~ 6 ~
Empört blickte ich ihn an. „Ich geb mir keine Mühe um dich? Ich?! Ich bin mitten in der Nacht losgefahren, nur um mich um dich zu kümmern. Ich bin todesmüde hier rein gekommen und als Dank dafür werde ich geschlagen?" Ich selber bemerkte, wie laut ich mittlerweile geworden war. Doch ich konnte nicht anders. Meine Gefühle waren gemischt aus Wut, Enttäuschung, Trauer und Angst. Angst um meinen besten Freund. „Gefahren? Von wo kommst du denn? Wo ist denn hier?", antwortete Basti plötzlich ganz ruhig. Ich war verwirrt. Das konnte er doch nicht ernst meinen. „Ehm, ich komme aus Köln und wir sind in Berlin" „Berlin?" Verwundert schaute er aus einem Fenster vom Gang aus. „Und du bist gestern losgefahren? Welches Datum haben wir?" Jetzt war ich noch schockierter als vorher. Erst dachte ich, ich hatte mich verhört, was bei seiner undeutlichen Aussprache nicht ganz abwägig war. „22.09.", antwortete ich. „Jahr?" „Basti!", schrie ich und rüttelte an seinen Schultern. „Was ist passiert? Wie konnte es soweit kommen? Bitte rede mit mir. Seit wann nimmst du Drogen? Ich flehe dich an" Er lächelte mich komisch an. „Dein Gesicht sieht lustig aus, hihi" Mittlerweile war ich so verzweifelt, dass sich schon Tränen in meinen Augen sammelten. Gerade wollte ich ihn wieder konfrontierten, da fing er plötzlich an zu sprechen: „Vor sieben Monaten wurde mir in der Psychiatrie Tabletten angezwungen, damit ich anfange zu reden" Mein Herz setzte einen Schlag aus. Er war in der Psychiatrie? „Ich hab irgendwann bemerkt, wie viel besser ich mich fühle unter Einfluss der Drogen. Kevin, ich kann nicht ohne diesen Rausch leben. Mein Leben fühlt sich an, als würde ich an einer Klippe hängen und meine Finger drohen jeden Augenblick abzurutschen. So konnte ich nicht weiter leben"
„Basti, du warst in der Psychiatrie? Warum?" Auf einmal fing er ganz herzlich an zu lachen. „Ich wollte mich selbst umbringen, aber nichtmal das hab ich hinbekommen" Er lachte, als hätte er gerade den lustigsten Witz des Jahrhunderts gerissen. „Basti, das ist kein Witz!", schrie ich und wischte meine Tränen mit der anderen Hand weg. Ich konnte nicht glauben, was ich soeben gehört hatte und was mir mein bester Freund da erzählte. Und was ich noch weniger verstanden hatte: Warum lachte er über seinen Freitod?! Ich wollte eigentlich nur, dass er wieder der Alte wird. Warum lachte er? „Basti", sagte ich mit einer unbestimmer Strenge in der Stimme, während ich ihn direkt ins Auge anschaute, „Es geht nicht nur um dich, es geht auch um andere. Deine Freunde. Wir haben alle Angst!" Für einen Moment schien er irritiert zu sein, als hätte er das nicht bedacht, doch bald darauf lachte er nur wieder: „Es spielt doch eh keine Rolle, oder?" Ich wusste nicht mehr, wohin mit meinen Gefühlen. Was sollte ich machen? „Ich sehe keinen Sinn mehr in allem. Als wäre ich nicht gut genug, um auf der Welt zu sein" „Du warst schon immer genug, auch wenn du es nicht siehst", sprach ich auf ihn ein. „Bitte, lass uns zusammen zu einem Arzt gehen. Du brauchst Hilfe" „Nein!", schrie er und verschränkte seine Arme, wie ein Kleinkind, das nicht ins Bett wollte. „Dann rede zumindest mit mir"
„Kev, ich kann nicht. Ich versuche dauerhaft etwas zu diskutieren, was nicht diskutierbar ist. Etwas zu erklären, was nicht erklärbar ist. Etwas, was ich nur in mir drin spüre und was auch nur in mir drin gefühlt werden kann. In meiner Kindheit habe ich gelernt, dass Emotionen falsch sind. 'Hör auf zu weinen, oder ich geb dir einen Grund zum weinen.' Meine Gefühle wurden ignoriert und ich geriet in Schwierigkeiten, wenn ich wütend oder traurig war oder weinte. Über die Jahre habe ich immer mehr meine Gefühle vor anderen versteckt. Und jetzt, wenn mir jemand von seinen Gefühlen erzählt, weiß ich nie wie ich reagieren soll, wie ich ihnen Komfort geben soll. Weil ich keinen 'Komfort' hatte. Jetzt muss ich mit dieser Leere und diesem Hass in mir leben. Aber anscheinend ist es okay, denn ich wurde schließlich so aufgezogen"
Auch wenn ich mich sehr konzentrieren musste, um das Lallen zu entziffern, verstand ich am Ende fast jedes Wort. Ich musste kurz schlucken. Als ich dachte, es könne nicht mehr schlimmer werden, sagte Basti etwas, das mich tief ins Herz traf. Es ging auf einmal nicht mehr um Basti, sondern auch um mich. Als Kinder lernen wir, wie mit unseren Gefühlen umzugehen und das ist sehr wichtig. Wenn wir das nicht lernen, sind wir auch als Erwachsene sehr eingeschränkt. Basti hatte es nicht gelernt und musste deshalb mit den Folgen leben. Es legte sich ein Schalter in meinem Hirn um. Ich sah Basti nicht mehr als den freundlichen, glücklichen Menschen, sondern als eine Person, die über all die Jahre nur vor einer Fassade gelebt hat. Er hatte niemandem erzählt, was ihn wirklich innerlich bewegte. Er musste alles aushalten. Alleine. Und das seit seiner Kindheit.
Auf einmal schubste Basti mich aus dem Weg und rannte ins Badezimmer. Ich war erstmal überrascht, dass er das noch konnte in seinem Zustand. Ohne Vorwarnung stürzte er in sein Bad, um sich dort zu erbrechen. Aber mehr als diese Überraschung löste in mir auch Sorgen aus. Ich wusste, wie sehr Bastis Phobie vor dem Erbrechen ihn immer belastet hatte und immernoch tat. Er fing an zu weinen. Ein unangenehmer Duft erfüllte die Wohnung, weswegen ich erstmal spülte. Dann ging ich kurz weg, um ihm ein Glas Wasser zu geben, doch er hatte seine eigene Quelle. Schon wieder nuckelte er an einer neuen Bierflasche. Wo bekam er die überhaupt her? Wie weit muss es gekommen sein, dass sein erster Instinkt, nachdem er sich übergeben hatte, war, noch mehr Alkohol zu trinken? Ich half ihm erstmal hoch, doch er konnte beim besten Willen sein Gleichgewicht nicht halten, weswegen ich ihn zur Couch schleppte. Kaum lag er darauf, setzte er schon wieder zum Trinken an. Mir riss der Geduldsfaden. „Mir reicht's. So kann das nicht weiter gehen. Es tut mir leid, aber das ist zu deinem besten" Ich wählte mit meinem Handy die Notrufnummer. Basti schien das jedoch gar nicht richtig zu begreifen. Ich schilderte die Situation und wurde gebeten bei Basti zu bleiben, bis der Notarzt eintraf. Ich wartete ungeduldig im Flur, bereit jede Sekunde die Tür aufzureißen, wenn es klingelt. Plötzlich hörte ich, wie eine Glasflasche zersprang. Ich rannte zurück ins Wohnzimmer und sah, dass Basti seine Augen geschlossen hatte. Deswegen hat er auch die Flasche fallen gelassen. Ich wurde panisch. Schläft er? War er bewusstlos? Ich rüttelte etwas vorsichtig an ihm, doch als keine Reaktion kam wurde ich immer energischer. „Basti, komm, bitte wach auf. Hörst du mich? Bitte tu mir das nicht an", brachte ich unter meinen Tränen hervor. Er atmete noch, aber er wachte nicht mehr auf. Er war bewusstlos.
Genau in dem Moment klingelte es. Ich sprintete zur Tür und öffnete diese. Die Sanitäter betraten die Wohnung. Ich zeigte ihnen den Weg zu Basti, aber bei seinem Anblick flossen mir wieder die Tränen. Zwei blieben bei ihm und untersuchten ihn, einer befragte mich. „Können Sie uns sagen wie schlimm die Situation ist?" Ich hatte das Gefühl von Tränen erstickt zu werden, weswegen ich kein Wort rausbrachte. Ich lotzte ihn in das Streamingzimmer, damit er die leeren Alkoholflaschen sieht. Ich kam mir vor wie der schlimmste Verräter. Ob Basti mir jemals verzeihen wird? Ob er jemals wieder der Alte sein wird? Es war egal, wie weit wir voneinander entfernt wohnten, wie viel Uhr es war oder wie lange wir nicht mehr geredet haben, ich würde mich immer um Basti sorgen. Im Tod und am Ende der Welt. „Gibt es noch mehr?", fragte der Mann schließlich. Ich nickte und ging in Bastis Schlafzimmer, danach ins Bad. Der Sanitäter verstand die Lage. „Wir müssen sofort mit ihm ins Krankenhaus, wenn Sie wollen, können Sie bei uns mitfahren", sagte einer der anderen beiden, als er aus dem Wohnzimmer kam. Sie schoben Basti auf einer Trage den Flur entlang. Er war immernoch bewusstlos, aber immerhin atmete er. Ich zögerte keine Sekunde.
Im Krankenwagen angekommen wurde Basti an ein Überwachungsgerät angeschlossen. Es brach mir das Herz ihn so zu sehen. Er sah so hilflos aus. Mit Blaulicht und Sirene düsten wir durch die Straßen Berlins. Ich war komplett in Gedanken. War das alles meine Schuld? Hätte ich irgendwas verändern können? Warum habe ich nicht erkannt, wie sehr er leidet? Vielleicht wäre es dann nie so weit gekommen. Vielleicht, hätte er sich nie das Leben nehmen wollen. Ich war so ein Idiot. Sollte Basti aufwachen würde ich mich noch mehr um ihn kümmern als zuvor, da war ich mir sicher. Ich wollte die eine Stütze sein, die er hat. In guten sowie in schlechten Zeiten wollte ich bei ihm sein. Durch einen Alarm wurde mein Gedankenfluss unterbrochen. Ich hob meinen Kopf und auf einmal bewegte sich alles in Zeitlupe. Ich sah Bastis reglosen Körper, die Sanitäter, die verzweifelt versuchten ihn mit Reanimation und einer Sauerstoffmaske wiederzubeleben. Der Alarm wandelte sich in meinen Ohren in ein einziges Klingeln. Jetzt kamen Elektroschocks durch den Defibrillator. Doch es half nicht. Das Klingeln hörte einfach nicht auf. Die Anzeige wollte einfach keinen Puls mehr anzeigen.
Ich wollte mich von ihm verabschieden, aber in diesem Moment realisierte ich, dass ich den Menschen, den ich seit der Kindheit so liebe, niemals zurückbekommen würde. Die Sanitäter setzten die Reanimation fort, obwohl sie bereits wussten, dass ihr Kampf bereits verloren war. Wie sollte ich es sagen? Wie sollte ich es meiner Familie erzählen? Wie sollte ich einen Freund wie Basti je vergessen? Es wird immer diese große Lücke in meinem Leben bleiben, immer diese Frage nach Basti und der Erkenntnis: er wird nie wieder zurückkommen.
Irgendwann kehrte die normale Geschwindigkeit zurück, als ein Sanitäter mir eine Hand auf die Schulter legte. „Es tut uns leid" Er redete noch weiter, doch ich hörte nicht zu. Es war zu spät.
Ich wollte ihm noch so viel sagen. Ich war so dankbar für ihn. Dankbar, dass er in mein Leben gekommen ist, dass er mich zum lächeln brachte, dass er mich zum lachen brachte, dass er mich glücklich machte. Ich war dem Universum dankbar, dass dieser wundervolle Mensch mich gefunden hat. Aber jetzt konnte ich ihm nichts mehr sagen.
bisschen gerushtes ende aber egal
und das kapitel ist zu spät gekommen ich entschuldige mich
bin dezent eingeschlafen 😞
hatte eigentlich noch vor eine szene zu schreiben aber dann wäre ich mit dem ende nicht zufrieden sadge stellt euch einfach vor dass kevin bei bastis beerdigung vergissmeinnicht auf das grab legt
peepohappy
ich hatte eigentlich erst vor die komplette geschichte in kevins pov oder einer dritten person zu schreiben damit am ende rauskommt dass quasi er die geschichte erzählt an zb den arzt also dass die ganze story seine erinnerungen mit basti waren aber das wäre bisschen zu komisch gewesen ig
kleiner shout-out an my alcoholic friends (the dresden dolls) und race (alex g) die songs sind underrated und haben mir inspiration für das gespräch mit kevin gegeben
falls ihr auch hier mit basti related und suizidgedanken oder ähnliches habt bitte sucht euch hilfe fr
es gibt menschen da draußen die für euch sorgen können und euch helfen wollen
fühlt euch niemals allein gelassen weil es wird immer jemanden geben der an euch glaubt auch wenn es 'nur' ein arzt oder therapeut ist
schlussendlich gibt es da noch mich und ich sorge mich fr um jeden einzelnen
ich bin so stolz auf alles und jeden
würde am liebsten jeden der das hier liest umarmen :(
bitte passt auf euch auf <3
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