1. Türchen
Coffeeshop
Wie so oft hetze ich aus die Treppen nach oben. Ich hasse es manchmal, in der Londoner Innenstadt zu arbeiten, aber das ist jammern auf hohem Niveau. Heute ist die Schlange in dem kleinen Coffeeshop, zu dem ich jeden morgen gehe, zum Glück nicht allzu lang. Ich warte nur wenige Augenblicke, bis der junge Barista auf der anderen Seite der Theke mich anspricht.
„Guten Morgen, was bekommen Sie?" Er lächelt und seine Grübchen tauchen auf, die mir schon das erste Mal, als ich hier war, aufgefallen bin. „Einen Latte zum mitnehmen bitte, wenn es geht mit Mandelmilch." sage ich routiniert, obwohl mir klar sein sollte, dass es die hier nicht gibt. Ich bin nur leider laktoseintolerant und kann kaum etwas anderes in meinem Kaffee trinken.
„Tut mir leid, wir haben nur normale, laktosefreie Milch." erwidert er entschuldigend und ich nicke stumm, bevor ich ihm das Geld gebe. Als er die Milch aufschäumt, mustere ich ihn. Er ist hübsch, sehr sogar. Seine braunen Locken hat er sich nach hinten gebunden, aber eine Strähne fällt immer heraus und kräuselt sich rechts neben seinem Gesicht. Er streicht sie zwar ab und an hinter sein Ohr, aber sie fällt ja doch wieder nach vorne.
Seine grünen Augen hat er nun auf meinen Becher geworfen, den ich ihm jeden morgen gebe. Ich möchte einfach nicht jeden Monat fast zwei Dutzend Pappbecher wegschmeißen; also habe ich mir irgendwann meinen eigenen besorgt und nehme nun den jeden Tag mit. Gekonnt lässt er den Kaffee in die Milch fließen, schließt den Becher und gibt ihn mir. „Haben Sie einen schönen Tag." - „Gleichfalls." lächle ich und verfluche mich draußen wie jeden Tag aufs Neue, dass ich ihm meine Nummer nicht gegeben habe.
Ich hatte schon so oft vor, einfach einen Post-It zu nehmen, sie darauf zu schreiben und an meinen Thermobecher zu kleben, bevor ich ihn ihm gebe. Aber nein, ich hab nicht den Mumm dazu. Ich schlage den Weg ins Büro ein, das hier um die Ecke ist und trinke einen Schluck von meinem Latte. Er ist gut, wie immer, wenn der junge Barista ihn zubereitet.
Es dauert nicht lange, da habe ich den Kaffee auch schon wieder ausgetrunken und heute könnte ich tatsächlich einen zweiten vertragen. Shit happens. Mein Kollege Liam betritt mein Büro. „Kommst du mit in die Pause?" fragt er mich und verdutzt sehe ich auf die Uhr. Doch schon so spät? „Klar, wieso nicht." Ich logge mich aus und folge ihm mit meinem Mittagessen in den Pausenraum, wo ich die Dose für einige Minuten in die Mikrowelle stelle.
„Wie geht es deinem Barista." grinst er wissen und ich werfe ihn mit einer Packung Taschentücher ab, die zufällig auf dem Tisch lag. „Ey!" - „Nerv mich nicht." - „Du schwärmst doch ständig von ihm." beschwert er sich und fängt an zu essen. Ich hole die Dose wieder raus und merke erst jetzt, dass ich inzwischen doch ein wenig Hunger bekommen habe. „Das war einmal und ich war betrunken." - „Das waren mindestens die letzten fünf Male, als wir trinken waren." korrigiert er mich und ich verdrehe die Augen. „Und jetzt?"
„Hast du es wirklich immer noch nicht geschafft, ihm seine Nummer zu geben?" fragt er ungläubig und schüttelt den Kopf. „Echt, Louis, mach es doch einfach. Was hast du zu verlieren." - „Ach halt die Klappe, Liam." murre ich genervt. Ich weiß doch selbst, dass ich mich wie ein verfluchtes Weichei benehme und das man wirklich meinen sollte, dass ich mit Mitte zwanzig weiß, wie ich meine Nummer an einen blöden Becher klebe.
Liam wollte unbedingt mal mit mir in den Coffeeshop kommen, aber ich habe immer abgelehnt. Er weiß zum Glück nicht, welcher es ist, denn ansonsten wäre er mit Sicherheit schon hingegangen und hätte vermutlich lautstark nach einem Kellner, der von seinem Kollegen als wirklich hübsch, mit Locken und grünen Augen und Grübchen und pinken Lippen, beschrieben worden wäre, weil dieser leider nicht dazu in der Lage ist, sich ein Rückgrat wachsen zu lassen.
Nein danke, darauf kann ich wirklich verzichten, das brauche ich nicht. Liam denkt zum Glück ja sowieso, dass der Shop irgendwo in dem Viertel ist, wo ich wohne und nicht direkt um die Ecke vom Büro. Das wäre ja noch schöner.
Am nächsten Tag hole ich mir wie immer meinen Latte und verschlafen frage ich wieder, ob es nicht doch Mandelmilch gibt. Der süße Barista entschuldigt sich abermals und innerlich schlage ich mit vor die Stirn; so langsam sollte ich es doch wirklich gelernt haben. Also trinke ich meinen Latte mit laktosefreier Milch und gehe ins Büro.
Eine Woche später frage ich dann nicht mehr nach Mandelmilch, auch, wenn ich mich in der Tube immer daran erinnern muss, dass ich es nicht sage. Heute habe ich zum Glück etwas Zeit und ich bin etwas früher im Coffeeshop. An der Stelle des Baristas steht eine junge Frau. Wo ist er? Ich seufze und bestelle dann bei ihr. Sie nickt nur und ich gebe ihr das Geld, bevor sie meinen Becher annimmt und mir meinen morgendlichen Kaffee macht. Wie gut, dass ich meine Nummer nicht darauf geklebt habe. Das wäre es noch gewesen; ich traue mich dann doch mal und sie erreicht jemand ganz anderen.
Gerade, als sie den Deckel schließt, schwingt die Tür zum Personalbereich auf und mein Blick hebt sich. Es ist der Barista, der mich verwundert ansieht, sich dann umdreht und auf die große Uhr an der Wand sieht. Ich bin gute zehn Minuten früher als sonst da und ich bilde mir ein, es ist ihm aufgefallen. Gerade, als seine Kollegin mir den Becher geben will, funkt er dazwischen. „Nein, warte."
Seine raue, tiefe Stimme ruft ein Kribbeln auf meiner Haut hervor, aber ich reiße mich zusammen. Er nimmt den Becher und schüttelt meinen Latte in die Spüle. Ähm.. okay? Seine Kollegin scheint genauso wenig wie ich zu verstehen, was hier gerade vor sich geht und sieht ihn irritiert an. „Der war frisch." - „Weiß ich." antwortet er nur und spült den Becher schnell mit klarem Wasser aus. Dann bückt er sich und holt etwas aus dem Schrank unter der Kaffeemaschine. Seufzend sehe ich auf mein Handy, stelle aber fest, dass ich noch genug Zeit habe.
„Hier." Etwas erschrocken schaue ich auf und sehe, dass er mir meinen Thermobecher mit dem frischen Latte hingestellt hat. „Äh.. danke." antworte ich, immer noch etwas irritiert und nehme ihn, um einen Schluck zu trinken, als ich rausgehe. Als sich der Geschmack auf meiner Zunge ausbreitet, stocke ich jedoch und bleibe stehen, bevor ich verwundert doch einen Schluck probiere. Es schmeckt anders, besser, als sonst.
Irritiert drehe ich mich um und sehe, dass der Barista schon den nächsten Kaffee zubereitet, als er ihn aber einen Moment später dem Kunden hinstellt, blickt er zu mir, unsere Blicke kreuzen sich und er lächelt für einen Bruchteil eines Augenblicks.
Wieder schaue ich auf meine Uhr. Ich habe noch zehn Minuten, bis ich vor meinem Schreibtisch sitzen muss. Genug Zeit also. Vorher atme ich jedoch tief ein und wieder aus, bevor ich mich umdrehe und zurück zur Theke gehe. „Alles okay?" fragt seine Kollegin verwundert und ich nicke. „Ich übernehme das." sagt er schnell und sie arbeitet weiter. „Hi." sagt er dann etwas schüchterner und blickt kurz auf meinen Becher.
„Hey." lächle ich unsicher und versuche meine Gedanken zu ordnen. „Uhm... das ist keine laktosefreie Milch, oder? Es schmeckt anders." sage ich dann gerade heraus und er nickt schnell. „Es ist Mandelmilch." Überrascht sehe ich ihn an. „Aber -" - „Ja, ich weiß, aber Sie kommen ja jeden Tag her, also... -" - „Sie haben die extra gekauft?" Er zuckt mit einer Schulter. „Ich war gestern sowieso im Supermarkt und dann hab ich die gesehen und... ja." Er hat sie auch noch von seinem eigenen Geld bezahlt? Heilige Scheiße, ich glaube, mein Herz explodiert gleich.
Ich lächle und fahre mir nervös durch die Haare. „Dann.. danke?" - „Gerne, Louis." erwidert er. „Oh, dein Name steht auf dem Becher." erklärt er schnell und ich schaue auf sein Namensschild, wo jedoch nur H. Styles steht. „Harry." beantwortet er mir die unausgesprochene Frage. Ich nicke und sehe, dass er einen Kugelschreiber in der Tasche der Schürze hängen hat. Bevor ich weiter darüber nachdenken kann, habe ich ihn mir geschnappt, eine Servierte genommen und kritzle meine Nummer darauf.
Er nimmt den Kugelschreiber wieder an und dann die servierte, die er vorsichtig in der Mitte faltet und in die kleine Tasche steckt. „Wann hast du Zeit?" fragt er dann gerade heraus und ich merke, dass ihm gerade endlich meine Nummer gegeben habe." - „Uhm... Freitag?" schlage ich vor und er nickt lächelnd. „Gut, ich schreibe dir nachher." antwortet er mir. „Bis morgen?" - „Natürlich." erwidere ich glücklich und mein Herz hämmert gegen meine Rippen, als ich mich auf den Weg ins Büro mache.
Wie immer freue ich mich über Kommentare und Votes, werde es aber nicht nach jedem Türchen schreiben. Wäre aber cool, wenn ihr trz was da lasst❄😁
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