
Der 6. Dezember (von mir)
Sally saß im Schneidersitz auf ihrem Bett und öffnete gespannt das Paket, das vor ihr auf der warmen Bettdecke lag. Mit einer Schere fuhr sie den Klebestreifen entlang und legte das Werkzeug anschließend zur Seite, um sich ungestört daran zu machen, die beiden Kartonflügel zu heben. Sofort leuchteten ihr von Innen mehrere Gegenstände in Rot entgegen und zauberten Sally automatisch ein Lächeln auf ihr Gesicht. Manche Dinge würden sich wohl nie ändern.
Mit einem warmen Gefühl in der Brust hob Sally bedächtig eine der kleinen, roten Tüten aus dem Paket und inspizierte neugierig den Inhalt. Es waren eine Handvoll ungeschälte Erdnüsse darin, ebenso drei verschiedene Mini-Schokoriegel und eine Mandarine. Sally lief schon alleine beim Anblick davon das Wasser im Mund zusammen.
Doch sie zwang sich dazu, die Tüte beiseite zu legen und erneut in den Karton zu schauen. Darin befanden sich noch zwei weitere solche Tüten und ein großer Schokoladen-Nikolaus.
Sally betrachtete ein wenig wehmütig die roten Tüten mit den Aufklebern, die Nikolaus und Krampus zeigten, und den Schokoladen-Nikolaus, wenngleich sie zur selben Zeit auch ein schönes Gefühl durchströmte. All das erweckte Erinnerungen an früher in ihr; Erinnerungen an die Tage, an denen sie noch Zuhause gelebt und an das Wunder 'Nikolaus' geglaubt hatte.
"Gute Nacht", gab die etwa sechsjährige Sally erneut von sich und sah noch ein letztes Mal zum Küchentisch, ehe sie sich zusammenriss und die Treppe nach oben tapste. Sie war bereits jetzt schon aufgeregt und wusste, dass ihr an diesem Abend das Einschlafen wieder einmal besonders schwerfallen würde. Es war der 5. Dezember und heute in der Nacht würde der Nikolaus mit seinem Gefährten dem Krampus ihrem Haus einen Besuch hinterlassen – und wenn sie das Jahr über brav gewesen war, würden sie Schokolade und Geschenke dalassen.
Sally schlüpfte durch die offene Zimmertür und schloss sie hinter sich, ehe sie sich im Dunkeln den Weg zu ihrem Bett suchte. Ein wenig ausgefroren kuschelte sie sich erleichtert unter die flauschige Bettdecke und schloss die Augen. Sie war zwar nicht müde, aber sie wusste, dass sie Nikolaus und Krampus bei ihrer Arbeit nicht stören durfte, außerdem verging die Zeit im Schlaf viel schneller.
Sally bemühte sich, nicht nach auffälligen Geräuschen zu lauschen, obwohl es so verführerisch war. Sie wusste, dass die Beiden das nicht wollen würden, denn sie wollten nicht gesehen, geschweige denn beobachtet werden, und dazu zählte Lauschen ja doch irgendwie dazu. Nikolaus und Krampus waren gütige und gutherzige Wesen, da musste sie ihnen nicht zusätzlich Schwierigkeiten bereiten - außerdem wollte sie die Beiden auch nicht verärgern, wenn sie ehrlich war. Sie wusste nicht, wie diese dann reagieren würden und sie wollte nicht unnötig etwas riskieren, nur um das herauszufinden.
Es dauerte tatsächlich ein wenig, bis Sally mit ihren Gedanken ins Reich der Träume wanderte, aber irgendwann war es schließlich soweit, und sie bekam es nicht einmal bewusst mit.
Am nächsten Morgen öffnete Sally die Augen und war mit einem Schlag wieder aufgeregt. Heute war der 6. Dezember, das bedeutete, heute war der Nikolaus da gewesen! Energievoll krabbelte Sally aus ihrem Bett und wechselte ihre Schlaf-Klamotten gegen Normale, ehe sie zu ihrem Adventkalender trat und das 6. Türchen öffnete. Genussvoll mampfte sie das erste Schokoladenstückchen dieses Tages und schlich dann zur Tür, um sie vorsichtig ein wenig zu öffnen.
Sally lugte gespannt durch den entstandenen Spalt und erspähte sogleich auf der anderen Seite des Flurs ihre beiden älteren Geschwister, die ihren Blick erwiderten. Alle drei Kinder grinsten sich wie auf Kommando an und traten dann aus ihren Zimmern heraus, um sich im Flur vor der Treppe zu versammeln.
Sie warteten aufgekratzt einen Moment lang, dann warfen sich alle noch einmal einen Blick zu, ehe sie in stiller Übereinkunft gemeinsam begonnen, hintereinander die Treppe nach unten zu steigen.
Sally ging voran, weil sie die Jüngste war, und so war sie auch die Erste, die das Untergeschoss erreichte und sofort den komplett gedeckten Küchentisch sah. Der Tisch war überfüllt mit lauter roten Tüten unterschiedlichster Größe, alle mit einem Aufkleber, der zeigte, dass sie von Nikolaus und Krampus stammten. Dazwischen konnte Sally auch noch Jutesäcke erkennen, die denselben Aufkleber zeigten, ebenso wie große Schokoladen-Nikoläuse und –Krampusse.
Überwältigt wollte Sally sogleich zum Tisch rennen und sich alles genauer ansehen, als ihr Blick auf ihre Eltern fiel, die ganz in der Nähe standen und liebevoll lächelnd ihre Kinder betrachteten. So lief sie zuerst zu diesen beiden und umarmte sie zur Begrüßung, ehe sie sich anschließend dem Tisch zuwandte und jede Tüte und jeden Jutesack genauesten untersuchte.
Ihre Geschwister machten es ihr nach und lugten überall genauso neugierig hinein. Immer wieder ertönte ein überraschter Ausruf, wenn eines der Kinder etwas besonders Tolles entdeckt hatte, woraufhin meistens sogleich die anderen beiden angelaufen kamen und ebenfalls den jeweiligen Gegenstand untersuchten.
Nachdem die Tüten und Säcke schließlich soweit durchgeschaut waren, machten sich die Kinder daran, die ebenfalls rot verpackten Geschenke zu öffnen. Erneut ein wenig aufgeregt entfernte Sally das einfarbige Geschenkpapier und hielt gleich darauf die Fortsetzung eines Buches in der Hand, welches sie vor kurzem bekommen und sogleich zu Ende gelesen hatte. Erfreut grinste Sally und zeigte es ihren Geschwistern und ihren Eltern. "Das ist genau das, was ich mir gewünscht habe!", rief sie währenddessen.
Nach dem Geschenke-Auspacken machte sich die Familie dann daran, gemeinsam ausführlich zu frühstücken und in den Tag zu starten.
Sally musste bei der Erinnerung daran grinsen. Im Nachhinein betrachtet war das 'Nikolaus-Wunder' natürlich irgendwo ziemlich unrealistisch und sie fragte sich, wie sie je glauben konnte, dass es wirklich der Wahrheit entsprach. Andererseits aber war sie noch ein Kind gewesen und ihre Eltern hatten es ihr glaubhaft weisgemacht, während sie sich in Wahrheit jedes Mal halb die Nacht um die Ohren geschlagen hatten, nur um ihre Kinder zu überraschen und sie strahlen zu sehen.
Sallys Grinsen wandelte sich in ein sanftes Lächeln und gerührt legte sie das Paket zur Seite, um aufzustehen und nach ihrem Handy zu suchen. Sobald sie es gefunden hatte, wählte sie die Nummer ihrer Eltern und ließ es läuten.
"Hallo, Mama und Papa", begrüßte Sally ihre Eltern immer noch lächelnd, als diese schließlich abhoben. "Schönen Nikolo! Und vielen, vielen Dank für dieses supertolle Paket, es ist einfach perfekt...
Geschrieben von: @Sirielta (also mir selbst)
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