Brief an den Weihnachtsmann

Lieber Weihnachtsmann,

ich habe mir sehr viele Gedanken darum gemacht, was ich mir in diesem Jahr von dir wünschen soll. Mir hat das neue Einfamilienhaus von Playmobil gefallen, was ich im Katalog gesehen habe. Ich habe zwar schon eins, aber dann wäre meine Stadt noch größer. Ich hatte auch viele Bücher im Buchladen gesehen, die sehr spannend aussahen, als ich mit Papa im Kaufhaus war. Jeden Abend lesen wir zusammen in einem Buch, eine Seite liest er mir vor, dann lese ich eine Seite ihm vor, immer abwechselnd. Das macht ganz viel Spaß und das Lesen sehr viel schöner. Vielleicht sollte ich mir aber doch lieber die neuen Buntstifte wünschen, die für den Kunstunterricht in der Schule super toll wären. Meine Freundin Lia hat die nämlich auch und jetzt sind ihre Bilder noch hundert Mal schöner. Wenn ich doch auch so schön malen könnte. Es gibt da auch ganz viele tolle Spiele, die habe ich im Spielzeugladen gesehen. Puzzle von kleinen Hunden und Katzen oder viele Kartenspiele. UNO habe ich schon, das spiele ich immer mit Papa. Ein Mensch Ärger Dich Nicht von Anna und Elsa habe ich auch gesehen, das habe ich noch gar nicht. Dabei habe ich schon so vieles von den! Freitags und samstags machen Papa und ich immer einen Filmabend und ich darf mir dann eine DVD aussuchen, ich kann mir ja ein paar neue Filme wünschen.

Aber weißt du, Weihnachtsmann, eigentlich habe ich einen anderen Wunsch. Ich habe gestern gehört, wie Papa mit der Mama telefoniert hat. Sie wohnt ganz weit weg von uns und ich sehe sie nicht oft, nur an ein paar Wochenende und den Schulferien. Sie muss so viel arbeiten, sagt Papa immer. Gestern, da haben sie sich mal wieder gestritten und ich habe an meiner Zimmertür gelauscht. Ich weiß, das macht man eigentlich nicht, aber Papa klang so böse, da konnte ich gar nicht spielen. Es ging um Weihnachten, darum, bei wem ich an welchen Weihnachtstagen sein soll. Ich mag diesen Streit nicht und ich mag es auch nicht, Weihnachten ohne Mama oder ohne Papa verbringen zu müssen. Immer wenn Papa mich zu Mama bringt, streiten sie wieder. Und wenn er mich wieder abholt, dann streiten sie auch. Immer sind sie böse zueinander, auch wenn sie immer warten, bis ich in meinem Zimmer bin.

Lieber Weihnachtsmann,

in diesem Jahr habe ich nur einen einzigen Wunsch. Ich möchte kein neues Einfamilienhaus aus dem Katalog, nicht in Büchern auf neue Abenteuer gehen. Ich möchte nicht noch schönere Bilder als Lia malen können und ich möchte auch keinen neuen Film mit Papa schauen. Bitte erfülle mir in diesem Jahr nur diesen einen Wunsch und ich werde mein Leben lang artig sein. Ich wünsche mir, dass ich Weihnachten mit Mama und Papa zusammen verbringen kann. Ohne Streit und ohne böse Worte. Nichts mehr wünsche ich mir. Ich habe doch beide gleich lieb, warum können sie sich dann nicht auch liebhaben? Kannst du mir diesen Wunsch erfüllen, ja?

Deine Kira

Und als der Vater an jenem Abend den geschrieben Wunschzettel seiner Tochter auf dem Schreibtisch findet, spürt er sein Herz brechen. Denn er hat nie gewusst, dass sie all die Streitigkeiten mitbekommt und so sehr unter der Trennung der Eltern leidet. Das Schlimmste aber daran ist doch, dass er nicht weiß, ob er ihr diesen tiefen Herzenswunsch erfüllen kann...