Vierundzwanzigstes Türchen ❄️
Kevin Ryan ☃️
Mit einem kleinen Lächeln steige ich die Stufen zum Revier hoch. Nur noch wenige Minuten trennen mich von Kevin, den ich jetzt einige Tage nicht gesehen habe. Er hat bis über beide Ohren in einem neuen Fall gesteckt, was Zeit für Zweisamkeit unmöglich gemacht hat. Es war hart, doch ich wusste von Anfang an, worauf ich mich bei ihm einlasse.
Und vielleicht ist meine Vorfreude auf ihn jetzt umso größer.
Eigentlich wollte er mich von der Arbeit abholen, doch da wir durch einen Stromausfall dazu gezwungen waren, früher zu schließen, habe ich mir gedacht, dass ich den Spieß eigentlich umdrehen könnte. Und so frage ich mich jetzt auf dem Revier durch, um zu seinem Schreibtisch zu gelangen.
Als ich auf der richtigen Etage aus dem Aufzug steige, erkenne ich seinen Schreibtisch auf Anhieb. Es sieht schließlich genau so aus, wie er es mir erzählt hat - und auch seine Kollegen erkenne ich. Seine Kollegen, die mich sehr skeptisch mustern.
Naja, das ist vermutlich das Risiko, wenn man sich auf einen Cop einlässt.
"Hi, ich wollte zu Kevin. Ist er noch da?"
"Er ist in einer Besprechung." Kate Beckett sieht mich eiskalt an und ich gebe mir Mühe, unter ihrem Blick nicht zu schrumpfen. "Und ich denke nicht, dass Sie hier warten sollten."
"Oh, okay... ich kann auch unten auf ihn warten. Es ist nur, er wollte mich eigentlich abholen, aber jetzt hatte ich schon früher Feierabend und dachte..."
"Sie schieben sich noch weiter in eine Ehe? Wussten Sie das? Ryan ist verheiratet." Der Mann, der mich jetzt von der Seite anspricht, muss Esposito sein.
"Also wäre es vermutlich das beste, wenn Sie ihren Kram packen und aus seinem Leben verschwinden."
Mir fällt alles aus dem Gesicht. Das Ryan verheiratet war, wusste ich - aber genauso, dass er seit Monaten von Jenny getrennt war. Aber scheinbar hatte er nur mir das erzählt, sonst würden mich seine Freunde wohl kaum so feindselig anschauen.
"Ich..." Fange ich an, genau in dem Moment, als Kevin um die Ecke biegt.
Er lächelt breit, doch dann weiten sich seine Augen erschrocken, als er realisiert, wie seine Freunde mich anschauen.
"Alex... Ich kann das erklären."
"Spar es dir, es gibt nichts mehr zu erklären. Du hattest fast drei Monate Zeit, ihnen von uns zu erzählen. Wenn das für dich überhaupt echt war." Die Enttäuschung lässt meine Stimme beben. In diesem Moment weiß ich wieder genau, wieso ich mir geschworen hatte, nie wieder einem Mann zu vertrauen.
"Es ist aus. Ich will dich nie wieder sehen."
Und damit lasse ich ihn stehen.
Ich warte nicht auf den Aufzug, sondern stürme durch das Treppenhaus nach unten. Tränen verschleiern meine Sicht, während ich mich frage, wie alles so schnell zerbrechen konnte. Wie habe ich mich so in ihm irren können?
Gerade, als ich aus der Tür stürmen will, hält mich eine Hand zurück.
"Warte, bitte."
Ich will meinen Arm aus dem Griff befreien, doch die Frau sieht mich ruhig an.
"Was ist passiert? Was hat er getan? Ich bin Lanie und war bis grade eben eine Freundin von Kevin. Javier hat mir gerade geschrieben und gesagt, dass etwas passiert ist."
"Ich will einfach nur weg." Noch immer brennen meine Augen und Lanie nickt.
"Komm, wir gehen in den Coffeeshop und da erzählst du mir alles, okay?"
Irgendwas hat sie an sich, dass ich nicke und nicht weiter flüchte. Lanie lächelt beruhigend und zieht sich ihren Mantel an, bevor sie sich bei mir unterhakt und mit mir einige Straßen weiter in einen kleinen Coffeeshop geht, den ich nie wahrgenommen habe.
"Keine Sorge, er kommt nicht her. Er weiß nicht, wo wir sind. Außerdem muss er den anderen Rede und Antwort stehen." Beruhigt sie mich, ohne, dass ich ein Wort sagen muss.
Als wir beide einen dampfenden Becher in den Händen halten, schaut Lanie mich schließlich auffordernd an.
"Also?"
"Ich habe Kevin vor fast vier Monaten kennengelernt, in einem Café in der Nähe des Ladens, in dem ich arbeite." Fange ich schließlich leise an, obwohl es so unfassbar weh tut. "Er ist mir sofort aufgefallen... Und andersrum war es wohl genauso. Aber wir haben uns beide nicht getraut, den jeweils anderen anzusprechen. Aber wir haben jeden Morgen nach dem anderen Ausschau gehalten und irgendwann hat er sich getraut... Er hat mir erzählt, dass er Cop ist, dass er zwar verheiratet ist, aber sie getrennt Leben und all die schönen Lügen... Und wir haben angefangen, auszugehen. Wann immer die Arbeit es zugelassen hat... So hat er es zumindest behauptet... War er bei mir und..."
"Wie lange seid ihr zusammen?"
"Bald drei Monate. Und ich frage mich gerade wirklich, ob das alles nur eine große Lüge war. Ist er wirklich getrennt? Oder war ich nur eine Affäre für ihn?"
Erneut kommen mir die Tränen und ehe ich es mich versehe, hat Lanie mich auch schon in eine warme Umarmung gezogen.
"Er ist ein Arsch, aber er würde nie fremdgehen. Ich glaube, für ihn war das genau so echt wie für dich. Aber im Gegensatz zu dir ist er ein feiger Hund, der niemandem was von der Trennung erzählt hat. Das soll sein Verhalten nicht rechtfertigen - sobald ich auf dem Revier bin, verarbeite ich ihn zu einer neuen Übungsleiche für meine Praktikanten, aber... Du hast keine Ehe zerstört. Davon bin ich überzeugt."
"Wieso hasst du mich nicht? Er ist dein Freund..."
"Und ein Mann und somit ein Idiot. Javier hat mir geschrieben, wie entsetzt du warst und das Kevin am Boden zerstört ist." Sie wirft ein Blick auf ihr Handy. "Und er hat gestanden. Jenny und er sind seit fast einem halben Jahr getrennt."
"Dann kann er gleich hinzufügen, dass auch seine neue Beziehung in die Brüche gegangen ist. Es ist vorbei, Lanie. Kevin ist für mich gestorben."
Fast schon rechne ich damit, dass sie versucht, mich von einem klärenden Gespräch zu überzeugen, doch sie nickt nur entschieden.
"Gut gebrüllt, Löwe. Aber sieh es positiv. Du hast ihn vielleicht verloren, aber eine neue Freundin gewonnen. Und ich werde ihm so dermaßen den Arsch aufreißen, das glaubst du gar nicht."
Trotz allem muss ich lachen.
"Das musst du nicht..."
"Doch, das muss ich! Wer sich wie ein Arsch verhält, wird auch so behandelt. Und das ist mein letztes Wort. Wo kämen wir denn hin, wenn wir Männer ungestraft dumm sein lassen würden? Dann wären sie am Ende alle so wie Richard und das erträgt die Welt nicht!"
Erneut muss ich lachen.
"Er hat mir viel von euch allen erzählt. Er liebt euch wirklich sehr, sagt immer, ihr seid seine Familie..."
"Pah, das rettet ihn auch nicht." Lanie sieht mich entschlossen an.
"Die Konsequenzen kommen, egal was er macht oder sagt. Vertrau mir, DAMIT kommt er nicht durch."
Und damit ist es besiegelt.
Ich habe meine Beziehung verloren, aber eine großartige Freundin gewonnen, die die kommenden Wochen so viel leichter für mich macht.
Während ich meinen Alltag komplett umkrempeln muss, um Kevin aus dem Weg zu gehen, wird Lanie eine angenehme Konstante darin.
Sie ist es, die mir einen neuen Coffeeshop in der Nähe meiner Arbeit zeigt, die mich warnt, wenn Kevin sich auf dem Weg zu mir macht und die mir hilft, mein Lachen zurückzugewinnen.
Wann immer Kevin im Laden auftaucht, tauche ich im Lager ab, nur um wenig später zu hören, wie Kevin sich hektisch am Telefon dafür rechtfertigt, wieder einmal auf meiner Arbeit aufgetaucht zu sein, obwohl ich ihn doch so offensichtlich nicht sehen möchte.
Darüber muss ich jedes Mal lachen, obwohl der Liebeskummer mich noch immer voll im Griff hat. Und es macht das ganze auch nicht wirklich besser, dass jetzt überall um mich herum Weihnachtsdeko auftaucht. Wenn es nach mir ginge, könnte Weihnachten in diesem Jahr auch einfach ausfallen.
Das Fest der Liebe.
Natürlich.
Meinen Glauben an die Liebe habe ich in dem Moment verloren, in dem ich realisiert habe, dass Kevin ein falsches Spiel gespielt hat. Und ich bin nicht bereit, dem ganzen noch eine weitere Chance zu geben. Nein. Ich habe mein Herz zum letzten Mal riskiert.
Genau das ist auch der Grund dafür, dass ich mich am liebsten einfach eingeschlossen hätte. Am liebsten hätte ich mich eingeschlossen, Weihnachten ignoriert und mich so tief in meinen Büchern vergraben, das mich selbst Spürhunde nicht mehr finden würden...
Doch es geht nicht.
Lanie lässt es nicht zu.
Wann immer ihre Zeit es zulässt, lockt sie mich aus meiner Isolation und wir gehen Essen, etwas trinken oder shoppen, was auch immer gerade zeitlich passt.
Deswegen wundert es mich auch nicht wirklich, dass sie mich einige Tage vor Weihnachten erneut zu einem Besuch bei unserem Ramen-Laden des Vertrauens überredet. Da Widerstand sowieso zwecklos ist, mache ich mich also zeitig fertig, bis mein Handy vibriert.
"Komme nicht pünktlich los, kannst du mich am Revier abholen?"
Mein Herz sackt mir in die Hose, doch ich schreibe ein "Klar. Neue Leiche?" zurück, was Lanie verneint, allerdings habe sie noch einige Proben, die heute noch bearbeitet werden müssten. Aber es sei keiner von Kevins Fällen, versichert sie mir, was im Umkehrschluss wohl bedeutet, dass ich nicht gefahr laufe, auf ihn zu treffen.
Zumindest hoffe ich das.
Doch Lanie hat mich nie getäuscht, weshalb ich mich also pünktlich auf den Weg zum Revier mache.
Lanie kann ich noch nicht entdecken, weshalb ich mich seitlich der großen Treppe hinstelle, um auf sie zu warten. Das Gebäude werde ich nicht noch einmal betreten, nicht einmal Lanie zuliebe - und ich weiß, dass sie das auch niemals erwarten würde.
"Bin da." Schreibe ich ihr schnell, als eine Stimme in meinem Rücken ertönt.
"Es tut mir so leid. Ich weiß, dass ich Mist gebaut habe..."
Sofort sackt mein Herz in die Hose und ich muss mich nicht umdrehen, um zu wissen, wer da hinter mir steht. Und alles, was ich in diesem Moment tun kann, ist zu flüchten. Also stecke ich mein Handy weg... Doch ich bin keine drei Schritte weit gekommen, als mich erneut eine Hand an meinem Arm aufhält.
"Hör ihm zu, bitte. Er hat uns alles erzählt und hält seitdem nicht mehr die Klappe, wenn es um dich geht. Beckett hat schon das Bedürfnis, ihm eine Kugel zu verpassen, damit er endlich still ist." Esposito.
"Ich kann verstehen, dass du sauer auf ihn bist - und auch auf uns. Ryan hat uns nur nichts erzählt, weil er Angst hatte, dass wir ihn aufziehen, wenn er uns von seinem Ehe-Aus erzählt. Oder damit, dass er jemand Neues gefunden hat. Er wollte das mit euch schützen und... Ich gebe zu, er hat sich damit wirklich dämlich angestellt, aber anders kennen wir ihn ja nicht. Aber er liebt dich von ganzem Herzen."
"Das hätte er sich früher überlegen müssen." Meine Stimme bebt und ich halte den Kopf weiter gesenkt, um Kevin nicht zu sehen. Würde ich ihn anschauen, könnte ich für nichts mehr garantieren, denn so sehr ich auch versucht habe, ihn zu vergessen... Mein Herz schreit noch immer nach ihm.
"Alex." Als ich ihre Stimme höre, sehe ich hoch... Und sehe Kevin.
Kevin, der müde aussieht. Blass.
"Es tut mir so unfassbar Leid. Ich kann verstehen, dass du nichts mehr mit mir zu tun haben willst, das würde ich vermutlich nach so einer Aktion selber nicht... Aber du fehlst mir. Du fehlst mir so unfassbar und ich hasse mich wirklich dafür, was ich dir angetan habe. Ich habe mich nie für dich... Für uns geschämt. Im Gegenteil. Du bist das beste, was mir in sehr langer Zeit passiert ist und ich Idiot habe alles kaputt gemacht..."
Seine Stimme zittert - und spätestens als ich Lanies "Es stimmt. Er hat allen von dir... von euch erzählt." höre, bricht auch noch mein letzter Widerstand.
"Eine letzte Chance..." Kommt über meine Lippen, bevor ich mich nach all den Wochen wieder in Kevins Arme schmiege, die sich noch immer so sehr nach Zuhause anfühlen.
"Ich werde dich nicht enttäuschen, versprochen." Flüstert er mit gebrochener Stimme an meinem Ohr, während seine Arme mich so fest und sicher halten, als wäre ich das kostbarste in seinem Leben.
In diesem Moment verschwindet für einen Moment all das Gewicht, das mich in den letzten Monaten nach unten gezogen hat. Hier, bei Kevin, in seinen Armen... Fühlt sich die Welt besser an, die schäbigen Weihnachtslichter schöner und die Kälte nicht mehr so beißend.
"Du hast mir so gefehlt." Kevin lässt mich noch immer nicht los, doch es stört mich nicht. Stattdessen schmiege ich mich enger an ihn, bis uns ein lautes Räuspern auseinanderfahren lässt.
Esposito steht auf der Treppe über uns, zusammen mit Castle und die beiden halten einen Mistelzweig über unsere Köpfe, während Beckett an der Tür beruhigend auf den Officer einredet, dass sie den Zweig nur ganz kurz ausleihen würden.
"Alex..." Kevins Atem streicht meine Lippen, doch er küsst mich nicht - noch nicht. Stattdessen ist sein Blick fragend, abwartend... Bis ich schließlich nicke.
Und da gibt es für Kevin kein Halten mehr.
Sein Kuss ist all das, was ich mir in den letzten Monaten in den dunkelsten Nächten gewünscht habe - und noch so viel mehr. Er küsst mich so, als gäbe es nur noch uns beide, als stünden wir nicht neben dem Revier, neben seinen Kollegen, sondern so, als wären wir allein.
Und ich würde es nicht anders wollen.
Erst, als uns beiden die Luft ausgeht, lösen wir uns schließlich voneinander.
Die Schneeflocken tanzen noch immer um uns herum und schmelzen auf meinen glühenden Wangen, während ich mich noch immer in Kevins Umarmung schmiege. Keiner von uns ist bereit, den anderen als erstes loszulassen.
Erst Lanie, die an unserer Seite auftaucht, sorgt schließlich dafür.
"Na kommt schon, wir müssen doch nicht draußen erfrieren, während drinnen die Party steigt, oder?"
"Du hast das alles geplant." In dem Moment wird mir alles klar. "Es gibt keine Proben, keinen Fall. Du wolltest nie Essen gehen."
"Nicht ganz. Meine beiden Proben stehen sich grade gegenüber und ich dachte, ich nutze die Weihnachtsfeier im Revier, um euch den entscheidenden Schubs zu geben."
"Aber du hast nie versucht, uns wieder zusammenzubringen."
"Nein, weil du nicht bereit dafür warst." Lanie lächelt.
"Aber mir ist nicht entgangen, dass du ihn noch immer liebst. Auch, wenn du das immer geleugnet hast. Ich habe gesehen, wie du ihn vermisst - und wie sehr er dich vermisst hat. Er hat mich immer wieder nach dir gefragt, obwohl ich gedroht habe, ihn zu meiner nächsten Leiche zu machen."
"Du hast einem der Dummies eine Maske mit seinem Gesicht aufgesetzt, das war noch viel gruseliger als jede Drohung!" Wirft Esposito ein, was Lanie dazu bringt, ihn herausfordernd anzulächeln.
"Dann weißt du ja, was dir droht, solltest du je so einen Mist verzapfen, Javier."
"Niemals, mein Engel." Er lächelt entwaffnend und während ich den beiden bei ihrem harmlosen Geplänkel zuhöre, erkenne ich, warum Kevin in ihnen allen eine Familie sieht.
Und dass sie bereit sind, mich aufzunehmen.
Weil Kevin mich liebt.
"Du bist ein Idiot... Aber mein Idiot." Flüstere ich, bevor ich in seinem Arm die Stufen zum Revier hochsteige.
Und dieses Mal treffen mich nur warmherzige Blicke, die mich in der Familie willkommen heißen.
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