Dreizehntes Türchen ❄️
Phineas Taylor Barnum ☃️
Fassungslos höre ich zu, wie P.T. in der Manege ausrastet. Eigentlich ist er ein wirklich geduldiger Mensch, so wütend habe ich ihn selten erlebt, weshalb ich jetzt auch nicht einfach hinter den Kulissen verschwinde, sondern mich langsam an die Ballustrade heranpirsche.
Als ich zum ersten Mal an diesem Abend gegangen bin, um nach Hause zu gehen, habe ich gesehen, wie Charity zu ihm gegangen ist und das Geschrei kann eigentlich nur bedeuten, dass die beiden sich wieder einmal streiten. Doch ich höre nur ihn, was eigentlich dagegen spricht... Vielleicht ist genau das der Grund, warum ich jetzt zusätzlich einen vorsichtigen Blick nach unten werfe.
Wäre Charity noch da, würde ich wieder gehen, aber...
P.T. ist alleine.
Und in diesem Moment scheint ihn alle Kraft zu verlassen, denn nach einem letzten, wütenden Aufschrei sinkt er zu Boden und vergräbt das Gesicht in den Händen.
Spätestens jetzt hält mich nichts mehr auf meinem Beobachterposten und auch mein Kostüm, an dem ich noch ein paar letzte Feinheiten ändern wollte, ist nicht mehr wichtig. Stattdessen eile ich die Treppen herunter und lasse mich neben ihm auf die Knie sinken.
"Hey, was ist passiert?" Flüstere ich, während ich meine Hand sanft auf seinen Arm lege.
"Es ist nichts." Blockt er mich jedoch ab, was ich so allerdings nicht hinnehmen möchte. Schließlich kenne ich ihn nicht erst seit gestern - und bin nicht umsonst so etwas wie seine beste Freundin geworden. Egal, was in der Vergangenheit passiert ist, wir beide haben immer zusammengehalten.
Als er das alles aus dem Nichts aufgebaut hat.
Als er durch seinen Höhenflug alles verloren hat.
Als er seinen Traum aus der Asche neu aufgebaut hat.
Als er damit neue Welten eröffnet hat.
Immer war ich an seiner Seite und oft sogar seine engste Vertraute, weshalb ich auch jetzt nicht einen einzigen Gedanken daran verschwende, ihn alleine zu lassen. Das habe ich nie.
Auch, wenn die ganze Welt ihn verlassen hat, war ich immer da.
Und genau aus dem Grund werde ich ihn auch jetzt nicht alleine lassen.
"Sie hat mich verlassen. Die Kinder genommen und ist weg." Rückt er jetzt doch mit der Sprache raus, als er merkt, dass ich mich nicht von der Stelle bewege.
"Sie hat was?" Geschockt sehe ich ihn an, was ihn dazu bringt, bitter zu lachen.
"Du hast mich schon gehört. Charity will die Scheidung, das hat sie mir grade gesagt. Ihr ist klar geworden, dass ihr das alles hier" Er deutet vage auf die Manege "nicht mehr gut genug ist. Ich bin ihr nicht mehr gut genug, wie es scheint."
Sprachlos sehe ich ihn an.
"Das ist nicht dein Ernst."
"Doch. Aber es war ja klar, kaum läuft es wieder nicht ideal, ist sie weg. Das ist so typisch." Ich sehe die Wut erneut in ihm hochkochen, doch da ich nicht damit rechne, dass sich diese Wut auch gegen mich richten könnte, bleibe ich an seiner Seite sitzen.
"Das tut mir so leid... Was willst du jetzt machen?"
"Ich? Wieso sollte ich etwas machen?" Erneut lacht er bitter.
"Wieso erwartet ihr Frauen eigentlich immer, dass wir Männer alles machen? Sie hat mich verlassen, nicht ich sie." Seine Stimme wird immer schärfer.
"Ich meinte auch nicht, was du wegen ihr machst. Sondern was DU jetzt machen möchtest. Wie soll es für dich weitergehen?"
"Wie soll es für mich schon weitergehen? Ich halte diesen verdammten Zirkus am Laufen, während ich nicht einmal eine Frau halten kann."
"Du hast noch immer mich. Also stimmt es nicht."
"Dich." Er schnaubt ein weiteres mal.
"Du wirst doch genau so abhauen, wenn du ein besseres Angebot bekommst."
"Ist das dein Ernst?" Ich zucke zurück, was ihn nur noch wütender macht.
"Ja! Tu nicht so, als wärst du meinetwegen hier. Beim erstbesten Angebot lässt du das alles doch genau so hinter dir."
"Denkst du wirklich so schlecht von mir?" Mein Herz bricht in tausend Teile, als ich in seine vor Wut verzerrten Gesichtszüge schaue. "Das meinst du nicht so..."
"Doch, ich meine es genau so. Also hau doch einfach direkt ab, lass mich genau so im Stich wie sie. Du bist doch keinen Deut besser als sie!"
Hätte er mir ins Gesicht geschlagen, hätte es wohl weniger wehgetan als in diesem Augenblick.
"Auch, wenn du grade blind vor Wut bist. Ich hatte schon bessere Angebote, aber ich habe sie nie angenommen, weil ich dich liebe und an das hier glaube, weil ich an dich glaube."
"Bullshit! Du bist genau..."
"Sag nicht nochmal, das ich genau wie sie bin." Flehe ich ihn an, doch er schaut mich nur eiskalt an.
"Du bist genau wie sie!"
"Das sagst du nur, um mich zu verletzen." Tränen brennen in meinen Augen, doch ich wische sie nicht weg. Seine Worte haben mich verletzt und ich schäme mich nicht, das offen zu zeigen.
"Geh!" Brüllt er mich jetzt an. "Geh. Hau ab, genau wie sie es getan hat."
"Du bist ein verdammter Arsch, P.T Barnum!" Werfe ich im an den Kopf, bevor ich auf dem Absatz kehrtmache und die Manage verlasse, die für so lange Zeit wie ein zweites Zuhause war.
Es war nichts als die Wahrheit, als ich ihm gesagt habe, dass ich ihn liebe und daran ändern auch seine Worte nichts.
Trotzdem gibt es für mich kein Zurück mehr.
Die nächsten Wochen vergehen langsam und ich nehme alles um mich herum nur wie durch einen dicken Nebel wahr. Seit dem Streit habe ich keinen Fuß mehr in den Zirkus gesetzt, sondern habe mir wieder einen anderen Job gesucht und verkrieche mich ansonsten nur in meinem kleinen Apartment.
Um mich herum erstrahlen überall die Weihnachtsdekorationen, die meinen seelischen Schmerz nur noch größer werden lassen.
Wir hatten so große Pläne...
Doch P.T hat mich zu sehr verletzt, um wieder zurückzugehen.
Zumindest, wenn er sich nicht entschuldigt.
Doch von ihm höre ich nichts.
Meine ehemaligen Kollegen kommen ab und zu zu Besuch, um nach mir zu sehen und mich zu überzeugen, wieder nach Hause zu kommen, doch jedem von ihnen kann ich nur das gleiche sagen.
Für mich gibt es so, wie es aktuell ist, kein zurück mehr.
Die Wochen ziehen ins Land, die Besuche werden weniger...
Bis es eines Abends an der Tür klopft.
Zuerst will ich gar nicht öffnen, doch der Besucher gibt nicht auf und so ziehe ich meinen Morgenmantel noch enger um meine schmale Statur, bevor ich schließlich öffne.
Doch mit diesem Besucher hätte ich niemals gerechnet.
In dem schäbigen Flur steht P.T, einen Strauß Chrysanthemen in den zitternden Händen.
"Y/n..."
"Was willst du hier?"
Ich ziehe den Mantel noch enger um mich und lehne mich an den Türrahmen, ohne ihn hineinzubitten.
"Mich entschuldigen. Ich habe mich wie ein Idiot benommen und bei Gott, eigentlich hätte ich mich schon vor Monaten entschuldigen müssen, aber ich war zu verletzt und zu stolz und... Es tut mir leid."
Er hält mir die Blumen entgegen.
"Die mochtest du doch so gern, oder...?"
"Das habe ich nie jemandem erzählt..." Fassungslos nehme ich den Strauß meiner Lieblingsblumen entgegen, was ihm die Röte in die Wangen treibt.
"Erzählt nicht, aber du hast es mal erwähnt, wie schön sie wieder blühen und... Es tut mir so leid. Ich weiß, dass Blumen es nicht annähernd wieder gutmachen können, aber... Vielleicht ist es ein guter Ansatz. Komm wieder nach Hause, Y/n, bitte."
"Das hier ist jetzt mein Zuhause." Gebe ich zurück, als er die Hand nach mir ausstreckt.
"Du weißt, dass ich nicht diese Wohnung meine. Komm wieder nach Hause, bitte. Komm zurück zu mir."
"Hast du etwa keine neue Artistin gefunden?" Noch immer bin ich nicht bereit, ihm zu verzeihen und mein Herz ein weiteres Mal zu riskieren. Doch dieses Mal gibt P.T nicht auf.
"Ich weiß, das habe ich verdient. Aber Y/n, ich habe nie nach jemand Neuem gesucht. Für mich gibt es nur dich. Sowohl als Artistin, als auch als beste Freundin und... Als Frau, die ich liebe. Schon in dem Moment, in dem du gegangen bist, hätte ich mich Ohrfeigen können, aber..."
"Du hast lieber Monatelang gewartet."
"Ich hatte Angst." Gesteht er offen. "Angst, dass du mich nicht sehen willst, mich wegschickst. Und - versteh mich nicht falsch, genau das hätte ich verdient. Das du mir die Tür vor der Nase zuknallst und mir sagst, das ich zur Hölle fahren soll. Aber da bin ich schon, seit dem Moment, in dem du gegangen bist."
"Hast du ihr das gleiche erzählt?"
"Nein. Bei ihr war ich nicht. Ich liebe dich, Y/n. Und es tut mir Leid, dass ich so lange blind dafür war. Du bist ganz und gar nicht wie sie. Du hast recht, dir war immer egal, wie viel Erfolg wir hatten. Ich will das ohne dich nicht machen. Komm nach Hause, bitte."
Seine Hand zittert noch immer, als er sie mir ein weiteres Mal entgegenstreckt...
Doch dieses Mal lege ich meine Hand vorsichtig in seine, so, wie ich es in den Shows schon tausende Male gemacht habe.
"Versau es nicht, Barnum."
"Das werde ich nicht, versprochen." Seine Finger schließen sich sanft um meine und zum ersten Mal seit der Verhängnisvollen Nacht habe ich das Gefühl... Wieder atmen zu können.
Alles, was ich will, ist, wieder nach Hause zu gehen. In die Manege. Zu ihm.
Und als zwei Nächte später wieder die Scheinwerfer auf mir liegen, könnte ich nicht glücklicher sein.
Zumindest glaube ich das - bis P.T das Mikrofon ergreift.
Überrascht sehe ich ihn an, denn er teilt sich die Show sonst mit seinem Assistenten, Phillip, und normal ist er es, der meinen Auftritt anmoderiert...
Doch dieses Mal ist alles anders.
"Ladys and Gentleman, es ist mir eine besonders große Ehre, unseren Star der Show ankündigen zu dürfen. Meine wunderschöne Y/n! Lassen Sie sich von ihr verzaubern, wie sie schon mich vor all den Jahren verzaubert hat. Mein Engel, meine zukünftige Frau - auch, wenn sie es vielleicht selber noch nicht weiß. Bühne frei für die atemberaubende Y/n!" Sein Strahlen könnte selbst die dunkelste Nacht erhellen, als er seine Hand nach mir ausstreckt und mich zu sich in die Manege holt.
"Deine zukünftige Frau?" Frage ich ihn mit einem kleinen Schmunzeln, was ihn lachen lässt.
"Man wird doch wohl träumen dürfen, oder etwa nicht?"
Lachend schüttle ich den Kopf, bevor ich meine Hand aus seiner löse und damit beginne, die Gäste mit meinem Part unserer wunderschönen Weihnachtsshow zu verzaubern.
Und vielleicht, nur ganz vielleicht, träume ich davon, irgendwann wirklich die Frau von Phineas Taylor Barnum zu sein.
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