03 Der Hühnerstall
eine Animal Farm Fan-Fiction
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Vor langer Zeit, in einem schmucken und gemütlichen Städtchen am Fuße eines mächtigen Felsen, gab es eine Schule für Entchen. Oben auf dem Hügel thronte und wachte seit Jahrhunderten die mächtige Burg, als wolle sie ihre Bewohner vor Gefahren schützen, Wälder umarmten das Städtchen und ein kleiner Fluss plätscherte zwischen Häusern und Wegen hindurch. Es war eine friedliche Welt und niemand kümmerte sich um die Schweine, welche vor nicht allzu langer Zeit die Macht im Lande übernommen hatten.
Die Entchen watschelten jeden Morgen zu ihrem Schulhaus, flatterten nervös mit ihren kleinen Flügelchen, schnappten nach ihren Freunden und schnatterten wild durcheinander. Ihre Lehrerinnen hatten alle Flügel voll zu tun, bis sie die laute und wilde Schar in die Klassen getrennt und das Geschnatter unter Kontrolle hatten. Doch es waren stolze Lehrerinnen, Gänse, Schwäne und große Enten, eine bunter und schöner als die andere, und sie mochten ihre Arbeit. Mit viel Liebe sorgten sie sich um jedes kleine Entlein, unterrichteten ihre Schützlinge in Schwimmen und Fliegen. Sie zeigten ihnen, welche Würmer sie verzehren konnten und von welchen Pflanzen sie besser ihren Schnabel lassen sollten.
So wuchsen die Entchen wohlbehütet heran, entwickelten sich ihrerseits zu Jungschwänen oder buntgefiederten Enten, zogen hinaus in die Welt, bereit allen möglichen Gefahren des Lebens zu trotzen. Die Entchenschule war etwas Besonderes, denn in den Schulen, welche die Schweine eingerichtet hatten, wurden alle Tiere gemeinsam unterrichtet. Hunde mussten Klettern lernen, Katzen tauchen und selbst die Schlangen, von denen es im Lande nur wenige gab, mussten Tests im Fliegen bestehen. Alle Tiere waren gleich; alle Tiere mussten die gleichen Tests bestehen und hätte nicht einst ein alter und stolzer Pfau die Idee einer Schule nur für Entchen gehabt, so wären auch sie an den Prüfungen im Rennen oder Klettern gescheitert.
Das Leben war auch damals schon selten fair und so kam es, dass der Pfau seine geliebte Schule verließ um an einem wärmeren Ort seinen wohlverdienten Lebensabend genießen zu können. Er tat dies nicht mit leichtem Herzen, doch er wusste, dass seine fleißigen und gut ausgebildeten Lehrerinnen die Schule weiterführen würden, auch ohne ihn. Sein Abgang war den Schweinen jedoch ein Dorn im Auge. Eine Schule ohne Leitung, das war gegen die Ordnung. So ernannten sie ein Huhn als künftige oberste Leiterin und Aufsichtsperson. Die glücklichen Lehrerinnen wunderten sich über den Entscheid der Schweine, doch sie erinnerten sich daran, was mit vielen Tieren auf der Farm damals geschehen war und so fügten sie sich ihrem Schicksal. "Was soll ein Huhn schon ausrichten können?", fragten sie sich und kümmerten sich weiterhin sorglos um ihre kleinen Entchen.
Dem Huhn wurde eine Eule zur Seite gestellt, die schweigsam alles beobachten sollte, doch weil Eulen nachtaktiv sind, schlief sie tagsüber und Aufgaben, welche ihr erteilt wurden, blieben liegen. Natürlich bemerkte das Huhn seine Mehrarbeit, die es nicht erledigen wollte. So stellte es weitere Hühner ein, die ihm bei der Arbeit behilflich sein sollten. Mitten unter den stolzen und bunten Lehrerinnen entstand ein kleiner Hühnerstall, einige Räume der Entchenschule waren von nun an den Hühnern vorbehalten. Die Lehrerinnen kümmerten sich nicht weiter darum, denn das Gegacker und der Mist, den die Hühner anrichteten, störte sie nicht. Sie erfreuten sich täglich ihrer kleinen Entchen und fühlten sich nicht bedroht.
Zu Unrecht, wie sich herausstellte. Das ehrgeizige Oberhuhn wollte sich bei den Schweinen Liebkind machen und deshalb änderte es die Regeln an der Entchenschule. Weitere Hühner wurden eingestellt, für jeden Bereich gab es bald ein Chef-Huhn, welches die Aufsicht hatte, und viele von ihnen hatten ein jüngeres Huhn zur Seite, welches die Schreibarbeit übernahm oder die Eier ausbrütete, welche die Leitungshühner legten. Arbeiten, die den Hühnern zu anstrengend waren – denn schließlich waren sie zum Leiten und Führen da, mussten Eier legen und konnten sich nicht um Alltagsarbeit kümmern – wurden den Lehrerinnen übertragen. Die braven Mitarbeiterinnen übernahmen die Zusatzarbeiten, aber ihr Unterricht mit den kleinen Entchen begann darunter zu leiden.
Als der ganze Hühnerhof schließlich zu groß wurde und in einen neuen, komfortablen Hühnerstall an zentraler Lage in der Stadt umzog, hofften die Lehrerinnen, in Zukunft wieder etwas mehr Luft zu haben. Doch es kam noch schlimmer. Die Hühner waren nun unter sich, produzierten noch mehr Mist, legten noch mehr Eier, stellten noch mehr Hühner ein und feierten zusammen mit den Schweinen, welche sie dann und wann zu sich in die "Villa Hühnerhaus", wie sie ihr Reich nannten, einluden, um ihnen zu zeigen, wie gut sie waren. Dass dabei die Lehrerinnen unter ihrer Arbeit krank wurden, die Farbe ihrer Federn verloren und unglücklich wurden, interessierte die Hühner nicht. Sie kümmerten sich einzig um ihr Ansehen bei den Schweinen und um ihren luxuriösen Hühnerstall.
Viele Male versuchten die Lehrerinnen, sich für ihre Entchen zur Wehr zu setzen. Sie schnatterten laut und versuchten, die Hühner an die Ideale des alten Pfaus zu erinnern, doch das interessierte im Hühnerstall niemanden. Letztendlich scheiterten die ersten Entchen in ihrem Dasein. Ihnen konnte nicht mehr das nötige Rüstzeug für das Leben mitgegeben werden. Sie konnten kaum mehr fliegen und viele von ihnen würden in den Fluten der Arbeitswelt ertrinken, weil ihnen das Schwimmen nicht mehr mit der dafür notwendigen Hingabe hatte unterrichtet werden können. Die Lehrerinnen litten stark unter dieser Veränderung und sie suchten sich Hilfe, doch die Schweine feierten lieber mit den Hühnern, als dass sie sich die Sorgen der Lehrerinnen anhören wollten. "Die Entchenschule kann aufgelöst werden; es braucht sie nicht. Wir haben gute Schulen für alle, wozu die Enten gesondert unterrichten?" Das war die Antwort, welche die Lehrerinnen schockiert entgegennahmen.
Eines Morgens landete ein Adler auf den Dach der Entchenschule. Mit seinem scharfen Blick beobachtete er, was unter ihm geschah. Er sah Schwäne, die ihre Köpfe hängen ließen oder Enten, die ihre leuchtenden Farben im Gefieder verloren hatten. Dazwischen entdeckte er kleine Entchen, die angstvoll und verwirrt im Garten der Schule herumrannten und sich stritten und zankten. Der Adler setzte sich neben eine lustlos herumstehende Gans und fragte sie, weshalb es an diesem schönen Ort keine Freude gebe. "Das ist das Werk des Hühnerstalls", bekam er als Antwort. "Wir haben keine Zeit mehr für unsere Entchen; wir müssen den Mist des Hühnerstalls bewältigen und die gelegten Eier der Hühner ausbrüten."
"Warum tut ihr das?", fragte der Adler und schüttelte seinen weißen Federkopf.
"Die Schweine beschützen die Hühner; wir haben keine Wahl." Die Gans richtete ihre traurigen Augen auf den stolzen Adler. Dieser dachte einen Moment nach, beobachtete und schwieg.
Als die Gans davonwatscheln wollte, räusperte sich der Adler. "Ich sehe hier Schwäne, ich sehe Gänse und Enten", sagte er ruhig. "Ihr alle könnt fliegen, habe ich recht? Ihr seid frei. Erhebt euch, fliegt los. Es gibt viele schöne Teiche und Seen in der Gegend. Zieht mit euren Entchen weiter."
"Das sagst du so einfach. Was werden die Hühner und die Schweine dazu sagen? Sie werden uns bestrafen."
Der Adler lachte, während er sich sein Gefieder struppte. "Sie werden es nicht bemerken und falls doch, so können sie euch nicht hinterherfliegen. Hühner können nur gackern und flattern; sie produzieren Mist und picken das Futter auf, das sie von den Schweinen erhalten. Bis die in ihrem glänzenden Hühnerstall bemerken, dass sie nur noch sich selbst regieren, seid ihr längst an einem besseren Ort."
So geschah es, dass in dem schönen Städtchen am Hügel, auf dem eine Burg stand, ein glänzender, prunkvoller Hühnerstall brillierte, von den Schweinen unterstützt aber von den Enten verlassen. Und niemand wusste mehr genau, welchem Zweck der noble Stall diente. Denn das einzige, was man von dort vernahm, waren das Gegacker und der Mist der Hühner.
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Normalerweise steht bei einer solchen Geschichte darunter, jede Ähnlichkeit mit lebenden oder verstorbenen Personen sei rein zufällig und nicht beabsichtigt. Leider kann ich das hier nicht drunterschreiben, denn jede Ähnlichkeit mit lebenden oder verstorbenen Hühnern ist keinesfalls zufällig und voll beabsichtigt.
In diesem Sinne wünsche ich euch einen schönen dritten Dezember.
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