlte. An dessen Stelle stand ein schwarzes Loch, dass sich in ihrem Körper zu verlieren schien, und all die guten Dinge verschluckte und zerstörte, wie weise gewählte Worte, Worte, die Schaden anrichten wollten.
Er war gerade mit ihren langen grünen Haaren fertig, welche ihr Gesicht verdeckten und somit einen schützenden Vorhang vor dem einzigen Körperteil bildeten, dass richtige Emotionen zeigen konnte, da spürte, er, wie plötzlich jemandem hinter ihn trat. Dieser jemand richtete eine Taschenlampe auf sein Graffito, bevor er seine kräftige Stimme durch die Luft schallen ließ.
„Was denkst du, was du da tust?" Der 17-Jährige ließ seinen Arm sinken, mit dem er die Sprühdose hielt und drehte sich ganz langsam um.
Das Licht der Taschenlampe blendete ihn, weshalb er zuerst nicht erkennen konnte, wer vor ihm stand. Aber als der Lichtkegel aufhörte ihm direkt in seine Augen zu stechen und Yoongi wieder ein wenig sehen konnte, gefror ihm augenblicklich das Blut in den Adern.
Vor ihm stand ein uniformierter Mann, ein Bulle, wie Seulgi ihn wohl genannt hätte.
Und er sah nicht gerade erfreut aus.
Shit.
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