Türchen 15
Das perfekte Weihnachtsgeschenk
„Ach Mann, das ist doch auch scheiße!", schimpft die junge Emmi, die an ihrem Schreibtisch vor dem Laptop sitzt und irgendwie versucht, für ihre beste Freundin ein Weihnachtsgeschenk zu finden.
Aber das ist gar nicht so einfach. Ria ist sehr wählerisch, außerdem hat Emmi immer das Gefühl, dass ihre Freundin doch schon alles hat, was haben will. Es soll ja auch nicht irgendein Geschenk werden, sondern das Beste. Ria macht sich immer so viel mit den Geschenken für sie, egal ob Weihnachten oder Geburtstag. Anfangs sind Emmi auch noch Dinge wie Fotoalben oder abgedruckte Chats eingefallen, aber das kann sie ja nicht schon wieder verschenken. Wenn sie doch nur wüsste, was sie von ihrer besten Freundin zu Weihnachten bekommt, dann hätte sie ja schon mal eine Richtung, in die sie gehen könnte.
Immer wieder klickt sie auf Produkte, fügt sie dem Warenkorb hinzu, nur um sie wenige Minuten später wieder daraus zu löschen. Sie rauft sich durch die wuscheligen Haare, ist frustriert und hat keine Lust mehr. Aber so langsam muss sie mal fündig werden. Sie hatte sogar schon drei Sachen bestellt – ein Glasfoto mit ihrem Lieblingsbild, ein Trinkspiel, was sie unbedingt wollte und eine Fotokarte von Europa für Reiseerinnerungen, da sie zusammen sehr viel Reisen – aber selbst diese Dinge hat sie dann doch wieder verworfen.
Sie sucht auf den unterschiedlichsten Websites, ab und an findet sie personalisierbare Geschenkideen, die sie für einen kurzen Moment gut findet, aber dann fällt ihr doch nichts Passendes dazu ein. Zu allem Überfluss ist ihr Budget nicht mehr wirklich hoch, da sie ja auch Geschenke für ihre Familie kaufen musste.
„Ich brauche eine Pause", beschließt sie letztendlich und steht von ihrem Schreibtischstuhl auf.
Sowieso ist ihre Teetasse leer und ihr Magen meldet sich auch schon. Dazu kommt, dass sie noch eine Runde mit ihrer Papillonhündin Nayla gehen muss, die gerade ihr Nickerchen beendet hat und nun freudig um ihre Beine wuselt.
„Wollen wir erst eine Runde gehen, du kleine Ratte?", neckt sie ihre Hündin liebevoll und holt Geschirr, Mäntelchen und Leine.
Eigentlich ist das gar keine schlechte Idee, denn im Wald kommen ihr meist die besten Gedanken. Sie selbst schlüpft in Winterstiefel und warme Jacke, so macht sie sich mit Nayla auf den Weg.
Es ist eine entspannte Runde, die Emmi wirklich guttut. Wenig Hundebegegnungen und wenn, dann ohne Tutnixe, keine anderen Vorkommnisse und zwischendurch konnte Emmi auch ein paar schöne Winterfotos von ihrer Hündin schießen. Nur in Sachen Weihnachtsgeschenk ist sie nicht wirklich weitergekommen. Ihr kam die Idee mit einer Art Jahresrückblick, aber zum Selbstgestalten fehlt ihr wegen ihres Jobs auch die Zeit, zumal Weihnachten nahezu vor der Tür steht. Zwischenzeitig hatte sie auch überlegt, ob sie Ria eine Zeichnung schenken sollte, aber hier ist ebenfalls die fehlende Zeit Grund für das Verwerfen. Sie hatte zwar ein Bild angefangen, aber irgendwann hatte sie es in den Müll geworfen.
Als sie wieder zu Hause ist, kocht sie sich was zu essen und setzt einen neuen Tee auf. Dazu muss sie ihren Hund und die beiden Katzen füttern. Während sie am Herd steht und wartet, checkt sie via Online Banking ihren Kontostand, dabei fällt ihr was das Handy aus der Hand. Dass sie so viel ausgegeben hat, war ihr gar nicht bewusst. Was macht sie denn jetzt? Sie muss doch das perfekte Geschenk für Ria finden, um ihren Geschenken wenigstens einmal gerecht zu werden!
Frustriert packt sie ihr Handy wieder weg und kümmert sich um ihr Abendessen, obwohl sie jetzt gar keinen Hunger mehr hat. Nayla sitzt neben ihr und schaut sie an, Emmi entfährt ein Seufzen.
„Was mache ich denn jetzt?", fragt sie sich selbst, in der Hoffnung, eine Antwort zu bekommen.
Nayla bellt einmal, aber das bringt ihr leider nicht viel. Doch da kommt ihr in dem Moment eine Idee, eine richtig gute Idee! Sofort greift sie wieder nach dem Handy und schreibt jenen Einfall auf.
Mit dem Abendessen auf dem Schreibtisch sitzt sie wieder vor ihrem Laptop und sucht auf entsprechenden Seiten nach der Umsetzung ihrer Idee. Ria hat ebenfalls einen Hund, einen Australian Shephard, aber es ist nicht ihr erster. Davor hatten ihre Eltern bereits einen, der sie ihre gesamte Kindheit lang begleitet hat und an dem Ria so sehr hing. Als er eingeschläfert wurde mit stolzen 16 Jahren, war Ria wochenlang nicht ansprechbar. Emmi findet eine Fotoidee, sie stellt einen Jahreskalender zusammen und zusätzlich nimmt sie noch einen Kristallschlüsselanhänger, in dem ein ganz besonderes Bild des verstorbenen Tieres steckt. Die anderen bereits gekauften Geschenke wird sie Ria dann einfach zum Geburtstag schenken, dann braucht sie sich darüber keine Gedanken machen.
Zufrieden schaut sie auf den Bildschirm. Die Bestellung wurde erhalten, steht dort geschrieben. Dann sieht sie das Lieferdatum, nach Weihnachten.
„Fuck...", Emmi schluckt.
Jetzt wird sie Ria doch noch enttäuschen müssen, weil das Geschenk nicht pünktlich ankommt. Sie werden sich an Weihnachten sehen und nur von ihnen kann ein mühevolles Weihnachtsgeschenk öffnen. Sie bekommt ein schlechtes Gewissen. Sofort nimmt sie das Smartphone zur Hand, öffnet den Chat mit Ria.
Dein Geschenk ist heute angekommen, hat diese ihr vor einer halben Stunde geschrieben.
Na toll. Auch das noch. Emmi tippt eine Antwort, dass es ihr furchtbar leidtut, aber Rias Geschenk nicht rechtzeitig ankommen wird. Sie erklärt ihrer Freundin, dass sie ewig gesucht hat, jetzt das perfekte Geschenk gefunden hat, und dann das. Sie wird an Weihnachten mit leeren Händen vor ihr stehen. Emmi legt das Handy wieder beiseite, Ria hat die Nachricht sofort gelesen und schreibt bereits an einer Antwort. Wieso kam ihr die Idee nicht früher? Das ist doch jetzt scheiße! Der Bildschirm erhellt sich, eine Antwort.
Mensch Emmi, das ist doch nicht schlimm. Ich kann das voll und ganz nachvollziehen, aber weißt du was? Das perfekte Geschenk bekomme ich doch schon. Jeden Tag. Für mich ist unsere Freundschaft und unser Vertrauen das beste und wertvollste Geschenk, was ich jemals haben werde, und alles andere ist mir nicht so wichtig, Hauptsache wir stehen füreinander ein. Mach dir also keinen Kopf, vielleicht kommt es ja noch pünktlich und wenn nicht, dann packen wir halt später aus, auch nicht schlimm. Ich hab dich lieb.
Das zaubert Emmi nun doch wieder ein Lächeln auf die Lippen und vor allem ist sie nun erleichtert, dass sie das nun hinter sich gebracht hat und sie weiß, dass sie das perfekte Geschenk schon lange gegeben hat.
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