• Kapitel 1 •
Er war so wunderschön.
Die Klinge glänzte im Sonnenlicht, das durch das Fenster fiel. Metallisch funkelte die Schneidekante und bei genauerer Betrachtung fielen mir jetzt erst die verschiedenen eingravierten Runen auf und staunend fuhr ich mit den Fingern darüber.
Der Dolch lag so perfekt in der Hand, dass er wie für mich gemacht war.
„Er besteht aus Obsidian und durch die Runen kannst du jedes eingravierte Wesen umbringen. Deine Urgroßmutter hat mit ihm schon vor fünfzig Jahren übernatürliche Wesen gejagt."
Ich schaute zu meinem Vater, welcher mir den Dolch aus der Hand nahm und ihn im Licht drehte. Eine seiner hellen Locken fiel ihm in das Gesicht, als er den Kopf schief legte, um die Gravuren genauer betrachten zu können.
Langsam deutete er auf jede einzelne Runen.
„Elfe, Vampir, Werwolf, Geist, Dämon, Engel."
Lächelnd legte er ihn mir zurück in die Hände. Mir war etwas komisch bei dem Gedanken ein Waffe mit solch einer Macht zu besitzen und schnell ließ ich ihn in die vorhergesehene Scheide gleiten.
„Seid ihr schon mal einen Engel begegnet?" , murmelte ich in Gedanken noch immer an den Dolch. Neugierig musterte ich die Gesichter meiner Eltern. Anders als andere Familien redeten sie auch zu Hause viel von ihrer Arbeit, wobei Lennox und ich sie auch stets mit neuen Fragen löcherten.
Mein Vater schob sich die braune Hornbrille zurück ins bleiche Gesicht, während die blauen Augen meiner Mutter anfingen zu glänzen. Das taten sie immer, wenn sie über ihr Lieblingsthema sprach:
Wie viel verschiedene Wesen gibt es in unserer Welt?
„Ja den ein oder anderen haben wir schon gesehen mein Schatz. Doch glaub mir sie sind nicht so nett, wie du jetzt vielleicht denkst. Denn die Engel, die du hier zusehen bekommst sind alle gefallen und meist nicht ganz so gut gelaunt."
„Mum jetzt lass sie das doch alles in der Akademie lernen, du nimmst ja die ganze Spannung raus. Jetzt mach mal mein Geschenk aus."
Lennox grinste mich breit an und reichte mir ein kleines Blaues Päckchen. Als ich es öffnete sprang mir lauter Schokolade entgegen und außerdem eine kleine Schachtel.
„Oh Lenny, die ist ja wunderschön. Aber nicht, das du dich jetzt wegen mir verschuldet hast.", lachte ich beim Anblick der kleinen Silberkette.
Sie endete in einem funkelnden Anhänger, der die Form einer Sonne hatte und jeder einzelne Strahl war von einem Diamanten besetzt.
„Es war schon etwas schwer an die Kette zu kommen, weißt du in die Akademie schmuggelt man nicht so schnell etwas hinein."
Belustigt schüttelte er seine blonden Haare und seine Grübchen kamen zum Vorschein . Ohne die grünen Augen, die wir von Mum hatten, konnte man nur erahnen, dass wir Geschwister waren.
„Die kleinen Edelsteine sind aus Zirkonia in welchem sich winzige Anteile von Weihwasser befinden. Sollte dir ein Dämon zu nah kommen, wird dich der Anhänger schützen und er wird dich nicht berühren können. Ich hab auch gehört, dass es den Einfluss von anderen Wesen abschwächt."
Ich zerrte Lennox in eine überschwängliche Umarmung und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Eigentlich auch nur, weil ich wusste, dass er es hasste wenn ich das tat.
„Danke mein Lieblingsbruder."
„Du hast nur einen Bruder.", schmunzelnd fuhr ich durch seine Locken
„Deshalb bist du ja auch mein Liebling."
Sonst ließ er eigentlich nicht so viel über sich ergehen, doch er schien heute Mal eine Ausnahme zu machen. Schließlich war mein es mein Geburtstag.
Meine Eltern hatten sich wirklich Mühe gegeben. Der Tisch stand voll mit weiteren Geschenken und aufgeregt packte ich sie nacheinander aus, man wird schließlich nur einmal 21.
Am besten gefielen mir die vielen Bücher, die ich bekommen hatte. da Alle setzten sich mit der gleichen Thematik auseinander: Übernatürliche Wesen. Wie man sie tötet, wo man sie antraf und all die Mythologie, die tatsächlich doch stimmte. Ich konnte es kaum erwarten meine Nase in dem alten Papier zu vergraben.
Als ich jedoch „Almonds theory about supernatural creatures" in den Händen hielt, erstarrte ich voller Ehrfurcht.
„Mum, Dad wo habt ihr das denn her?"
Aufgeregt begann ich wie wild darin rumzublättern. Skizzen, Steckbriefe, Berichte und viele später hinzugefügte Notizen und Randbemerkungen.
„Ich hab dir gesagt, dass sie sich auch über Bücher freut Ava." Mein Vater war sichtlich stolz auf seine Idee.
„Wir haben als Mitglieder sehr guten Zugang zu solchen alten Exemplaren. Ich soll dir vom Bibliothekar Lennart alles Liebe und Gute ausrichten."
Ich wollte gar nicht wissen, wie viel die Beiden dafür bezahlt hatten. Ich legte es vorsichtig zur Seite und hoffte, dass es nicht auseinanderfallen würde. Als nächstes packte ich etwas aus, auf was ich schon die ganze Zeit lang gewartet hatte: meine Mitgliedsjacke. Eigentlich war es nur eine schwarze Trainingsjacke, doch erst das aufgestickte „A" auf der linken Brust machte sie zu etwas Besonderen.
A so wie in Griffin Almond, der Mann, der vor über zweihundert Jahren eine Theorie über alles Übernatürliche auf dieser Welt aufgestellt hat und bis jetzt war jede einzelne These von ihm bestätigt wurden. Er war auch der Mann gewesen, der eine Untergrundorganisation zur Bekämpfung gegründet hatte und schließlich gehen auch alle Almond Akademien auf seine Ideen zurück. Mittlerweile hatte sich zum Schutz der Menschen ein komplexes Netz aufgebaut, von dem niemand außer den Mitgliedern selbst etwas wusste.
Und ab heute war auch ich ein Teil davon.
Als letztes reichte mir meine lächelnd Mutter einen kleinen weißen Umschlag auf welchem das Siegel der Akademie, ein dunkelblaues A, abgebildet war. Endlich war es soweit, schon so lang hatte ich auf dieses kleine Stück Pergament gewartet und als es jetzt so in meinen Händen lag, konnte ich mein Glück kaum fassen.
Zwar hatten mir meine Eltern immer versprochen, dass ich nach meinem einundzwanzigsten Geburtstag an die Academy A gehen würde. Doch geschah das nicht ohne eine tiefgreifender Background Check. Die Britische Jägergemeinschaft war eine kritische, kleine Organisation, die nur die Besten der Besten bei sich lernen ließ. Außerdem mussten jährlich hohe Summen bezahlt werden und nachdem schon Lennox seit zwei Jahren auf diese Akademie ging, wusste ich nicht, wie hoch die Kosten für meine Eltern wirklich waren.
„Jetzt wirst du eine richtige Jägerin Cally.",aufmunternd schauten mich 3 Augenpaare an und ich brach das Siegel:
Sehr geehrte Calypso Emilia Benton,
wir freuen uns Ihnen mitteilen zu können, dass sie an der Academy - A (Almonds defens against supernatural creatures) im Vereinigten Königreich aufgenommen worden sind . Finden Sie sich bitte am ersten Montag des neuen Schuljahres, den 2. August, am Haupteingang der Akademie ein. Sie erhalten eine Einweisung in das Leben und Lernen in unserer Akademie.
Wir hoffen auf Ihre Unterstützung bei der Abwehr gegen die Übernatürlichen Wesen in unserer Welt.
Gezeichnet Ophelia Almond
In den folgenden noch freien Wochen, nahmen die Vorbereitungen auf den Umzug, meine gesamte Zeit in Anspruch . Und dann war da auch noch Rest meiner Familie, der mich mit Fragen löcherte, ob ich denn jetzt auch eine Jägerin werden würde. Schließlich war es auf meiner väterlichen Seite schon fast eine Tradition diesen Beruf zu erlernen. Die Eltern meiner Mutter hatten jedoch keinen blassen Schimmer davon, was genau meine Familie tat. Wenn sie fragten, hieß es immer nur, dass ich nach Edinburgh zum Jurastudium ziehen wurde.
In jeder freien Minute, die mir noch blieb, versuchte ich mich auf meine neue schulische Laufbahn vorzubereiten. Almonds Theorie konnte ich fast auswendig und meine Eltern machten sich keinerlei Sorge, dass der Unterricht zu schwer für mich sein könnte. Schließlich war auch jederzeit Lennox vor Ort. Zwar war es sein Abschlussjahr, dennoch würde er genau deshalb mir bei vielen Dingen helfen können.
Wenn sie es schafften, gaben mir Mum und Dad Antworten zu meinen Fragen und als ich sie nach einer ganzen Weile zu sehr nervte, auch Zugang zu ihren Fällen, sodass ich als kleines illegales Mitglied half, Übernatürliches aufzuspüren und zu überführen. Alles natürlich nur auf theoretischer Basis, denn die Praxis wäre für mich noch zu gefährlich. So zumindest mein Vater.
Dennoch genoss ich es an die vielen Hintergrundinformationen zu gelangen und schließlich nahm ich meinen Eltern einen Teil der Arbeit ab. Drei Wochen vor Beginn meiner Ausbildung als Jägerin saß ich, auf einem Bleistift kauend, im Büro und betrieb Nachforschung zu einem Fall, welcher meiner Mutter schlaflose Nächte gebracht hatte.
In Perth führten 3 Mordfälle, bei welchen Obdachlosen die Herzen aus der Brust gerissen worden waren, zu einer Werwölfin und ihren zwei Kindern. Außerhalb der Vollmondnächte arbeitet sie als normale Sekretärin und versuchte sich als geschiedene Mutter über Wasser zu halten. Diese einfache Frau hatte einen Streit zwischen meinen Eltern entfacht, der bis jetzt noch nicht erloschen war.
Mum war der Meinung, dass sie aus ethischen Gründen nicht bereit wäre eine Hausfrau/Mutter zu töten, wohingegen Dad auf Almonds Theorie plädierte, in welcher Werwölfe nicht als gleichwertige Individuen, sondern als Gefährder eingestuft sind.
„Ich werde diese arme Frau nicht umbringen, das kannst du schön selbst erledigen John!"
Meine Mutter kam haare-raufend in das Arbeitszimmer und stellte sich neben mich. Ihre buschigen Augenbrauen waren wütend zusammengezogen und einmal wieder hatte sie sich zu emotional in den Fall herein gesteigert.
„Was hast du noch so rausbekommen Liebling?"
Der Klang ihrer Stimme sonst so hellen Stimme war müde. Es gab öfters Fälle, die meine Mutter an eine Grenze brachten, an die mein Vater nie geraten würde. Denn anders als er war sie nicht in dieses Leben und Arbeiten hinein geboren worden. Allein durch ausgezeichnete Leistungen und Noten hatte sie es an die Akademie geschafft.
„Der Vater der Kinder ist auch ein Werwolf, sie wurde von ihm verwandelt. Sie waren beide ungefähr fünf Jahre zusammen, bevor er sich letzten Winter von ihr trennte. "
Ich las die Informationen, welche ich vor einer Stunde aufgeschrieben hatte, von dem kleinen Notizblock ab. Nebenbei scrollte Mum über den Lebenslauf von Carol Goldrin, den ich zusammengestellt hatte. Mehrere Scheidungen, beide Kinder vom selben Mann, einige Minijobs bevor sie als Sekretärin in einem Autohaus eingestellt worden war. Nach ihrem College Abschluss hatte sie drei Jahre Europa bereist und schließlich ihren Freund mit importiert, der sie dann verwandelt hatte.
Die Tür ging erneut auf und als mein Vater dazu kam, begann Mum wie wild herumzufuchteln und erklärte ihm die neue Sachlage:
„ Ihr Ex, von welchem auch die Kleinen sind, hat sie verwandelt. Weißt du was das heißt!"
Sie legte ihren Kopf schief und zog eine Braue hoch.Ihrem Ehemann war sofort anzusehen, dass er ganz genau wusste von was die Braunhaarige dort sprach und auch, dass es ihm so gar nicht zusagte.
„Wenn wir ihn also ausfindig machen, könne wir die Drei retten!", begeistert schaute sie ihn an, doch ich wusste, dass mein Vater nicht dieselbe Meinung vertrat.
Er seufzte und sie runzelte die Stirn.
Ich ließ von der Tastatur ab, um zu sehen, wie er antworteten würde.
„ Wir haben den Monat schon 5 Werwölfe geimpft und so zurückverwandelt. Mehr steht uns von der Verwaltung aus nicht zu. Du weißt, dass wir die restlichen töten müssen. Auch Almonds Theorie besagt-"
„Ach jetzt scheiß doch mal auf diese blöde Theorie!" Mum war wütend und ich wusste, wie viel ihr es bedeuten würde diese Kinder zu retten.
Laut Almond jedoch sollte jeder einzelne Werwolf durch die Hand eines Eisendolchs getötet werden - Kapitel 23.7.Die 5 Impfungen, welche aus dem Blut des Erschaffer Wolfs bestanden, waren ein Eingeständnis, welches in den letzten zwei Jahren aus humanitären Gründen gemacht worden war.
Mein Vater bevorzugte die alten Theorien, denn der Mensch und sein Schutz stehen, natürlich und evolutionär begründet, über allen übernatürlichen Wesen. Meine Mutter hingegen war dafür Jedem die Chance auf Rettung zu geben.
„Du weißt, was uns für eine Geldstrafe erwarten wird, wenn wir ohne Genehmigung einen Wolf zurück impfen?"
„ Drei Wölfe Schatz. Vergiss die Kinder nicht."
Schmunzelnd beobachtete ich, wie die Braunhaarige meinen Vater um den Finger wickelte.
So war es immer. Sie stritten, meine Mutter beredet meinen Vater und schließlich machten sie am Ende doch das, was sie wollte. Und dann mussten sie einen Haufen Geld Strafe zahlen. Doch das konnten sie sich leisten, wenn am Ende ein gerettetes Leben stand, so meine Mutter.
Mein Dad seufzte und ich wusste, dass sie ihn hatte.
„Gut Cally mach den Vater ausfindig und wir besorgen uns heute Nacht noch sein Blut. Morgen schleuse ich die Impfungen raus, sodass wir in 24 Stunden fertig sind."
Grinsend drückte meine Mutter ihm einen Kuss auf die Wange und ich wandte mich wieder zum Bildschirm, um die Adresse des Werwolfs ausfindig zu machen. Seinen Namen hatte ich schon- Daniel Duecette und ich musste nur im schottischen Register nach ihm suchen, denn so einen außergewöhnlichen Nachnamen fand man hier nicht allzu oft. Um genau zu sein insgesamt 47 mal. Ich kopierte die Liste, in welcher Name, Adresse, Telefonnummer angegeben waren, und während ich auf drucken klickte, musste ich über das Gesagte meiner Mutter nachdenken.
Ich verstand nicht, wieso eine so fortschrittliche Organisation es nicht zuließ so viele Leben wie möglich zu retten. Sie konnten schließlich wieder zu Menschen werden und niemand würde sterben. Meine Mutter wurde von vielen Kollegen für ihre meiner Meinung nach fortschrittliche Art belächelt, doch selbst würde ich es nicht anders machen.Doch mein kluger Vater betonte immer wieder:
„Wer Druck ausübt, muss mit Widerstand rechnen."
Und der Widerstand kam. Schneller als ich es jemals gedacht hätte.
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