Kapitel 5
Joggend rannte ich zum Wohntrakt und sah gerade noch wie sie in unser Zimmer stürzte. Außer Atem stellte ich mich neben den Rotschopf und schaute in ihr entsetztes Gesicht. Die Schuluniformen lagen gut gebügelt auf unseren Betten und auf ihnen saß der schnurrende Kater.
„Ich bin sowas von tot. Noch nicht einmal einen Tag an der Akademie und schon werde ich rausgeschmissen. Das wars." mit brüchiger Stimme hob sie Einstein hoch, welcher seinen dicken Kopf gegen ihren drückte. Ein süßer Anblick, wäre Amelie nur nicht so entsetzt.
„Das kannst du doch noch gar nicht wissen, vielleicht war er auch gerade im Bad, als die Uniformen hergebracht worden sind." Doch sie schien mir gar nicht zuzuhören, sondern schon innerlich mit ihrem Leben abzuschließen.
„Jetzt warte doch erstmal ab, wenn die das rausbekommen haben, dann hätte sich wahrscheinlich schon jemand bei dir gemeldet." Aufmunternd blickte ich sie an, doch es kam keine Reaktion.
„Mein Gott.", schnaubte ich halb belustigt, halb genervt und ging raus den Flur entlang. Schließlich, etwa in der Mitte, befand sich eine Tür, wahrscheinlich ein Abstellraum der Putzfrauen, welche angelehnt war. Vorsichtig spähte ich herein und sah, wie eine Frau, bekleidet mit einer Schürze, im spärlichen Licht einen Putzlappen auswrang. Bingo!
„Entschuldigen Sie." Langsam schob ich die Tür etwas weiter auf und der dunkle Schopf einer Mitte Fünfzig Jährigen blickte mich an. Sie lächelte schief, als sie ihre mit gelben Gummihandschuhen bedeckten Hände aus dem Putzeimer nahm und mich verwirrt anblickte.
„Was kann ich für dich tun Liebes?" Ihre Stimme klang kratzig und hatte sicher schon einige Zigarettenschachteln hinter sich.
„Könnten sie mir sagen wer genau die Schuluniformen ausgeteilt hat, denn meine ist leider etwas zu groß und ich würde gerne eine passende haben." ich versuchte zu verdängen, dass ich nervös war und lächelte sie schüchtern an.
Lachend schüttelte die Putzfrau den Kopf. „Das macht jedes Jahr Jason. Ein netter Junge ist das, doch wie immer etwas neben der Spur. Er ist einer der wenigen hier, der mir und den anderen Reinigungskräften ein wenig Arbeit abnimmt." Ich nickte aufgeregt. Jason also.
„Am besten wendest du dich an ihn, Zimmer 47, Jungenwohnheim." Ich bedankte mich und rannte den Flur entlang zurück zu Amelie. „Jason, Raum 47, komm mit." Verwirrt blickte sie mich aus verquollenen Augen an, ganz wahrscheinlich hatte sie geweint. Ich verdrehte die Augen, zog sie vom Bett und ging geradewegs zum Jungenwohnheim.
„Dürfen wir hier überhaupt rein?" Ohne zu antworten schleifte ich das verweinte Häufchen Elend hinter mir her. Vor Zimmer 47 blieb ich stehen, nur um dann mehrere Male anzuklopfen. Nach wenigen Sekunden öffnete sie sich langsam und ein brauner Bubikopf schaute mir entgegen.
„Jason?" . Ein Nicken. Schnell stieß ich die Tür auf, zog Amelie hinter mir her. "Was soll das?" verwirrt und zugleich belustigt stolperte der Junge rückwärts zurück in sein Zimmer.
"Wir kommen aus Zimmer 201, vielleicht beantwortet das ja schon deine Frage." Er dachte nach und grübelnd bildete sich kleine Falten auf der Stirn. Als er jedoch nicht gleich antwortete brach der Rotschopf neben mir wieder in Tränen aus und ich beschloss die Situation aufzuklären.
"Vielleicht hast du ja etwas von unserem kleinem Untermieter mitbekommen. Wenn ja, dann bitten wir dich das für dich zu behalten.Und wenn nicht, dann vergiss einfach den ganzen Aufstand hier." Doch Jason schien zu verstehen, denn ein großes Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus. Wenn man ihn so betrachtet, sah er wirklich süß aus mit seinen braunen Labrador Augen.
"Ach der fette Kater gehört euch? Der hat mich erstmal schön angefaucht, als ich euch die Uniformen gebracht habe." lachend sah ich, wie sich die Anspannung von Amelie löste. "Euer Geheimnis ist bei mir sicher, ich habe selbst schon oft genug überlegt, ob ich mir ein Haustier zulege." Er versuchte die Situation aufzulockern und bot uns an, auf dem Bett seines Mitbewohners Platz zu nehmen.
"Das ist wirklich sehr nett von dir, können wir dir irgendwie danken?" Doch Jason schüttelte nur seine braunen Haare und nahm gegenüber von uns Platz. "Ach sagen wir einfach ich hab was gut bei euch." Ich nickte und zum ersten wir hier waren, meldete sich auch Amelie zu Wort.
"Eigentlich ist Einstein nicht so, vielleicht hast du komisch gerochen." lachend schaute ich sie an und schüttelte nur verwirrt den Kopf. "Genau, sag dem Jungen, der soeben deine Katze gerettet hat, dass er stinkt." und nun mussten wir alle drei lachen. Es war schon sonderbar, wie schnell man tatsächlich Bekanntschaften schließen konnte.
"Aber, dass er fett ist, stimmt nicht. Er bekommt sicher schon sein Winterfell." und Lachen erfüllte den Raum.Tatsächlich blieben wir sogar noch eine ganze Weile und redeten über alles mögliche. Und ich erfuhr, dass Jason ein Jahrgang über uns war und sein Lieblingsfach Giftpflanzen war, welches im zweiten Jahr auf dem Stundenplan stand. Außerdem, dass wir uns jederzeit an seinem Bücherregal bedienen konnten in welchen wirklich jede Menge Sachbücher zu finden waren. Außerdem machte er Bogenschießen und ,jede andere Sportart die weniger mit Kraft, sondern mehr mit Präzision zu tun hatte. Ich schätze, dass er ein super Schütze war. Wir blieben so lange, bis sein Mitbewohner, ein weniger sympathisch wirkender massiger Typ, zurück kam. Wir verabredet und zuvor jedoch noch zusammen Abendbrot in der Mensa zu essen. Zurück in unseren Zimmer konnte ich nicht anders, als zu schmunzeln, denn Amelie strahlte über das ganze Gesicht. "Jetzt spuck es schon aus!"
"Oh Cally, der war ja mal sowas von süß, findest du nicht? Und zudem auch noch so nett!" Lachend schmiss ich mich auf mein Bett. "Ja es ist schon ganz knuffig, aber vergiss nicht, dass Einstein ihn nicht mag." Doch Ich hatte mir schon gedacht, dass sie sich gut verstehen würden. Sie hatten einfach diese gleiche offene Art und das mochte ich. Langsam machte ich mich daran meine Sachen einzuräumen und Amelie tat es mir gleich.
"Du wusstest vorhin diese ganzen Sachen über mich, da wäre es ja nur fair, wenn du auch etwas über dich erzählen würdest." schmunzelnd, beobachtete ich Amlelies Reaktion aus dem Augenwinkel und tatsächlich zögerte sie kurz.
"Na gut, also so schnell werde ich zwar sonst nicht persönlich, aber du scheinst vertrauenswürdig zu sein." Lachend sortierte sie ihre High Heels nach Farbe.
"Also meine Familie stammt ursprünglich aus Frankreich und ich bin vor 6 Jahren hierher zu meiner Oma gezogen, sie wohnt auch in Oregon. Nach meinem Abitur wurde ich angeworben, also bin ich eine der wenigen, die nicht durch ihre Familie hierher gekommen ist." Erstaunt nickte ich ihr zu, als Anreiz weiter zu reden. Es wurden jedes Jahr nur etwa 10% der Plätze an Außenstehende vergeben. Meistens hatten diese sehr gute Noten, waren sportlich engagiert und geübt in Waffen. Oftmals waren sie auch viel ehrgeiziger und dadurch besser als viele, die nur durch ihre Eltern einen Ausbildungsplatz hatten.
"Ich wusste tatsächlich ab der ersten Sekunde, dass ich das hier für den Rest meines Lebens machen will. In den letzten 3 Jahren war ich dann im Trainingscamp, um auf den Stand der Anderen zu kommen. Meine Familie dagegen denkt, dass ich in Portland Kunst studiere." Ist ja fast das gleiche, dachte ich schmunzelnd.
"Und wie war das bei dir Cally?" sie stellte die Frage so nebenbei, doch es schien mehr dahinter zu stecken. "Naja bei unserer Familie war ziemlich schnell klar, dass mein Bruder und ich Jäger werden würden. Und nach dem Abi hab ich etwas rumgejobbt. Hier und da mal in kleinen Cafés ausgeholfen.. du weißt schon, um etwas nebenbei zu verdienen." Sie nickte nur und widmete sich dann wieder ihren Klamotten. Wir kannten uns noch nicht mal 24 Stunden und schon hatte ich sie angelogen.
Die Mensa war groß und wenn ich groß sagte, dann war sie riesig! Mindestens 300 Schüler konnte sie fassen und vorallem jetzt am Abend, war sie reichlich gefüllt. Einige unserer Mitschüler konnte ich wieder erkennen und fast jeder hatte sich schon in kleinen Grüppchen zusammengefunden. Etwas verloren und überfordert standen Amelie und ich am Eingang, bis wir den winkenden Lockenkopf erkannten.
"Hey Jason." , ihre Stimme zitterte und ich musste mir ein Grinsen verkneifen. Neben ihm hatte noch ein anderer braunhaarige Jungen seinen Platz an dem Tisch gefunden. "Das ist Toby, er ist in meinem Jahrgang und mit der einzige, der nicht gerade auf einem Höhenflug ist"
Ohja davon hatte ich gehört. Denn auch Lennox hatte im Laufe seiner Ausbildung eine Phase, in welcher er sich für unbesiegabr gehalten hatte. Toby schaute kurz auf, warf uns mit seinen blauen Augen ein charmantes Lächeln zu und widmete sich dann wieder seinem Buch und dem Abendessen.Er hatte einen südländischen Teint und war mit seinen markanten, scharfen Gesichtszügen kaum mit Jason zu vergleichen. Doch schien er auch eine nette Art an sich zu haben und ich setzte mich bereitwillig neben ihn, damit Amelie neben Jason Platz nehmen konnte.
"Calypso, das musst du dir ansehen." ich folge Amelies Blick und erstarrte. Mein Bruder betrat die Mensa und neben ihm marschierten Lukas Anderson und Fred Evert. Ich kannte sie, denn meine Mutter hatte mir schon einiges über diese Familien erzählt. Zusammen mit den Darwerts zählten sie zu einen der Ursprungsfamilien, die eine sehr klare Einstellung gegenüber dem Übernatürlichen pflegten. Und diese beruhte auf Gewalt und der Vorherrschaft des Menschen. In vielen Debatten hatten sie sich auch oft gegen unsere Familie ausgesprochen. Deshalb verstand ich nicht genau, was Lennox von ihnen wollte.
"Ich kenne sie." war das einzige was ich anmerkte, doch Amelie erkannte an meinem Blick, dass ich nicht weiter darüber reden wollte. Mein Bruder holte sich sein Essen und setzte sich zu einigen anderen aus seiner Stufe und ich bemerkte wie ihn die Mädchen anschauten. Besonders wie dieses eine Mädchen ihn anschaute. Und ich kannte sie.
"Tori Hansen", fiel mir Amelie ins Wort. Auch ihr Name war mir bekannt und auch ihr Gesicht war schlecht zu vergessen. Mit den blauen Augen der blassen Haut und den weißen Haaren zählte sie zu der wohl bekanntesten norwegischen Jägerfamilie. Und wie sie meinem Bruder durch das Haar fuhr gefiel mir ganz und gar nicht. Er hatte sie zu Hause nie erwähnt.
"Haben die etwas miteinander?" Amelie wirkte geradezu begeistert und Jason verkniff sich eine Lachen. "Ich weiß es nicht und will es ehrlich gesagt gar nicht wissen." genervt starrte ich zum Tisch meines Bruders und erntete dafür ein Grinsen von Ben. Als ich nicht reagierte zog er eine Augenbraue hoch.
"Calypso du starrst schon wieder." , lachte Amelie. Ich verstand nicht, warum mir Lennox nie was von seinen Freunden erzählt hatte. Als ich fertig mit Abendessen war und erkannte, dass Amelie noch etwas Zeit mit Jason verbringen wollte, stand ich bereitwillig auf. „Ich vertrete mir noch ein bisschen die Beine, wir sehen uns nachher Amelie."
Ich brachte mein Tablett weg und verließ die Mensa. Es war noch angenehm warm draußen und ich vertrat mir noch ein bisschen die Beine, da spürte ich, dass mir jemand nachging. Als ich bemerkte um wen es sich handelte, blieb ich stehen und drehte mich zu ihm um. "Was willst du Ben?" , seine grünen Augen meisterten mich und wieder zierte dieses schelmische Lächeln sein Gesicht.
"Warum machst du denn schon einen Abflug? Es ist dein erster Tag, normalerweise ist das ein guter Grund ein wenig länger wach zu bleiben. Dein Bruder und ich haben gedacht wir könnten vielleicht noch was unternehmen?"
"Kein Interesse.", sagte ich neutral und drehte mich um zum Gehen, als seine Hand meinen Arm fasste und mich daran hinderte. Seufzend schaute ich zu ihm und hoffte nur, dass er nicht mehr allzu lange mit mir reden wollte.
"Weißt du, Leute wie wir-" "Leute wie wir?" ich schien ihn kurz aus dem Konzept gebracht zu haben, doch schnell fuhr er fort.
"Na Bentos, Darwerts, Andersons. Solche Leute halt. Wir müssen zusammen halten. Wir müssen eine Gemeinschaft aufrechterhalten." Er schien den Müll tatsächlich zu glauben, welchen er von sich gab.
"Ben ich habe keinerlei Interesse daran mit dir und deinen Freunden eine Gemeinschaft aufrechtzuerhalten. Wenn Lennox sich mit solchen Leuten umgeben möchte, dann schön. Aber zum Glück kann ich noch selbst entscheiden wen ich als Freund haben will. Und du gehörst nicht wirklich dazu." kurz schien er perplex, doch dann war sein Gesicht wieder klar.
"Weißt du Calypso, Kontakte machen in unserer Welt sehr viel aus, und wenn du dich selber für die nächsten Jahre ins Außenfeld stellen willst, dann bitte. Aber das ist nicht dein richtiger Platz und das weißt du auch. Denn wir, wir sind der Kern, der alles aufrecht erhält." ich schwieg, schaute weg und ließ meinen Blick über den dunklen Campus schweifen.
Dann wandte ich mich um und ging Richtung Wohnheim und Ben ließ mich. "Gute Nacht kleine Benton und liebe Grüße von deinem Bruder." rief er mir hinterher rund ich konnte das Grinsen geradezu aus seiner Stimme heraushören.
Er machte mich so wütend, doch ich sagte nichts und ging einfach weiter. Noch im Bett fragt ich mich jedoch, was Lennox damit zu tun hatte. Er konnte doch den ganzen Mist, den Ben von sich gab, nicht etwa glauben.
Doch mein Bruder hatte mich schon so einige Male überrascht.
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