Wincent Weiss ☃️

Aufgeregt schlüpfe ich in das Engelskostüm, was meine Chefin mir organisiert hat. Heute ist in dem Einkaufszentrum, in dem unser Laden liegt, wieder der Weihnachtsmann zu Gast und in diesem Jahr werde ich nicht nur von außen zuschauen. Nein. In diesem Jahr werde ich einer der Weihnachtsengel sein, die ihn dabei unterstützen. Ich habe die tolle Aufgabe, die Kinder zu ihm zu führen und die Wartenden ein wenig abzulenken, bis er auch für sie Zeit findet.

Als ich sicher bin, dass alles richtig sitzt, trete ich schließlich aus der Umkleide heraus und mache mich auf den Weg zum Treffpunkt - wo der Weihnachtsmann bereits wartet. Ein wenig enttäuscht mich diese Tatsache, hatte ich doch gehofft, einen Blick auf die Person in dem Kostüm zu werfen.

Doch das herzliche Lächeln, das hinter dem Bart zu erkennen ist, entschädigt.

"Hi, du bist also heute mein Weihnachtsengel?"

"Sieht so aus, Santa." Ich schenke ihm ein Lächeln, während ich trotzdem versuche, mir ein Bild von dem Mann zu machen, dessen Stimme mir beinahe eine Gänsehaut beschert hätte.

"Dann wollen wir mal Kinderaugen zum leuchten bringen, oder?"

"Nichts lieber als das."

Wie ein Gentleman hält er mir einen Arm hin, in den ich mich einhaken kann und so gehen wir gemeinsam zu dem Sessel neben dem großen Tannenbaum, auf dem er für die nächsten Stunden Platz nehmen wird.

Schon jetzt haben sich zahlreiche Kinder in die Schlange gestellt, um ihm von ihren Wünschen zu erzählen. Kleinere Kinder, aber auch Schulkinder, die ihn allesamt mit großen Augen anschauen.

Für sie ist es nicht ein Mann, der in einem Kostüm steckt, sondern der echte Weihnachtsmann.

Und er strahlt sie in diesem Moment an, als könne er tatsächlich all ihre Wünsche erfüllen.

Wenn das nur so einfach wäre.

Er nickt mir kurz zu und so öffne ich für einen Moment die rote Kordel, die die Warteschlange in Schach hält, um das erste Kind zu ihm zu lassen.

"Ist das da der echte Weihnachtsmann?" Fragt mich eins der kleinen Kinder und mit einem kleinen Lächelnd begebe ich mich auf Augenhöhe.

"Natürlich ist das der echte Weihnachtsmann, Mäuschen. Er kommt direkt vom Nordpol, deshalb wundere dich nicht, wenn seine Finger noch ein wenig kalt sind."

"Ist Rudolf auch da?" Tönt es aus einer anderen Richtung und mit einem liebevollen Lächeln beantworte ich all die Fragen.

Ja, Rudolf ist auch da.

Nein, die Kinder können ihn nicht sehen - er ist noch immer schüchtern.

Ja, der Weihnachtsmann hat wirklich Elfen, die die Geschenke fertigen.

Ja, er kommt wirklich mit seinem Schlitten geflogen.

Die Zeit vergeht wie im Flug und der Strom der Kinder reißt kaum ab. Obwohl wir schon deutlich länger da sind, als geplant, stellen sich doch immer wieder Kinder an und wir bringen es nicht übers Herz, sie wegzuschicken.

Dementsprechend ist es schon wirklich spät, als wir zurück zu den Umkleiden laufen.

"Das war es wert, oder? Die leuchtenden Kinderaugen..."

"Auf jeden Fall. Ich hoffe so sehr, dass ihre Wünsche wirklich erfüllt werden..."

"Das werden sie garantiert."

"Wie kannst du dir da so sicher sein?" Fragend sehe ich ihn an und er schließt die Tür zu den Umkleiden, bevor er sich von dem künstlichen Bart und der Mütze befreit.

"Weil ich sie ihnen erfüllen werde. Ich bin zwar nicht der Weihnachtsmann, aber... Vielleicht kann ich doch einiges gutes tun. Ein paar Kollegen und ich haben uns zusammengeschlossen und spielen Wunsch-Erfüller."

Vor mir steht tatsächlich Wincent Weiss höchstpersönlich - und sieht mich so verlegen an, als könne ich ihn dafür verurteilen.

"Das ist..." Fange ich an, bevor sich ein Lächeln auf meine Lippen schiebt.

"Das ist großartig. Braucht ihr Hilfe beim Geschenke einpacken?"

"Das wäre großartig. Ich bin übrigens Wincent." Stellt er sich dann komplett unnötigerweise vor, was mich zum Lachen bringt.

"Ich weiß. Ich bin Y/n."

"Und du warst ein großartiger Weihnachtsengel. Die Kinder haben dich geliebt."

"Ach quatsch." Wehre ich ab, schließlich habe ich nur meinen Job gemacht.

"Nein, wirklich. Du hast ihre Illusion noch bestärkt und das ganze für sie noch magischer gemacht. Danke!" Sein Fokus liegt nun ganz auf mir.

"Danke. Du warst aber auch ein wirklich überzeugender Weihnachtsmann. Die Kinder waren so glücklich, dass du dir so viel Zeit genommen hast."

"Das mache ich gern." Er lächelt.

"Irgendwann, sollte ich je Kinder haben, möchte ich, dass sie auch mit diesem Glauben an Weihnachten groß werden. Das sie gehört werden und das ihre Wünsche zählen."

"Ich glaube, das werden sie. Das werden sie von Haus aus. Ich kann mir gut vorstellen, dass du ihnen das so vorleben wirst."

"Hoffentlich." Wieder lächelt er. "Hast du Kinder?"

"Nein, bisher habe ich einfach nicht den richtigen Mann dafür gefunden. Aber der Traum ist da, eines Tages selber Kinder zu haben."

Eine Weile ist es still, während wir in den separaten kleinen Kabinen wieder in unsere Alltagssachen schlüpfen, doch es hält nur solange an, bis wir wieder voreinander stehen.

"Also, ich weiß, dass es deutlich später ist, als geplant, aber... Hättest du Lust, noch einen Kaffee trinken zu gehen?"

Wieder sieht er so verlegen aus, dass mein Herz einen kleinen satz macht.

"Gerne."

Sofort wird sein Lächeln breiter und er atmet auf, als hätte er damit gerechnet, dass ich ihm doch noch eine Abfuhr gebe.

"Cool."

Seine Erleichterung bringt mich zum Lachen, was ihn wieder ansteckt und nur noch deutlicher werden lässt, was mir von dem ersten Augenblick an klar war, als ich seine Stimme gehört habe.

Wincent ist jemand, den ich unbedingt näher kennenlernen möchte.

Und so wie er mich in diesem Moment ansieht, bin ich mir sicher, dass es nicht nur mir so geht. Dass nicht nur ich das Gefühl habe, die Person gefunden zu haben, mit der ich eines Tages eine Familie gründen möchte.

Doch wir werden sehen, was die Zeit so bringt....

Und den Kaffee genießen, der in so guter Gesellschaft noch einmal besser schmeckt als alleine.