Ein Date?
"Komm gut heim und verlauf dich nicht wieder!", rief Nishinoya seinem Teamkameraden hinterher, als dieser das Grundstück von ihm und seiner Familie verließ, und winkte ihm fröhlich zu.
"Ich geb mir Mühe.", rief Asahi zurück und verschwand schließlich hinter einer Hausecke.
Noya war ihm wirklich dankbar dafür, dass er es so lange mit ihm ausgehalten und sich sein Gejammer angehört hatte. Jeder andere hätte wohl irgendwann die Flucht ergriffen, um sich nicht von seiner schlechten Laune anstecken zu lassen. Umso glücklicher war er, dass Asahi in dem Punkt anders war. Er hätte es selbst nicht für möglich gehalten, doch das Gespräch mit ihm hatte tatsächlich geholfen. Es war, als wäre eine riesige Last von ihm abgefallen. Asahi hatte ja insgeheim recht. Er und Ryu kannten sich schon zu lange, als dass ihre Freundschaft unter so etwas leiden sollte. Er würde einfach ganz normal mit ihm umgehen. Vielleicht würden sie reden, vielleicht würden sie das Ganze aber auch im Sand verrinnen lassen und Noya würde irgendwann über seine unerwiderten Gefühle für seinen besten Freund hinwegkommen. Vielleicht war es auch nur eine Phase und es würde bald vorbeigehen? Man konnte ja nie wissen.
Sobald das Ass aus seinem Blickfeld verschwunden war, kehrte wieder diese seltsame, kribbelige Nervösität zurück, die ihn schon die ganze Zeit geplagt hatte. Natürlich freute er sich insgeheim auf Ryu, dessen Gesellschaft er schon den ganzen Tag über vermisst hatte. Gleichzeitig fühlte er sich schlecht, weil er sich über dessen versautes Date freute. Es mochte seine Eifersucht lindern, aber seine Schuldgefühle verdoppelten sich dafür eher noch.
Nervös tigerte er durch die Wohnung bis er vor einem Wandspiegel im Flur stehen blieb, den seine Mutter immer nutzte, wenn sie sich für eine Veranstaltung aufstylte. Er blieb davor stehen und erschrak regelrecht, als er sein Spiegelbild erblickte. Er sah nicht nur verheult aus, er sah auch noch aus als wäre er gerade eben aus dem Bett gekrochen. Das T-Shirt, welches er schon am Vortag angezogen hatte, war leider nicht mehr ganz fleckenfrei und die viel zu kurze Jogginghose, die er nach dem Aufstehen lustlos aus seinem Kleiderschrank gekramt hatte, hätte auch gut als Unterwäsche durchgehen können. So konnte er Ryu doch nicht gegenübertreten!
Innerlich schüttelte er den Kopf darüber, dass er sich neuerdings so viele Gedanken um sein Äußeres machte. Klar, er gab sich morgens immer viel Mühe damit seine Haare zu stylen, aber das hatte eher den Zweck, ihn größer wirken zu lassen und die blonde Strähne war auch eher eine spontane Entscheidung gewesen. Ryu hatte ihn auch nie dafür kritisiert, wenn er mal etwas schlampig aussah. Warum auch? Unter Freunden war das doch kein Thema. Vielleicht war es der Gedanke, dass Ryu sich für sein Date mit diesem Mädchen besonders aufgebrezelt haben musste? Irgendwie gefiel ihm der Gedanke von Tanaka in schicken Sachen, wenn auch der Anblick nicht für ihn bestimmt war.
Hektisch sprang er unter die Dusche und zog sich danach neue Klamotten an, die zwar immer noch freizeittauglich aussahen, aber schon zu seinen besseren gehörten. Er hatte seine Haare noch noch nicht ganz abgetrocknet, als es zum zweiten mal an diesem Tag an der Tür klingelte. Mit einer Mischung aus Angst und Vorfreude hechtete er zur Tür, um eben diese aufzureißen. Vor ihm stand, wer hätte es gedacht, sein Kumpel Ryu, der sich tatsächlich in Schale geschmissen hatte. Er hatte ein figurbetonendes dunkelblaues Hemd an, schwarze, enganliegende Jeans und eine schwarze Lederjacke, die so verdammt cool an ihm aussah, dass es Noya die Sprache verschlug. Warum hatte er solche Sachen und warum zog er sie nie an, wenn er mit ihm unterwegs war? Da war sie wieder, die Eifersucht.
"Hey, Ryu! Na, alles cool bei dir? Siehst gut aus.", begrüßte Nishinoya ihn und biss sich beim letzten Satz auf die Zunge. Toll gemacht, Noya. Wirklich toll gemacht.
Der Angesprochene lachte nervös und wich verlegen seinem Blick aus. Er fand das wahrscheinlich genauso peinlich wie Noya selbst.
"Lust auf Zocken? Oder lieber Film gucken?", versuchte Nishinoya von der unangenehmen Situation abzulenken, in die er sich und seinen Freund gebracht hatte.
"Zocken klingt gut.", sagte Ryu mit einem Nicken und hängte seine (immer noch verdammt coole) Lederjacke an die Gaderobe. Nishinoya war insgeheim froh über seine Entscheidung, da er sich aktuell sowieso nicht auf Filme konzentrieren konnte. Wäre es nicht stockfinster draußen, hätten sie auf der naheliegenden Wiese Volleyball gespielt aber auch mit Videospielen konnte man sich wunderbar abreagieren. Da war er wenigstens gefordert und konnte seine Gedanken nicht zu sehr schweifen lassen.
Die beiden spielten eine Weile und probierten fast alle Spiele aus, die Nishinoya in seiner Sammlung hatte. Auch wenn das bedeutete, dass sie manche Spiele nur 5 Minuten lang spielten, um dann zu entscheiden, dass die Nostalgiebrille der beiden nur in den wenigsten Fällen gegen die Realität ankam. Irgendwann waren sie bei Mario Kart angekommen und Ryu hatte einen Heidenspaß daran, Nishinoya bei jeder Gelegenheit von der Rainbow Road zu kicken und ins endlose Nichts zu befördern. Noya war sich sicher, dass seine schwindende Konzentration vor allem dadurch verursacht wurde, dass Ryu mit der Zeit immer näher an ihn herangerückt war. Sie waren zwar schon immer sehr körperlich miteinander gewesen, aber da hatte Noya auch noch nicht diese Gefühle für seinen Freund gehabt.
"Hey, kozentrier dich mal, du fährst ja schlimmer als meine Schwester!", lachte ihm Tanaka ins Ohr, wobei dieser seinen warmen Atem spüren konnte, der ein heftiges Kribbeln auf seiner Haut verursachte. Wenn er es nicht besser wüsste, würde er meinen er wäre krank. Er versuchte zurückzulachen aber es klang eher wie ein Krächzen oder ein sterbendes Tier. Ryu ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen und schenkte Noya auch weiterhin nichts in dem Spiel. Nachdem sie mit allen vorhandenen Cups einmal durch waren und Noya immerhin ein paar Bronzepokale gewonnen hatte, beschlossen sie eine Pause zu machen. Tanaka hatte sich am Küchenschrank bedient und zwischen Reiscrackern und Sushi-Resten vom Vortag noch eine große Tüte Popcorn gefunden, über die er sich wie ein kleines Kind freute. So saßen sie auf dem Sofa zusammen und aßen Popcorn. Auch Noya langte zu, da er inzwischen wirklich großen Hunger hatte. Nur von Limo und Kaugummi konnte man eben auch nicht leben. Auch wenn Popcorn jetzt nicht unbedingt wesentlich nahrhafter war.
Während sie noch aßen, hob Ryu plötzlich seinen rechten Arm und legte ihn um Noyas Schulter. Der Kleinere zuckte zusammen und merkte, wie sich sein Puls beschleunigte. Es wurde nicht besser, als Ryu damit nicht mehr zufrieden war, und ihn schließlich noch näher an sich heranzog, sodass ihre Oberkörper nur noch durch ein paar Lagen Stoff voneinander getrennt waren. Eigentlich waren das alles ganz normale Freundschaftsgesten bei denen keiner von beiden irgendwelche Hintergedanken haben sollte. Noya schämte sich ein wenig dafür, dass er jetzt doch welche hatte, während sein bester Freund völlig ahnungslos war. Aber gleichzeitig lösten Ryus Berührungen solch eine angenehme Wärme in ihm aus, dass es keinen Ort gab, an dem er in dem Moment lieber sein wollte. Er würde es einfach genießen und nicht weiter darüber nachdenken. Ryu war sein bester Freund und er liebte ihn, auf seine eigenen Art und Weise. Das konnte ihm niemand schlechtreden.
"Weißt du was, bro?", fing Tanaka an und Nishinoya warf ihm einen fragenden Blick zu. Er hoffte, dass seine Nervösität nicht zu offensichtlich war und sein Gesicht nicht so rot war, wie es sich anfühlte.
"Mir ist heute so einiges klar geworden.", sagte er und Noya schnaufte ungeduldig aufgrund dieser vagen Aussage, die nichts weiter als ein Platzhalter für das war, was Ryu eigentlich sagen wollte.
"Mach's nicht so dramatisch, man! Was ist dir klar geworden?"
"Mir ist klar geworden, dass ich den Tag von Anfang an mit dir hätte verbringen sollen.", sagte Tanaka und sah Noya mit festem Blick an, welcher daraufhin glaubte, gleich auf der Stelle tot umzufallen. Wusste sein Freund überhaupt, was er mit seinen Worten in ihm auslöste? Nein, natürlich nicht, sonst würde er sich ja wohl anders ausdrücken, oder etwa nicht?
"Du bist den ganzen Abend schon irgendwie unentspannt, gehts dir nicht gut oder so?", fragte Tanaka und musterte ihn strinrunzelnd.
"Nee, ich bin wohl nur n' bisschen übermüdet.", antwortete Noya und hoffte, dass es halbwegs glaubwürdig rüberkam. Er war nicht bereit dazu, ihm die Wahrheit zu erzählen. Auch wenn er es Asahi mehr oder weniger versprochen hatte. Es war eine Sache darüber nachzudenken, aber eine ganz andere, es dann auch wirklich zu tun. Er hatte wohl einfach zu viel Angst vor den Reaktionen seines besten Freundes. Gerade war doch alles so schön zwischen ihnen, das wollte er nicht mit falsch gewählten Worten kaputt machen.
"Hm...Okay, sollen wir ins Bett gehen?", fragte Tanaka und Noya verschluckte sich glatt an seiner eigenen Spucke bei der unschuldig gemeinten Aussage. Gut, dass er mit dem Popcorn essen aufgehört hatte, sonst wäre er jetzt wohl jämmerlich erstickt. Was war nur los mit Ryu, was war mit ihm los? Konnte er sich vor ihm denn gar nicht mehr normal verhalten und musste er alles zweideutig verstehen? Ryu und er übernachteten doch ständig beieinander, da war überhaupt nichts dabei. Während er noch hustete und um Luft rang, schüttelte er heftig mit dem Kopf und Tanaka sah noch verwirrter drein als vorher.
"Was war denn eigentlich so schlimm an euren Date?", fragte Noya mit brüchiger Stimme nachdem er wieder richtig Luft bekam, einerseits um von seinem dämlichen Hustenanfall abzulenken und andererseits, weil er langsam wirklich neugierig war. Seine Eifersucht gegenüber dem Mädchen, dessen Name ihm immer noch nicht eingefallen war, hatte sich seit ihrem Telefongespräch, und insbesondere nach der kürzlichen Aussage seines Freundes, praktisch verflüchtigt und es tat nicht mehr so weh, sich Ryu mit ihr zusammen vorzustellen. Es war ja eh nichts daraus geworden.
Also erzählte Ryu ihm von seinem Horror-Date. Anscheinend war Himari-san doch nicht so ein tolles, nettes Mädchen, wie er erst vermutet hatte. Sie war zwar bildhübsch und eigentlich auch sein Typ, aber von ihrer ganzen Persönlichkeit her, passte sie überhaupt nicht zu ihm. Er hatte sich während des Dates zu Tode gelangweilt und sie hatte sich auch nicht für eins seiner Hobbies interessiert. Die meiste Zeit hatten sie sich nur angeschwiegen. Er hatte sich gewundert, warum sie ihm überhaupt einen Brief geschrieben hatte. Vielleicht aus dem gleichen Grund, warum er mit ihr ausgegangen war, auch wenn sie vorher nichts miteinander zu tun hatten. Vielleicht war es auch eine Verwechslung oder es steckte eine Wette dahinter, von der er nichts wusste.
"Ich bin so froh, dass das vorbei ist. Trotzdem bin ich enttäuscht, dass wir uns nicht näher gekommen sind. Ich wollte wenigstens einmal in meinem Leben ein Mädchen küssen. Einmal.", meinte Ryu und klang irgendwie verbittert. Noya wollte ihm etwas antworten wie: "Du findest schon noch die Richtige." und "Du hast dein ganzes Leben noch vor dir." Standardantworten. Was man halt als bester Freund so sagt, um den anderen aufzumuntern und wieder auf die Spur zu bringen. Stattdessen rutschte ihm etwas ganz anderes heraus.
"Wenn du willst, können wir's auch mal probieren.", schlug Noya vor, ohne Nachzudenken. Er war sich der Bedeutung seiner Worte erst bewusst, als er in Ryu's ungläubiges Gesicht sah. Scheiße. War er eigentlich komplett übergeschnappt? Doch jetzt konnte er es nicht mehr zurücknehmen. Ryu hatte ihn klar und deutlich gehört, da gab es keine Zweifel. Abstreiten war nicht mehr drin. Zu seiner Verwunderung, sah sein Freund nicht sauer oder angewidert aus, eher...ja was nun? Neugierig? Skeptisch? Interessiert?
"Ist das dein Ernst?", fragte Tanaka und fing an zu grinsen. Er konnte seine eigene Nervosität nicht vollständig verbergen. Der Rotschimmer auf seinen Wangen verriet ihn. Irgendwie beruhigte es Noya, dass er mit seinem Gefühlschaos nicht alleine war.
"I-Ich mein, ist doch nichts dabei, oder? Wir sind Freunde, also ist es doch okay wenn wir...das mal ausprobieren.", versuchte Noya seinen Vorschlag, der ihm einfach rausgerutscht war, zu rechtfertigen "Wir müssen ja nicht gleich in die Vollen gehen." Für den letzten Satz hätte er sich gerade gerne selbst geohrfeigt. Vielleicht sollte er sich besser den Mund zukleben, bevor er noch mehr Schwachsinn von sich gab. Wobei das die Sache mit dem Küssen etwas umständlich machte.
Tanaka schien einen Moment nachzudenken, bis er schließlich missbilligend das Gesicht verzog und mit dem Kopf schüttelte. Nishinoya verstand seine Reaktion. Er fand es entweder doch eklig oder einfach nur seltsam und falsch mit seinem männlichen(!) Freund das Küssen zu üben, nur weil sie beide nicht gut bei Mädchen ankamen und keine Erfahrungen hatten. Das war absolut verständlich und nachvollziehbar, also woher kam diese Enttäuschung? Warum fühlte er sich auf einmal wieder so schlecht?
"Wenn, dann machen wir es richtig.", sagte Tanaka plötzlich und sah seinen Freund herausfordernd an. Noya verstand überhaupt nichts mehr, sein Kopf war voller Fragezeichen. Was zur Hölle meinte er damit? Redeten sie überhaupt noch vom gleichen Thema?
"Du weißt, dass ich keine halben Sachen mach. Also entweder wir küssen uns richtig oder wir lassen es bleiben." Jetzt verstand Noya was Tanaka ihm damit sagen wollte. Sein Herzschlag schoss bei dem Gedanken, seinen langjährigen Freund "richtig" zu küssen, in die Höhe. Tanaka machte keine halben Sachen. Nicht beim Volleyball und auch nicht hier. Das war so typisch für ihn.
"Okay." Noyas Stimme war kaum mehr als ein Hauchen. Er wollte das unbedingt aber gleichzeitig hatte er Angst davor. Schließlich war das auch sein erster Kuss. Was, wenn er es komplett versemmelte?
Die nächsten Momente verliefen wie in Zeitlupe. Tanaka beugte sich zu Noya herunter und packte ihn sanft, aber bestimmt an den Schultern. Noya konnte erst gar nicht richtig reagieren und schaute ihn nur aus großen braunen Augen an. Sein Gehirn war im Prinzip Matsch und sein ganzer Körper fühlte sich so an, als würde er aus Pudding bestehen. Als Ryu zögerte, bestätigte Noya ihm mit einem Nicken, dass er das wirklich wollte und nicht auf den letzten Metern kalte Füße bekam.
Das nächste, was Noya spürte, waren die warmen und leicht rauen Lippen von Tanaka auf seinen. Es war nur eine leichte Berührung, doch er nahm sie intensiver wahr, als alles andere, was er davor gespürt hatte. Kitschig und klischeehaft wie es klingen mochte, das Gefühl welches ihn in dem Moment überwältigte, konnte man nur als "Schmetterlinge im Bauch" bezeichnen. Es war magisch und einfach...verdammt abgefahren.
Es dauerte eine Weile, bis Noya in der Lage war, darauf zu reagieren. Zu stark und überwältigend waren seine Gefühle für Ryu in dem Moment. Fast instinktiv drückte er sich Tanaka entgegen und vertiefte ihren Kuss, während er sich mit den Händen in seinem Oberteil festkrallte und den dünnen Stoff mit seinen Fingern zerknitterte. Das gleiche Oberteil, das Tanaka bei seinem Date getragen hatte. Ihr erster "richtiger" Kuss war hastig und unbeholfen aber er war nicht schlecht. Ganz im Gegenteil. Tanaka hatte Noyas Schultern losgelassen und seine Arme stattdessen um dessen schmalen, athletischen Körper geschlungen. Mit seiner rechten Hand zog er ihn noch näher zu sich, um noch die letzten Zentimeter zwischen ihnen zu überbrücken, während seine linke Hand an der Stelle ruhte, an der Noyas T-Shirt beim Aufrichten etwas nach oben gerutscht war.
Nishinoya schreckte kurz zusammen, als er Ryus kalte Hand auf seiner nackten Haut spürte, doch er unterbrach den Kuss nicht. Er wollte diesen Moment so lange auskosten, wie nur möglich. Nachdenken war ihm nicht mehr möglich, seine Gefühle fuhren Achterbahn. Ihm war fürchterlich heiß und er glaubte, dass sein Herz vor lauter Aufregung zerspringen würde. Er konnte es kaum fassen. Das passierte hier gerade wirklich. Es fühlte sich zu real an, um nur ein Traum zu sein. All die verschiedenen Empfindungen, die auf ihn herabprasselten, machten ihm das nur zu deutlich. Es grenzte fast schon an Reizüberflutung und Noya spürte, wie ihm leicht schwindelig wurde.
Sie trennten sich mehr oder weniger widerwillig voneinander. Nishinoya war gleichzeitig unzufrieden und doch froh, da er sich total ausgelaugt fühlte. Beide hatten gerötete Lippen und waren so außer Atem, als hätten sie gerade ein anstrengendes Spiel hinter sich gehabt.
"Wow.", keuchte Noya und hob eine seiner Hände an seine Brust um seinen rasenden Herzschlag bewusster zu spüren, der sich nur langsam wieder beruhigte. Tanaka schien es ähnlich zu gehen und ein paar Sekunden lang sahen sie sich einfach nur in die Augen, fassungslos über das, was da zwischen ihnen passiert war. Es war verrückt und es kam alles so plötzlich, aber sie hatten es beide gewollt. Keiner konnte dem anderen einen Vorwurf machen.
"Ist das nicht irgendwie total schwul, was wir hier machen?", witzelte Tanaka und grinste schief, was Noya zu verstehen gab, dass es nicht negativ gemeint war.
"Schlimm?", fragte er dennoch leise und grinste zurück. Es war irgendwie witzig, dass Tanaka nach dieser Aktion noch solche Fragen stellte.
"Nee, könnte mich dran gewöhnen." antwortete Tanaka, als wäre es selbstverständlich und Noyas Herz macht einen Sprung. Er hatte nichts dagegen. Seine ganzen Sorgen, dass Ryu seine Gefühle dämlich und abwegig finden würde, waren wie weggeblasen. Zwar hatten weder Tanaka, noch er das Wort "Liebe" oder "Verliebtheit" in den Mund genommen, und doch war da etwas zwischen ihnen, was keiner der beiden leugnen konnte. Es auszusprechen war nicht nötig. Sie verstanden sich auch ohne Worte, so wie es immer gewesen war.
"Wollen wir noch ne' Runde zocken?" fragte Noya um die peinliche Stille zu durchbrechen, die zwischen ihnen entstanden war. Tanaka blinzelte überrascht und nickte schließlich. Das schiefe Grinsen von eben hatte sich wieder auf sein Gesicht geschlichen und Noya merkte, dass er immer mehr Dinge fand, die Ryu liebenswert machten. Er wollte ihm so viel sagen, doch er wusste, dass er nicht die richtigen Worte finden würde. Außerdem war das alles immer noch verdammt kitschig. Daran würde auch ihr Kuss nichts ändern.
"Diesmal mach ich dich fertig.", sagte er stattdessen und griff sich den Gamecube-Controller mit einer gezielten Handbewegung.
"Wieder den Special-Cup? Den mit der geilen Rainbow Road?", scherzte Tanaka, "In dem warst du doch so schlecht." Noya schnaufte empört. Wer war denn daran schuld gewesen?
"Warte noch, das kriegst du alles zurück!", meinte Noya selbstbewusst wie eh und je und startete das Spiel. Jetzt würde er sich zumindest revanchieren können, immerhin hatte er das Spiel schon als Kind durchgesuchtet. Da durfte er sich nicht die Blöße geben und Tanaka gewinnen lassen.
"Muss der Verlierer dann den Gewinner küssen?", fragte Ryu und wackelte mit den Augenbrauen. Noya stöhnte über den blöden Witz und schlug sich mit der Hand gegen die Stirn, musste aber trotzdem lachen. Die nervenaufreibende Unruhe von vorhin hatte sich in ein angenehm warmes, kribbliges Gefühl verwandelt. Er wusste nicht, wie sich das zwischen ihm und Ryu entwickeln würde, aber sich um die Zukunft zu sorgen, das war nicht sein Ding. Er würde einfach jeden Moment genießen, komme was wolle.
"Sag mal, haben wir gerade ein Date?". unterbrach Ryu seine Gedanken.
"Willst du denn, das es ein Date ist?", fragte Noya herausfordernd.
"Naja, ist es denn normal auf einem Date Nintendo zu spielen?", erwiderte Ryu belustigt und sah auf den Controller in seinen Händen.
"Normal vielleicht nicht, aber sollte man auf nem Date nicht das machen, was einem Spaß macht?", meinte Nishinoya mit Gedanken an Ryus Verabredung mit Himari-san.
"Hast ja recht.", erwiderte Tanaka mit einem aufrichtigem Lächeln, "Du bist echt so cool, Noya."
-------
Als Asahi abends im Bett lag und das letzte mal vor dem Schlafen gehen sein Handy checkte, sah er, dass eine Nachricht von Noya angekommen war. Nervosität machte sich in ihm breit. Was, wenn Noya ihm schreiben würde, dass er sich jetzt tatsächlich mit Tanaka gestritten hatte und das Gespräch mit ihm somit völlig umsonst war? Was, wenn er die Treppe...ach was, lassen wir den Unfug. Er tippte mit dem Daumen auf die Message und sah überrascht, dass Noya ihm ein Foto geschickt hatte. Es war (natürlich) ein Selfie mit ihm und Tanaka. Auf dem Bild saßen sie gemeinsam auf dem Sofa, jeder mit einem Videospiel-Controller auf dem Schoß. Tanaka hatte seinen linken Arm um die Schulter des kleinen Liberos gelegt, während er in der rechten Hand einen halbleeren Popcornbecher hielt. Noya hatte sich an Tanakas Oberkörper geschmiegt und beide grinsten in die Kamera. Noya sah so glücklich aus, als hätten sie gerade die Nationalmeisterschaften gewonnen. Asahi musste bei dem Bild lächeln. Es war einfach so typisch Tanaka und Noya. Doch was ihn wirklich beeindruckte, war der Kommentar unter dem Foto.
"Wir haben Spaß auf unserem Date! Danke für alles :P, LG Noya."
Asahi wusste nicht so recht, wie er den ersten Satz interpretieren sollte. Aber zumindest sahen die beiden glücklich aus, und das war doch wohl die Hauptsache. Mit diesem Gedanke konnte er beruhigt schlafen gehen.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro