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Taehyung Pov
Ich kippe die heiße Milch, die ich gerade in einem Topf auf dem Herd zum Kochen gebracht habe, in den bereit gestellten Becher und werfe einen kurzen Blick auf Jungkook, der nervös im Wohnzimmer hin und her läuft während er mit seiner Mutter telefoniert.
Er hat sich heute frei genommen und ist nur telefonisch in Notfällen zu erreichen, allerdings handelt es sich bei diesem Anruf scheinbar um keinen solchen, denn Jungkook scheint weder aufgewühlt noch hat er Angst, ganz im Gegenteil. Es ist, als würde das Gespräch mit seiner Mutter ihn glücklich machen, auch wenn seine Stimme hin und wieder in dem Versuch mich nicht mithören zu lassen leiser wird.
Es ist unglaublich, wie alleine die Tatsache ihn ansehen zu dürfen mich glücklicher macht, als es sonst irgendetwas die letzten 124 Jahre getan hat, aber jedes Mal, wenn ich mich selber dabei erwische wie ich das Gefühl verspüre, das Menschen wohl Liebe nennen würden, muss ich an die Erinnerungen denken, die letzte Nacht plötzlich wieder zurück gekehrt sind.
Es fällt mir immer noch schwer zu glaube, dass das, was ich gesehen habe, tatsächlich passiert ist und nicht ein bloßer Traum war, aber mit jeder Sekunde, die vergeht, erinnere ich mich an mehr Details. Ich erinnere mich genauer an Jimins Gesicht, an das Gefühl der Sonne auf meiner Haut, dem Geschmack der Tränen und dem Geruch von Blut als wir den beiden Menschen näher gekommen sind. Es ist alles so detailliert, dass es kein Traum sein kann.
Ich nehme den Becher mit der Milch in die Hand und führe ihn an meine Lippen um mich wieder davon abzulenken. Es ist das erste Mal, dass eine Erinnerung mich so sehr belastet, das ich davon nicht mehr los komme, aber noch schlimmer als das ist die Tatsache, dass ich nicht mit Jungkook darüber reden kann, aus mehreren Gründen.
Zum einen, weil ich befürchte das es die Götter erzürnen könnte. Jungkook soll sterben und bevor ich heraus finde auf welche Weise das geschehen soll und wie ich das verhindern kann, muss ich sie glauben lassen, ich mache meinen Job. Der andere Grund dafür ist, dass die meisten Menschen, so Facettenreich sie auch sein mögen, nur das glauben, woran sie glauben wollen. Obwohl auch sie an Götter verschiedenster Art glauben, würde Jungkook mich mit höchster Wahrscheinlichkeit für einen verrückten halten.
Wie soll man jemandem verständlich machen, dass er bald sterben soll und das man als Richter geschickt wurde um darüber zu entscheiden, ob er ins Nichts geschickt wird oder die Wiedergeburt verdient hat. Ich möchte es ihm erzählen, denn es fühlt sich an als würde ich jede Sekunde, die ich mit ihm verbringe, eine Lüge leben, aber ich kann es ihm nicht erklären, nicht wenn ich selber noch gar nicht weiß was das alles zu bedeuten hat.
„Taehyung."
Ich reiße die Augen auf und setze den Becher mit der Milch, den ich während des Nachdenkens unbemerkt fast ausgetrunken habe, ab. Jungkook sieht mich nervös an, das Telefon in der einen Hand, die andere über dem Mikrofon. Sein Blick wandert eine Weile durch die Gegend, meiner haftet an ihm und ich bin mir sicher das ich nicht weniger nervös aussehe als er, denn es fühlt sich an als hätte er meine Gedanken mithören können.
Lügen waren nie ein Problem für mich, viel mehr eine Notwendigkeit, denn Menschen brauchen manchmal Lügen um Vertrauen zu können. Mein Name ist Kim Taehyung, das ist die einzige Wahrheit, die jemals jemand über mich gekannt hat und es ist eine Wahrheit, die die Götter für mich kreiert haben. Ich habe keine Eltern, keine Verwandten, keine Bedeutung hinter meinem Namen. Er ist eine Tarnung, nicht mehr als das und es war auch nie ein Problem für mich, bis jetzt, denn jetzt fühlt es sich an als wäre meine Existenz an sich eine Lüge.
Ich verschränke die Arme vor der Brust und versuche mir meine Nervosität nicht zu sehr anmerken zu lassen als er sich direkt vor mich stellt und bittend ansieht. „Du weißt, dass es in letzter Zeit dank dir ziemlich gut mit der Praxis läuft, so gut, dass ich mir einen kurzen Urlaub erlauben könnte."
Erstaunt über das gesagte runzle ich die Stirn. Er hat recht, es läuft unglaublich gut seit wir die Homepage erstellt haben und an sich wäre ein Urlaub auch kein Problem, aber ich hätte nicht gedacht das er das so bald planen würde. Wenn Jungkook arbeitet, arbeitet er unglaublich hart und lässt sich durch nichts ablenken. Die Menschen, die zu ihm kommen sind mehr als Klienten für ihn, er gibt sein bestes um ihnen zu helfen, so wild die Fälle auch sein mögen. Manchmal fürchte ich er könnte in der ganzen Arbeit versinken, aber er schafft es irgendwie die Kontrolle darüber zu behalten, etwas was ich unglaublich bewundere.
„Hast du etwas geplant?", frage ich und versuche die leichte Enttäuschung darüber, dass ein Urlaub auch Abstand zu mir bedeutet, zu verbergen.
Er nickt. „Ich habe meine Mutter seit Jahren nicht mehr gesehen, sie lebt in Busan und ich dachte es wäre schön sie zu besuchen. Mit dir."
Busan, der Ort an dem Jungkook geboren wurde und wo er aufgewachsen ist. Ich habe Glück, dass es nicht etwas außerhalb Koreas ist, aber es ist trotzdem kein Fußmarsch bis dort hin und noch während ich darüber nachdenke, wie ich ihm möglichst unauffällig dorthin folgen kann, dringen seine letzten beiden Worte zu mir durch.
„Mit mir?", frage ich zögernd und erhalte als Antwort ein erneutes nicken.
„Ich glaube sie würde dich mögen."
Sekunden vergehen ohne das ich irgendetwas gescheites heraus bringe, alles was ich tue ist ihn anzustarren. Ich wusste, dass Jungkooks Mutter in Busan lebt, das hat er mir erzählt zusammen mit der Tatsache, dass er sie unglaublich vermisst, aber mir ist nie in den Sinn gekommen das ich sie irgendwann einmal kennen lernen würde. Es ist ein merkwürdiger Gedanke die Frau zu treffen, von der Jungkook redet als wäre sie eine Heldin, die Frau, die mit dafür verantwortlich ist das aus ihm der Mensch geworden ist, der hier vor mir steht.
Überwältigt von den Gefühlen, die sich erneut in mir breit machen nicke ich wild. „Natürlich", flüstere ich leise und nehme sein Gesicht in meine Hände. Ich presse meine Lippen auf seine, ein kurzer Kuss, kaum mehr als ein kleiner Schmatzer, aber als ich mich mit einem breiten Grinsen von ihm löse, ist sein ganzes Gesicht rot angelaufen.
Langsam und mit zitternden Händen führt er das Telefon an sein Ohr und sagt mir leiser Stimme, aber mit einem ebenso breiten Lächeln zu seiner Mutter: „Wir kommen zusammen."
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