09 - Extra Vergine
Einblick in das Buchprojekt "Extra Vergine" - den vierten Teil der Pignatelli-Reihe
Die Recherche und die Fakten
Olivenöl Extra Vergine wird den meisten hier ein Begriff sein. Es handelt sich dabei um Olivenöl der reinsten Qualitätsstufe; in der Schweiz und in Deutschland wird es auch als "Extra Natives Olivenöl" gehandelt. Extra bedeutet wiederum, dass es sich um frisch gepresstes Olivenöl (nicht älter als ein Jahr; erste Ernte des Jahres) handelt. Meistens handelt es sich dabei um ein "kaltgepresstes" Öl, welches bei der Produktion nie erwärmt wird, das heißt dessen Temperatur nie über fünfundzwanzig Grad steigt (so hoch klettert die Eigentemperatur bei der Presse der Oliven und beim Rühren des Breis). - In der Theorie.
Der Begriff "Extra Vergine" ist nicht geschützt. Das bedeutet nun, dass alles auf eine Flasche geschrieben werden darf. Als Konsument*in hat man keine Garantie, welche Qualität Olivenöl letztendlich in der Flasche steckt. Etwas Orientierungshilfe bietet der Preis: Ein Olivenöl, welches weniger als fünfzehn Euro kostet pro Liter ist wohl mindere Qualität oder vermischt. Und dabei spielt es keine Rolle, aus welchem Land das Öl stammt - gepanscht wird in Griechenland, in Spanien, in Portugal, in Marokko oder Israel gleichermaßen wie in Italien. Die Olivenölmafia ist überall aktiv, denn es geht um ein Milliardengeschäft.
In den letzten Jahren sind in Italien zwei Gütesiegel aufgetaucht - IGP und DOP. Dabei handelt es sich um zwei Kreise mit gezacktem Rand, einer in blau-gelb und einer in rot-gelb. IGP bedeutet 'Indicatione Geografica Protetta' und garantiert die geografische Herkunft des Öls. Mit anderen Worten: Toskanisches Olivenöl IGP muss aus der Toskana stammen; zumindest einer von drei Verarbeitungsschritten muss in der Toskana stattgefunden haben - und das ist ein erster Schritt in die gute Richtung. Noch strenger ist das rote Siegel DOP, 'Denominatione di Origine Protetta'. Hier müssen alle drei Verarbeitungsschritte in der angegebenen Region stattgefunden haben.
Der Vorteil darin ist, dass die Einhaltung der Bedingungen bei der Vergabe der Siegel kontrolliert und periodisch überprüft wird. Das Panschen wird stark erschwert, was für die Konsumenten mehr Sicherheit bedeutet. Allein in Italien wird rund zehnmal so viel italienisches Olivenöl "Extra Vergine" verkauft, wie produziert wird - bei Stichtests waren von hundert kontrollierten Flaschen deren fünfundneunzig falsch etikettiert. Teilweise war das Öl nicht einmal Olivenöl, sondern nur grünlich gefärbtes Mischöl aus Raps oder Sonnenblumen, mit etwas Geschmack angereichert.
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Die Geschichte - Elenas Buch
Vor diesem Hintergrund spielt der vierte Teil der Pignatelli-Geschichte. Elena und Marco haben inzwischen zwei Kinder: Enzo und die kleine Luana Maria. Ihr Agriturismo läuft sehr gut, der Campingplatz und auch das Automuseum sind stark frequentiert. Vor allem Marco und der kleine Enzo verbringen viel Zeit im Museum, wobei Elena ihre Ferraris regelmäßig 'ausreitet' - wie sie es nennt.
Als kleiner Nebenerwerb bewirtschaften sie rund neunhundert Olivenbäume und stellen ihr eigenes Öl her. Dabei achtet vor allem Elena darauf, alles biologisch herzustellen und auf den Einsatz von Insektiziden oder Erntemaschinen zu verzichten. Die Qualität des "Oglio Antica Puglia" ist dementsprechend hoch, das Öl ein beliebtes Produkt bei den Gästen.
Diese Idylle wird jäh gestört. Eines Jahres sinkt die Ernte in der gesamten Region auf null. Was zuerst als periodisch eintretender Ernteausfall aussieht, stellt sich als Sabotage heraus. Eine Larve, die sich in die Früchte frisst und die Oliven noch am Baum verfaulen lässt, wurde absichtlich ausgesetzt.
Elena findet heraus, dass man vor allem ihrer Verwandtschaft hat schaden wollen, weil die Apulische Mafia den Anbau und den Handel mit Olivenöl aus der Region streng kontrolliert und selbst vor Brandanschlägen auf Olivenhaine 'freier Produzenten' nicht zurückschreckt.
Es kommt zum Zerwürfnis zwischen Elena und ihren Verwandten. Alte Freunde aus Sizilien, Isabella ist inzwischen verstorben, ihre Tochter Donatella, von der bisher niemand gewusst hat, führt die Camorra in der Region Palermo, eilen ihr zu Hilfe. Wie sich der Zwist lösen lässt, bleibt hier noch offen. Mit von der Partie sind auch Umbigwe, Java und Selina.
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Persönliche Ecke des Autors
Wie immer versuche ich auch in diesem Buch, ein wenig bekanntes Tabu-Thema unserer Konsumgesellschaft in eine spannende Geschichte zu verweben. In diesem Fall ist es der Betrug beim Handel mit Olivenöl.
Ich habe mich ein halbes Jahr lang intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt, viele Bücher gelesen und zwei Monate mit einem Olivenproduzenten in der Toskana gearbeitet. Mit mehr als zwanzig Jahren Erfahrung in der Pflege der Bäume, der Ernte der Früchte und der Produktion von handgemachtem, biologischem Olivenöl bin ich mit der Materie bestens vertraut.
In meiner Küche steht nur Olivenöl. Kein Bratfett, keine Butter, kein Frittieröl. Alles kann man mit Olivenöl machen, obwohl sich die Butterindustrie vor allem in der Schweiz vehement dafür einsetzt, man könne Olivenöl nicht erhitzen und nicht zum Anbraten verwenden - so ein Quatsch! Wenn man das Öl richtig behandelt, wird die Olivenölküche zu einer äusserst gesunden Küche. Olivenöl senkt den Cholesterinspiegel und ist sehr gesund für das Herz, die Verdauung und den Kreislauf.
Ich liebe Bäume. Nebst dem mächtigen Redwood Nordamerikas sind meine Favoriten der Eukalyptus, der Baobab, der Mahagoni, die Kastanie und allen voran der Olivenbaum. Habt ihr gewusst, dass ihr ein Stück unbehandeltes Olivenholz selbst nach vielen Jahren einfach im Boden vergraben könnt und daraus ein neuer Baum wachsen kann?
Olivenbäume sind die Quelle der Energie. Lege ich mich an deren Wurzeln ins Gras, lasse ich diese Energie fließen, spüre ich die Unendlichkeit des Lebens - nicht eines Lebens, sondern des Lebens an sich. Unser Leben ist endlich, das wissen wir. Doch das Leben, in welcher Form auch immer, wird weitergehen. Genau das ist schön, denn ich werde ein Teil davon sein; wenn auch nur ein verschwindend kleiner, aber immerhin. Da bin ich - ein Staubkorn im Universum: Ich.
Im menschlichen Zeitalter auf dem Planeten Erde werde ich einige Bücher zurücklassen, die vielleicht einst von SS409 oder ihrer Partnerin B22 (siehe 'Der Bus nach Irgendwann' - Anmerkung) gelesen werden. Sie werden vielleicht durch mich den Olivenbaum kennenlernen, ihn berühren, ihn riechen und das lebensbejahende Öl seiner Früchte kosten - und schon hat sich der Kreis einmal mehr geschlossen.
Vielleicht ist das auch alles bloß esoterischer Humbug, was ich hier schreibe - dann hat es wenigstens Spaß gemacht und das wiederum erzeugt Dopamin, Glückshormon, was mich zufriedener werden lässt und auf meine Umwelt eine positive Wirkung hat, weil ich mehr Liebe verbreite, wodurch dann, streng genommen, die esoterische Wirkung bestätigt wäre - aber lassen wir das.
Der Olivenhain liegt hinter dem Agriturismo, auf dem sanft zur Küste hin abfallenden Gelände. Im goldgelben Morgenlicht glitzern die silbernen Blätter der Bäume, das helle Grün leuchtet dazwischen hervor. Die niederen, knorrigen und verworrenen Stämme schimmern gräulich, die Schatten der vom Tau noch feuchten Bäume ziehen sich lang über das sanft im Morgenwind wiegende Gras. Mit meiner Kaffeetasse in der Hand streife ich zwischen den Bäumen über den Hain. Stille. Die zirpenden Zikaden sind noch nicht erwacht, dann und wann höre ich einen Fasan oder eine kleine Eidechse, welche bereits die ersten Sonnenstrahlen zu erhaschen versucht. Mit meiner freien Hand streife ich durch die Blätter der Olivenbäume, spüre deren scharfe Kanten und lausche dem Rascheln, das ich dabei erzeuge. Vor allem jedoch spüre ich die intensive, vollkommene Zufriedenheit, welche mich in genau diesem Moment erfüllt. Das wird ein guter Tag.
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Hier gebe ich Einblick in eine noch nicht geschriebene Geschichte. Das könnte unter Umständen gefährlich sein. Doch mein Vertrauen in das Gute im Menschen überwiegt. Ich freue mich darauf, dieses Buch zu schreiben und mit euch zu teilen.
Vorerst aber wünsche ich euch einen entspannten, zufriedenen 9. Dezember im Advent. Carissimi saluti - Bruno
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