Abteil - Kurzgeschichte
9:37
Der Zug kommt in einem kahlen Bahnhof zu stehen. Eigentlich unterscheidet er sich im Grunde nicht von anderen Bahnhöfen. Und doch scheint es dem Beobachter als schwebe etwas Düsternes über ihm. Das Glas des kleinen Unterstand ist in kleine Splitter zerschlagen worden, die Scherben liegen auf dem rissigen Beton. Unkraut sprießt aus dem Boden und wuchert über den Bahnsteig. Rotes Graffiti lenkt den Blick des Beobachters auf sich. Die eiserne Bank rostet. Es scheint als würde hier seit Jahren keiner mehr gewesen. Es wirkt verlassen.
Alles was den Beobachter von diesem Urteil abhält ist sie.
Eine kleines Wesen steht an dem Bahnsteig. Ihre braunen Haare wallen aus ihrer Kapuze hervor. Ihre braunen Augen starren auf den Zug. Ihr langer Mantel weht um ihren dürren Körper. Ein paar braune Blätter hüpfen des Windes wegen an ihr vorbei. Hüpfen an ihren roten Schuhen vorbei, knistern leise. Ihre blassen Hände stecken in ihren Manteltaschen. Ausdruckslos starrt sie auf den Zug. Die Augen unabhängig auf ihn gerichtet.
Doch das seltsamste ist nicht, dass ein kleines Mädchen an einem verlassenem Bahnhof auf einen Zug wartete, der keine Gäste beherbergte.
Es war das was sie unter ihren schmalen Arm geklemmt hatte.
Eine Schreibmaschine, alt und grau, die Tasten verblichen.
Die Räder des Zuges quitschen laut auf und sie streicht sich eine Strähne aus ihrem Gesicht. Bei dem lauten Knall, den die sich öffnenden Türen von sich geben zuckt sie zusammen und rückt die Schreibmaschine zurecht. Die Schreibmaschine scheint viel zu groß für ihren zerbrechlichen Körper. Ein leises Tappen ertönt als das seltsame Mädchen auf die Tür zugeht und dem Abteil des Zugfahrers zunickt. Dann steigt sie in den Zug, der unnatürlich hell in dem verblassenem Bahnhof erscheint.
Seine Fenster glänzen in dem dunkeln Licht mystisch und das Mädchen hangelt sich an den Haltegriffen zu einem Abteil, während der Zug anfährt.
9:40
Das Mädchen hat ihre kleinen Beine überschlagen und starrt emotionslos auf die regnerische Landschaft, die sich an dem Fenster vorbeizieht. Es erscheint, als würde sie warten. Auf etwas das in baldiger Zeit passieren würde. Die alte Schreibmaschine steht auf dem großem Tisch des Abteils. Das Mädchen wendet kurz den Blick von der grauen Landschaft ab und streicht fast zärtlich ein Staubkorn von der Schreibmaschine. Das Staubkorn fällt auf den grünen Teppichboden und sie stellt ihren Fuß auf das Korn. Die Lichter des Abteils zucken kurz.
9:45
Das Mädchen starrt immer noch aus dem Fenster. Jedoch schiebt sie nun ein graues Blatt auf die Halterung der Schreibmaschine und richtet es kurz ohne den Blick von der Landschaft abzuwenden. Es klackt kurz als sie das Papier grob nach links schiebt. Sie rutscht unruhig auf dem blauem Polster herum, es ist das erstmals, dass das Wesen etwas wie Ungeduld zeigt. Für einen kurzen Moment erscheint etwas genervtes in ihren stählernen Zügen. Einen Moment später verschwindet es wieder. Eine Durchsage hallt durch den Zug, jedoch hört die zischenden Worte nur das Wesen und sie schreckt auf.
"In kurzer Zeit treffen wir in dem nächsten Bahnhof ein. Nächste Haltestelle ist Lerincity.". ein lautes Lachen schallt durch das Abteil und das Wesen hält sich die Ohren zu.
9:50
Der Zug fährt in den riesigen, modernen Bahnhof der Motropole Lerincity. Überralle rennen Menschen mit Koffern herum und haben eine ernste Miene. Einer stürzt und sein Kaffee tropft über sein weißes Hemd, dass noch frisch gebügelt war. Die Türen des Zuges öffnenen sich inden Bahnhof, unter wüsten Fluchen des Gefallenem. Aufeinmal wirkt der Zug nicht wirklich unheilvoll, alle Lichter erleuchten nun die Abteile und das Mädchen kneift die Augen zu. Getrampel auf den Gänge, laute Stimmen, der Zug wirkt wie ein ganz normaler Zug, der zu einem ganz normalen Bahnhof fährt. Das Mädchen zieht den Mantel enger um ihren Körper und es scheint als würde sie trotz der nun laufenden Heizungen frieren. Schnell rückt sie mit ihren schmalen Fingern die Schreibmaschine zurecht und setzt sich gerade hin. Denn Blick richtet sie auf die mit Glas durchsichtige Abteilstür. Ihre roten Schuhe trippeln in einem schnellem Rhythmus auf den Teppichboden. Das Geräusch hallt etwas im Abteil und es hört auf Regen zu nieseln. Die Heizungen machen den erleuchteten Raum gemütlich, würde man meinen, wäre sie nicht da. Von ihr geht etwas unheimliches aus, etwas zu kaltes, als das es in den Raum gepasst hätte. Das Wesen wirkte fehl am Platz. Als wüsste sie selbst das, wischten uhre Hände in einer hastigen Bewegung die Falten aus ihren langen Mantelärmeln. Ihr fokussierter Blick war immer noch auf die Abteilstür gerichtet, die mit einem lautem Ruck aufging. Ein, dem Augenschein nach, Geschäftsman, der eine riesige Zeitung unter dem Arm hatte. Er nickte dem Mädchen kurz zu und setzte sich ihr gegenüber, die Zeitung aufschlagend. Kurz fuhr sein Blick pber die Schreibmaschine und er sah sie fragend an.
"Wer schreibt den heutzutage auf einer alten Schreibmaschine? Geht die noch? Sieht irgendwie kaputt aus.", sagte er mit beschwingter Stimme und grinste sie fröhlich an. Als er sah, wie ihr Blick immer zorniger wurde, sah er weg. Er wirkte beschämt. Gerade wollte er zu Wort ansetzen, als sie etwas sagte. Das erstemal hören wir ihre hohe, scharfe und doch kindliche Stimme.
"Ich. Ich schreibe noch mit einer funktionierenden Schreibmaschine."
Die Betonung auf dem Wort funktionierenden
lässt ihn kurz zusammenfahren. Mit einem letztem wütendem Blick rückt sie die Schreibmaschine vor ihre Blicke und fängt an laut zu tippen.
9:50
𝙳𝚎𝚛 𝚉𝚞𝚐 𝚏𝚊̈𝚑𝚛𝚝 𝚠𝚎𝚒𝚝𝚎𝚛. 𝙳𝚎𝚛 𝙼𝚊𝚗 𝚕𝚒𝚎𝚜𝚝 𝚉𝚎𝚒𝚝𝚞𝚗𝚐. 𝚆𝚊𝚛𝚝𝚎 𝚊𝚞𝚏 𝚊𝚕𝚕𝚎 𝙶𝚊̈𝚜𝚝𝚎 𝚟𝚘𝚛 𝚍𝚎𝚛 𝙼𝚒𝚜𝚜𝚒𝚘𝚗. 𝙹𝚎𝚝𝚣𝚝 𝚋𝚕𝚊̈𝚝𝚝𝚎𝚛𝚝 𝚎𝚛 𝚞𝚖 𝚊𝚞𝚏 𝙿𝚊𝚗𝚘𝚛𝚊𝚖𝚊.
Das Mädchen nickt kurz als sie ihren Text nocheinmal durchgeht. Der Geschäftsmann ist in seine Zeitung vertieft und schaut nicht auf.
9:55
𝙳𝚎𝚛 𝚉𝚞𝚐𝚏𝚊𝚑𝚛𝚎𝚛 𝚑𝚊𝚝 𝚔𝚎𝚒𝚗𝚎 𝙳𝚞𝚛𝚌𝚑𝚜𝚊𝚐𝚎 𝚐𝚎𝚖𝚊𝚌𝚑𝚝, 𝚘𝚋𝚠𝚘𝚑𝚕 𝚠𝚒𝚛 𝚋𝚊𝚕𝚍 𝚒𝚗 𝚍𝚎𝚗 𝚗𝚊̈𝚌𝚑𝚜𝚝𝚎𝚗 𝙱𝚊𝚑𝚗𝚑𝚘𝚏 𝚏𝚊𝚑𝚛𝚎𝚗. 𝙸𝚌𝚑 𝚑𝚘𝚏𝚏𝚎 𝚎𝚛 𝚒𝚜𝚝 𝚊𝚗 𝚎𝚒𝚗𝚎𝚖 𝚏𝚞̈𝚛𝚌𝚑𝚝𝚎𝚛𝚕𝚒𝚌𝚑𝚎𝚗 𝚃𝚘𝚍 𝚐𝚎𝚜𝚝𝚘𝚛𝚋𝚎𝚗. 𝚄𝚗𝚍 𝚎𝚛 𝚕𝚎𝚋𝚝 𝚗𝚘𝚌𝚑, 𝚑𝚊𝚝 𝚐𝚎𝚛𝚊𝚍𝚎 𝚐𝚎𝚜𝚊𝚐𝚝, 𝚍𝚊𝚜𝚜 𝚠𝚒𝚛 𝚐𝚕𝚎𝚒𝚌𝚑 𝚒𝚗 𝙺𝚛𝚎𝚗𝚜𝚒𝚔𝚎𝚛𝚎 𝚎𝚒𝚗𝚏𝚊𝚑𝚛𝚎𝚗. 𝙳𝚘𝚛𝚝 𝚜𝚘𝚕𝚕𝚝𝚎 𝚎𝚒𝚗𝚎 𝚓𝚞𝚗𝚐𝚎 𝙵𝚛𝚊𝚞 𝚒𝚗 𝚖𝚎𝚒𝚗 𝙰𝚋𝚝𝚎𝚒𝚕 𝚎𝚒𝚗𝚜𝚝𝚎𝚒𝚐𝚎𝚗 - 𝚠𝚎𝚗𝚗 𝚎𝚜 𝚜𝚝𝚒𝚖𝚖𝚝, 𝚠𝚊𝚜 𝚜𝚒𝚎 𝚜𝚊𝚐𝚎𝚗. 𝙳𝚎𝚛 𝙼𝚊𝚗𝚗 𝚕𝚒𝚎𝚜𝚝 𝚓𝚎𝚝𝚣𝚝 𝚂𝚞𝚌𝚑𝚊𝚗𝚣𝚎𝚒𝚐𝚎𝚗. 𝙰𝚞𝚜𝚜𝚎𝚛𝚍𝚎𝚖 𝚒𝚐𝚗𝚘𝚛𝚒𝚎𝚛𝚝 𝚎𝚛 𝚖𝚒𝚌𝚑. 𝚆𝚞̈𝚛𝚍𝚎 𝚒𝚌𝚑 𝚊𝚗 𝚜𝚎𝚒𝚗𝚎𝚛 𝚂𝚝𝚎𝚕𝚕𝚎 𝚊𝚞𝚌𝚑 𝚝𝚞𝚗.
Das Mädchen sieht auf. Obwohl ihre Schriften nicht von großer Intelligenz zeugen, funkeln ihre Augen. Sie schimmern im Licht und ihre Pupille weitet sich merkwürdigerweise. Sie füllt fast das ganze Auge aus. Dann dreht sie sich wieder zu dem Fenster des Abteils. Es ist Beschlagen und sie hebt ihre schmale Hand.
Zitternd schreibt sie ein Wort.
Əndə
Es quitscht kurz auf als sie ihren Zeigefinger über die Scheibe fahren lässt. Die Lichter flackern. Die Zeitung raschelt als der Mann sie genervt sinken lässt. Er starrt in die dunkeln Augen des Wesens. Dann auf die Fensterscheibe, kurz runzelt er die faltige Stirn, bevor er sich wieder seiner Zeitung zuwendet. Das Mädchen legt ihre Finger auf die Buchstaben der Schreibmaschine. Sie verhaart vollkommen ruhig.
10:00
Die Türen des Zuges öffnen sich und Menschen drängen sich in den Zug. Anders als der letzte Bahnhof wirkt alles still, stressig. Das Wesen schaut auf die Zeitung und ihr Mantel flattert als die Tür aufgeht. Eine Junge Frau wendet den Blick nicht vom Smartphone ab, als sie das Abteil betritt und sich sinken lässt. Dann hebt sich den Blick und sie scheint vor Angst bewegungsunfähig zu sein.
Das Wesen lächelt böse.
10:30
Die Frau starrt immer noch das Wesen an, als ein dritter Passagier des Zuges das Abteil betritt. Er setzt sich der Frau gegenüber und starrt auf seinen ausgeklapptem Laptop. Er mustert niemanden.
10:40
Es ist gespenstisch ruhig als das Wesen die verängstigte Frau anschaut und anfängt zu tippen. Die Frau fällt in sich zusammen. Dann fleht sie das Mädchen an.
'Ich..ich habe die Schulden beglichen! Ich..ich habe sie beglichen...lass mich in Frieden!'
Sie schluchzt.
Die anderen schauen auf und senken beschämt den Blick. Sie wollen nichts mit der Frau zutun haben.
Doch das Mädchen hebt ihre Fingerspitzen und streckt sie, bevor sie weiter tippt.
10:50
Plötzlich flackern die Lichter und es wird dunkel.
10:51
Es ist wieder hell. An dem Platz der Frau liegt eine Feder. Grau. Die Passagiere scheinen, als sähen sie sie nicht. Nur das Mädchen scheint sie zu sehen.
12:03
Der Zug fährt in den nächsten Bahnhof ein. Im Abteil sind Blutlachen.
Das Mädchen verlässt den Zug.
Sie setzt sich auf eine verwitterte Bank und stellt die Schreibmaschine auf ihre Beine.
Morgen wird die Polizei nach dem mysteriösen Mörder suchen.
Doch wer glaubt den, das ein kleines Mädchen mit Schreibmaschine, soetwas bewirken könnte?
Sie starrt auf das noch leere Papier, als Buchstaben darauf erscheinen.
Sind sie tot? Ist die Frau nun gefangen im Käfig der ewigen Trauer?
Das Mädchen nickt. Eine Träne tropft auf das Papier. Sie wischt sich über die Augen und blinzelt. Sie versucht die Schreibmaschine von ihrem Schoss zu schmeißen. Nichts passiert.
'Was habe ich nur getan?', schluchzt sie laut und klemmt sich die Schreibmaschine unter den Arm, als sie sich auf den Weg in den nächsten Zug begibt.
1 Tag später
Eine junge Frau steht am Bahnhof, eine Schreibmaschine unter dem Arm. Sie weint.
Sie wird das erste Mal töten. Sie hat ihre Schulden nicht beglichen, deshalb wird sie für immer gefangen sein. Gefangen im Käffig der ewigen Trauer.
Sie werden verlorene Seelenmörder genannt.
Töten mit dem Tippen von Wörtern.
Gefangen für immer.
Dafür auserkoren Menschen zu fangen und aus ihnen seinesgleichen zu machen.
Sie morden.
Sie verletzen.
Sie schreiben.
Manche nennen sie verlorene Autoren.
12:34
Die Frau sitzt weinend in einem Abteil, als sie die Opfer anschaut.
Sie tippt mit zittrigen Händen, noch nienwar sie so grausam. Tippt das alles zerstörende Wort.
𝙴𝚗𝚍𝚎.
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