Kapitel 12: Ein Eid und ein Date
Ich lehnte mich an Blade und spürte fast sofort das tröstliche Gewicht seines Armes auf meinen Schultern. Ich hatte das Gefühl, als wäre ich eine Ertrinkende und Blade meine einzige Rettung. Anscheinend wurde mir gerade doch alles ein wenig zu viel.
"Vielleicht ist die menschliche Form Lizzys wahre Form", dachte Blade laut nach und sprach weiter, noch bevor Cayt protestieren konnte. "Überleg mal. Wir sind als Götter geboren, aber Lizzy war bis vor kurzem noch ihr ganzes Leben lang ein Mensch. Außerdem unterscheidet sie sich in so vielen Punkten von uns, warum kann das hier nicht einfach ein weiterer Unterschied sein?"
"Da kann was dran sein..." Cayt sah nachdenklich in die Ferne.
"Was machen wir eigentlich mit dem da?" Ich deutete mit einem Kopfnicken auf Hades, der mittlerweile wieder bei Bewusstsein war. "Er hat die letzten Sätze auf jeden Fall mitbekommen."
"Du lernst schnell", lobte Cayt mich. Blade sah weniger begeistert aus.
"Zu schnell", murmelte er und zog mich näher an sich. Cayt rollte mit den Augen.
"Blade, dir ist bewusst, dass es hier kein 'zu schnell' gibt? Je schneller sie lernt, desto sicherer ist sie."
"Sie hat uns", entgegnete Blade.
"Aber ihr werdet nicht immer da sein um sie zu beschützen", sagte plötzlich Hades.
"Oh, super, zwei gegen einen!" Blade sah Hades mit solch einer Feindseligkeit an, dass mir ein Schauer über den Rücken lief.
"Ich meine es ernst. Hier habt ihr gewusst, dass ich kommen werde. Liz hatte Glück –oder eine Fähigkeit, von der noch keiner von uns was weiß. Oder beides. Aber was wäre, wenn ich euch plötzlich draußen angegriffen hätte? Wenn statt meinem süßen Hündchen Hera oder Aphrodite mitgekommen wären? Wenn die kleine Lizzy alleine unterwegs wäre?" Hades grinste, seines Sieges bewusst.
"Nenn' mich nie wieder 'kleine Lizzy'!", schrie ich, mehr aus einer tiefen Hilfslosigkeit heraus als aus Wut.
"Okay, okay, wird nicht wieder vorkommen." Hades hob seine gefesselten Hände. "Kann bitte jemand diese Seile wegnehmen, wir alle wissen, dass sie nur Show sind." Er grinste, als Cayt widerwillig aufstand und mit einem Dolch die Fessel durchschnitt. Ich war immer wieder aufs neuste überrascht, was die beiden in ihrem Baumhaus alles hatten.
"Eine falsche Bewegung und ich spieß' dich auf", drohte Cayt und setzte sich zurück auf die Couch. Hades rieb sich demonstrativ die Handgelenke und ließ sich auf den Teppich fallen.
"Also?", fragte Blade und zog mich näher an sich.
"Also?", wiederholte Hades.
"Wie viel weißt du über Heras und Aphrodites Plan?", erklärte Cayt genervt.
Hades grinste. "Warum sollte ich es dir sagen, meine liebe Athene? Welchen Nutzen hätte es für mich?"
"Du würdest deinen Kopf behalten?" Um ihre Worte zu unterstreichen warf Cayt ihren Dolch hoch und fing ihn geschickt wieder auf.
"Hm, nicht sonderlich überzeugend." Hades lehnte sich zurück und stütze sich auf die Ellenbogen. "Wie wär's damit: ich sage euch, was ich weiß und du, Athene, gehst auf ein Date mit mir?"
Ich musste mich nicht zu Blade drehen um zu wissen, dass er die Idee absolut nicht gut fand. Cayt hingegen sah nicht so aus, als würde sie Hades etwas hartes gegen den Kopf schlagen wollen. Tatsächlich wirkte es fast so, als würde sie wirklich darüber nachdenken.
"Woher sollen wir wissen, dass du uns dann nicht anlügst?", fragte ich.
"Ich könnte auf den Styx schwören. Dann würdet ihr es recht schnell merken, wenn ich lügen würde." Ich drehte den Kopf zu Blade und sah ihn fragend an.
"Wer auf den Styx, also den Fluss der Unterwelt, schwört, muss die Wahrheit sagen. Sollte man den Eid brechen, verliert man für neun Jahre seine Stimme", erklärte er.
"Dann müsstest du aber nicht nur schwören, die Wahrheit zu sagen, sondern die ganze Wahrheit zu sagen, ohne irgendetwas wegzulassen", sagte ich.
"Ich gehe mit dir auf ein Date, wenn du schwörst, die ganze Wahrheit zu sagen", entschied sich Cayt.
"Aber-"
"Kein aber. Es ist meine Entscheidung", unterbrach Cayt Blades Protest. Hades setzte sich auf und sah Blade seines Sieges bewusst in die Augen.
"Genau, Ares. Es ist ihre Entscheidung."
"Schwör' auf den Styx, dass du die ganze Wahrheit sagst, Hades", befahl Cayt scharf.
"Ich, Hades, Herrscher über die Unterwelt, schwöre auf den Styx und mein Leben, dass ich die ganze Wahrheit sagen werde", sprach Hades feierlich seinen Eid. "Zufrieden?"
"Mehr als zufrieden", antwortete Athene und zu meiner Überraschung klang sie beeindruckt.
"Wenn jemand auf den Styx und sein Leben schwört, stirbt diese Person sofort, wenn sie den Eid bricht", erklärte Blade mir flüsternd. "Du scheinst das Date ja wirklich zu wollen." Die letzten Worte waren an Hades gerichtet, der nur traurig lächelte.
"Versuche ich nicht schon seit Jahrtausenden mit Athene auf ein Date zu gehen? Natürlich lasse ich mir solch eine gute Gelegenheit nicht entgehen." So wie er sich verhielt konnte ich gut verstehen, weshalb es ihm bisher noch nicht gelungen war. Andererseits tat er mir auch leid, es musste schwer sein, so eine lange Zeit jemanden zu lieben und genau zu wissen, dass es nicht auf Gegenseitigkeit beruhte. Denn es war Liebe, die in seinem Blick lag, wenn er zu Athene sah.
"Arme Persephone", merkte Blade an.
"Persephone geht es super", erwiderte Hades. "In den Jahren, die ihr beide auf der Erde verbracht habt, haben wir uns angefreundet. Sie verbringt gerne ihre vier Monate bei mir in der Unterwelt. Sie hat ein Auge auf eine längst verstorbene griechische Dichterin geworfen."
"Genug davon. Was weißt du?", fragte Cayt.
"Ah, ah, ah." Hades grinste wieder. "Nicht so schnell. Erst das versprochene Date, dann die Gespräche."
"So war das aber nicht abgemacht!", protestierte Cayt.
"Aber ich bestehe darauf. Wie kann ich mir sonst sicher sein, dass du mich nicht anlügen würdest?"
Cayt biss die Zähne zusammen. "Einverstanden. Morgen Abend gehe ich mit dir auf ein Date. Du hast zwei Stunden meiner Gesellschaft. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Und übermorgen erzählst du, was du weißt."
Hades streckte die Hand aus und Athene schlug ein.
"Also dann, bis bald, meine Freunde. Bis morgen, meine Liebe", zwinkernd salutierte Hades mit zwei Fingern und löste sich in dunklen Rauchschwaden auf.
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