Türchen 10
All I Want For Christmas
Deprimiert liegt Lara auf ihrer Couch. Mitten im Raum stehen die Kartons mit der Weihnachtsdeko, eigentlich hatte sie sich vorgenommen, endlich mal mit dem Schmücken ihrer Wohnung anzufangen. Aber dazu hat sie keine Lust. Heute sollte eigentlich ihr liebster Weihnachtsfilm auf Netflix online gestellt werden, aber sie mag ihn jetzt nicht schauen. Sie möchte in diesem Moment gar nichts machen, selbst das Frustessen hat sie mittlerweile gelassen. So viel dazu, dass Schokolade Endorphine freisetzt. Haha.
Vor zwei Wochen hat ihre Freundin sie verlassen, ausgerechnet für die Ex. Seitdem fühlt Lara sich antriebslos, nichts macht ihr mehr Spaß. Nicht mal mehr auf das anstehende Weihnachtsfest kann sie sich freuen und das, obwohl sogar Schnee für die Festtage angesagt ist. Sie hatte sich für ihre Ex-Freundin ein wirklich aufwendiges und tolles Geschenk überlegt, auch schon mit den Vorbereitungen angefangen. Für nichts. Wie soll sie denn jetzt noch an die wahre Liebe glauben, wenn ihre größte sie vor dem Fest der Liebe verlassen hat?
Hey, willst du mit zum Weihnachtsmarkt?, hatte ihr bester Freund über WhatsApp gefragt, aber sie hat nicht einmal geantwortet.
Sie weiß, dass er es gut mit ihr meint und sie ablenken möchte, aber sie kann sich ja nicht mal zu den einfachsten Dingen aufraffen. Wie denn auch? Ihr Herz wurde herausgerissen!
Ihre Katze Fienchen legt sich zu ihr auf die Couch und mauzt, Lara entfährt nur ein Seufzen. Ein- zweimal streichelt sie die weiß-schwarze Kätzin, lässt dann aber wieder von ihr ab.
Es klingelt an der Tür. Lara hat eigentlich keine Lust aufzustehen und sowieso erwartet sie keinen Besuch oder den Paketboten. Jedoch stellt sich der ungebetene Gast schnell als energisch heraus, denn er oder sie klingelt Sturm. So rafft Lara sich doch auf und geht zur Tür. Auf dem Weg merkt sie, wie kalt ihr eigentlich ist. Hat sie die Heizung überhaupt hochgedreht? Nun, freut sich die Heizrechnung.
„Ist ja gut, du elendige Nervensäge", brummt sie unglücklich und öffnet die Tür einen Spalt, „Was willst du denn hier?"
„Das Trübsal abholen", spricht ihr bester Freund Robin und drückt die Wohnungstür weiter auf.
„Ich hab' keine Lust", entgegnet sie ihm und wendet sich von ihm ab.
„Ach Quatsch, du wirst sehen, ich kriege dich schon abgelenkt. Wir gehen auf den Weihnachtsmarkt, Glühweintrinken, irgendwas leckeres essen."
„Darauf hätte Serena sicher auch Lust gehabt."
„Die war aber so doof und ist wieder zu ihrer Ex gerannt, anstatt bei der pefektesten Frau dieser Welt zu bleiben. Nun schlüpf in Schuhe und Jacke und auf ins Winter Wonderland."
Mit seiner Art bekommt es Robin tatsächlich hin, ihr ein leichtes Lächeln ins Gesicht zu zaubern.
„Aber nicht so lange, okay? Ich gehe mich noch kurz umziehen."
Mit diesen Worten verschwindet sie in ihr kleines Ankleidezimmer. Ihre Motivation hat sich nicht wirklich erhöht, dennoch will sie Robin den Gefallen tun. Schnell zieht sie sich einen warmen Sweater und eine Jeans über und findet ihren besten Freund dann im Wohnzimmer auf, der die erste Weihachtsdeko aufgestellt hat.
„Lass uns lieber los, bevor ich es mir noch anders überlege", sagt sie niedergeschlagen und zieht ihre Winterjacke an.
Sie hört Robin seufzen, ignoriert dies aber und schlüpft in ihre Schuhe.
Da Lara recht dicht vom Weihnachtsmarkt ihrer Kleinstadt wohnt, brauchen sie nur zu Fuß laufen.
Ich könnte mich mit Glühwein besaufen, überlegt sie sich, verwirft den Gedanken aber schnell wieder.
„Schon Weihnachtsgeschenke besorgt?"
„Wozu?"
„Okay, anderes Thema."
Sie weiß, dass sie es Robin nicht leicht macht, aber kann sie das was für? Wenn er deswegen sauer werden sollte, kann er was erleben! Schnaubend schüttelt sie den Kopf, woraufhin Robin sie direkt fragt, ob es ihr gut ginge.
„Witzige Frage."
„Du weißt doch, was ich meine."
Sie erreichen den Weihnachtsmarkt, der doch recht gut besucht wird. Immerhin würde Lara Serena hier nicht über den Weg laufen, denn ihre neue alte Freundin lebt in Hamburg und da ist sie direkt hingezogen. In ihrer Beziehung hat sie dagegen ewig gebraucht, bis sie zumindest halbwegs eingezogen war. Schon eine merkwürdige Sache, wie sie feststellt.
„Hey, ich kann deinen Liebeskummer absolut nachvollziehen. Vertrau mir und du wirst schnellstmöglich nicht mehr an sie denken, okay?", spricht Robin und Lara nickt.
Die beiden sind schon seit der Grundschule befreundet, sind durch dick und dünn gegangen. Selbstverständlich vertraut sie ihm also. Er schleppt sie im nächsten Moment zu den Handwerksständen, um sich die kleinen und großen Dinge anzuschauen. Lara entdeckt eine aus Holz geschnitzte Katze, Robin merkt sich diese als potentielles Weihnachtsgeschenk. Als Lara schon ein Stück vor geht, kauft er das kleine Kätzchen dem Schnitzer ab. Erstmal steckt er diese in seine Jackentasche, damit Lara davon nichts mitbekommt.
„Hast du Hunger?", hakt er nach kurzer Zeit nach, doch sie schüttelt den Kopf.
„Nicht wirklich."
„Also Crêpe?"
Er kennt sie einfach zu gut und einen Crêpe mit Schokocreme könnte sie jetzt wirklich vertragen. Auch wenn es in den letzten Tagen schon viel von der Schokocreme gab. Sie suchen sich ihren Stammstand, wo sie immer die französischen Pfannkuchen kaufen. Dieser schmeckt Lara doch ziemlich gut und sie hat ihn schneller verdrückt als Robin, dabei atmet er praktisch sein Essen ein.
„Wow", kommentiert er dabei, bevor er seinen letzten Rest aufisst.
Die Eisbahn, die hier auf dem Adventsmarkt das größte Highlight ist, versetzt Lara einen Stich ins Herz. Hier ist sie immer mit Serena Hand in Hand gefahren, haben gelacht und eine wunderschöne Zeit gehabt, die nie wieder kommen wird. Zu allem Überfluss läuft auch noch „All I Want For Christmas". Lara steigen die Tränen in die Augen, was Robin natürlich bemerkt.
„Wollen wir erstmal woanders hin?", fragt er vorsichtig.
„Nach Hause?"
„Das meinte ich nicht. Ich habe eine Idee, komm", Robin nimmt ihre Hand und zieht sie hinter sich her.
Am anderen Ende des Weihnachtsmarktes stehen zwei Karusselle, die gerade recht leer sind. Irritiert schaut Lara ihren besten Freund an, was hat er vor?
„Komm."
„Nicht dein Ernst!"
„Wir haben dieses Karussell als Kinder geliebt. Was spricht dagegen?"
„Wir sind über zehn Jahre alt", dabei deutet sie auf ein Schild.
Robin lächelt und geht zu dem Kassenhäuschen, spricht mit der dahinter sitzenden Dame.
Kurz darauf kommt er mit zwei Fahrchips wieder. Ungläubig starrt sie auf die kleinen Plastikdinger in seiner Hand. So wie die aussehen, sind sie in den letzten Jahren nicht ausgetauscht worden. Aber sie wecken gleichzeitig Erinnerungen.
„Na los", grinsend schiebt er seine beste Freundin zu dem Fahrgeschäft.
Sie wählt das Feuerwehrauto, schon früher hat sie das geliebt. Robin nimmt das Polizeiauto und passt dort nur schwer rein. Der Mann ist allerdings auch fast einen Meter neunzig groß und seine Knie sind nun an seinen Ohren.
Lara hatte in den letzten Wochen nicht so viel Spaß, wie während dieser Karussellfahrt. Plötzlich hat sie sich wieder wie ein Kind gefühlt, sorgenfrei und glücklich. Für einen Moment konnte sie ihren Herzschmerz und den verursachenden Menschen, den sie so geliebt hat, vergessen. Nun steht sie mit Robin an einer Glühweinbude und trinkt genüsslich ihr heißes Getränk. Dazu hat Robin noch eine sündhaft teure Packung Gebrannte Mandeln spendiert, die sie dabei verdrücken. Ab und an laufen Menschen an ihnen vorbei, die sie kennen. Man grüßt sich, der eine oder andere bleibt kurz stehen und quatscht noch mit ihnen. Lara hätte sich heute Morgen noch nicht vorstellen können, dass ihr die Gesellschaft so guttut. Das erste Mal nach zwei Wochen kann sie wieder (ehrlich) lachen und fühlt sich richtig gut. Wenn Serena sich amüsieren und glücklich sein kann, dann kann Lara das auch. Sie trinkt den letzten Schluck ihres Glühweins leer und schaut in Robins Becher, der ebenfalls eben geleert wurde. Sie nimmt Robins Hand und lächelt.
„Komm, lass uns Schlittschuhlaufen."
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