24. Kapitel
Hören Sie mich? Hallo? Haben Sie Schmerzen?
Ja! Ja verdammt, ich habe sogar riesengroße Schmerzen. Das würde ich dieser lästigen Stimme auch gerne entgegenbrüllen, doch meine Lippen weigerten sich, sich zu teilen.
Zu anstrengend schien der Aufwand für diese Bewegung zu sein.
Er ist stabil. Wie sieht es mit ihr aus?
Wer? Wer ist stabil? Von wem reden sie? Was ist überhaupt passiert?
Ich stieß ein leises Stöhnen aus, als ich versuchte, meine Augen zu öffnen. Erfolgslos. Meine Lider waren viel zu schwer.
Ein wahres Wunder... Airbag.... die Sitzeinstellung... Körpergröße... tödliche Verletzung.
Die nervtötende Stimme schwand. Ich runzelte die Stirn und versuchte, mich auf die gesprochenen Worte zu konzentrieren, die sich in meinem Kopf jedoch zu Watte verwandelten.
Sie ergaben einfach keinen Sinn. Sie waren Bedeutungslos.
Ich wollte mich bewegen. Meine Augen und meinen Mund öffnen. Ich wollte, dass diese verdammten Schmerzen endlich ein Ende fanden.
Sie waren einfach überall. Durchzogen meinen Körper wie Gift. Und ich konnte nichts dagegen tun.
Leise wimmerte ich auf und versuchte, mich wie ein kleines Kind zusammen zu kauern, in der Hoffnung, das schmerzhafte Pochen und Ziehen damit etwas zu lindern. Natürlich brachte es nichts.
Mein kläglicher Versuch die Kontrolle über meinen Körper wieder zurückzuerlangen sorgte lediglich dafür, dass diese unangenehme Stimme wiederauftauchte und meinen Verstand mit seinen besudelnden Worten füllte.
Alles ist gut. Sie werden schon bald wieder in Ordnung sein.
Dunkelheit umgab mich. Sie war beruhigend, beinahe betörend.
Sie brachte die Stille mit sich. Hüllte mich ein, wie eine Blase, um mich vor all dem Lärm und dem gleißenden Licht zu schützen, dass schon bald wie tobende Wellen über mich hereinbrechen würde.
Ich hob meine Hand. Streckte sie dem schwarzen Nichts entgegen und lächelte. Wann hatte ich mich das letzte Mal so unbeschwert gefühlt? Es mussten Jahre vergangen sein.
Keine Schmerzen. Keine nervenaufreibenden Gespräche. Keine widersprüchlichen Gefühle. Einfach nichts. Und ich liebte es.
Sorgfältig begann ich, Muster und Buchstaben in die Dunkelheit zu zeichnen. Meine Augen verfolgten die blasse Silhouette meiner Hand, die sich gegen das Schwarz abhob, wie der glitzernde Mond gegen den dunklen Nachthimmel.
Erneut zogen sich meine Mundwinkel nach oben. So könnte es für immer bleiben.
Ich fühlte mich so frei, so federleicht, als würde ich jeden Moment einfach abheben, um meine Kreise durch das schwarze Nichts ziehen zu können.
Plötzlich drang ein Geräusch durch die Nebelschwaden in meinem Gehirn zu mir hindurch. Ein penetrantes, synchrones Piepen durchzog meine Gehörgänge und ließ mich missmutig das Gesicht verziehen.
Die Blase hatte Risse bekommen. Sie schloss die Realität nicht mehr aus und es würde nur eine Frage der Zeit sein, bis sie völlig platzte.
Ich wandte mich unter den gedämpften Schmerzen und presste die Lippen fest aufeinander.
„Macy?" Eine vertraute Stimme brachte die Blase endgültig zum Einsturz. Die Welle brach über mich herein.
Ich stöhnte leise auf, als mein Körper wieder zum Leben erwachte und all die Schmerzen zuließ, die ihn quälten.
Meine Finger zuckten, als sich etwas Warmes über sie legte.
„Süße? Oh Gott, geht es dir gut? Soll ich einen Arzt rufen?" Ava klang gehetzt, als sie meine Hand zwischen ihre Handflächen zog und vorsichtig mit ihren Fingern über die Meinen strich.
„Wieso Arzt?", stieß ich kraftlos hervor. Meine Stimme klang heiser; als hätte ich sie seit Wochen nicht benutzt.
Flackernd öffnete ich meine Lider, nur um sie gleich darauf wieder mit einem leisen Wimmern zu schließen. Das gleißende Licht blendete schrecklich.
Als ich meine Augen das nächste Mal öffnete, starrte ich geradewegs in Avas rot verquollenes Gesicht. Irritiert zog ich die Augenbrauen zusammen.
Hatte sie geweint?
„Ist etwas passiert?", krächzte ich und beobachtete verblüfft, wie sich eine Träne aus dem feuchten Schleier in ihren bernsteinfarbenen Augen löste.
Ava stieß ein Lachen aus. Es klang verzweifelt und absolut unnatürlich. Dennoch zeichnete sich ein erleichtertes Lächeln in ihrem Gesicht ab, als sie sich zu mir vorbeugte und meine Hand ein kleines bisschen fester drückte.
„Ob etwas passiert ist?", fragte sie mit zittriger Stimme und verdrehte in glücklicher Manier die Augen. „Sieh dich doch Mal um, Macy! Du liegst in einem verdammten Krankenhaus!"
Stumm betrachtete ich Avas aufgelöste Gesichtszüge. In ihrer Mimik kämpften Erleichterung und Verzweiflung um den Sieg, doch in ihren funkelnden Augen konnte ich die weinerliche Freude erkennen, die sie in diesem Augenblick durchströmte.
Ich war im Krankenhaus? Das würde erklären, warum die kahlen, weißen Wände völlig befremdlich auf mich wirkten und Ava wie ein Häufchen Elend neben der sterilen Bettwäsche hockte, um meine Hand zu halten.
Aber warum war ich im Krankenhaus?
Nachdenklich runzelte ich die Stirn und versuchte, die Ereignisse der letzten vierundzwanzig Stunden wieder heraufzubeschwören.
Ich hatte meine Familie besucht, um ihnen von Camerons und Patricks Intrigen zu erzählen und wurde verstoßen. Einfach so. Sie hatten meinem Bruder mehr Glauben geschenkt als mir und dass, obwohl sich meine Geschichte auf Beweisen stützte, die Cam nicht einmal versucht hatte, zu erklären.
Der Schmerz, der sich bei dieser Erinnerungen in meiner Brust ausbreitete, ließ mich für ein paar Sekunden die Luft anhalten.
Ich hatte sie verloren. Endgültig.
Mein Vater würde meine Anwesenheit erst wieder dulden, wenn ich Cameron mit großem TamTam um Verzeihung bitten würde.
Aber darauf konnte er lange warten. Ich war nicht diejenige, die sich entschuldigen sollte.
Ich hoffte nur, mein Bruder würde irgendwann die Kraft finden, über seinen Schatten zu springen. Es würde mir schon reichen, wenn er nur mir Gegenüber seine Fehler eingestehen würde.
Seinen Verrat vor unseren Eltern aufzuarbeiten, war eigentlich nicht mein Plan gewesen. Eher eine Kurzschlussreaktion, als Cameron mit ängstlicher Miene, ohne den Hauch von Reue in seinem Gesicht, meinen Besuch zur Kenntnis genommen hatte.
„Ich war in Lakewood, um... um alles hinter mir zu lassen", fing ich leise an und legte die Stirn in Falten. „Dann... hast du mich angerufen? Nein, ich hab dir geschrieben... oder?"
Unsicher begegnete ich Avas Blick die mich aufmunternd anlächelte und nickte.
„Ja, du hast mir geschrieben, woraufhin ich dich angerufen habe", bestätigte sie meine wirren Vermutungen.
Offensichtlich verwunderte sie mein geringes Erinnerungsvermögen nicht.
Ich runzelte die Stirn und kniff angestrengt die Augen zusammen. Aber was war danach passiert? Was hatten Ava und ich am Telefon besprochen?
„Was ist dann passiert?", kapitulierte ich schließlich dem großen, schwarzen Loch in meinem Gedächtnis.
Ava lächelte mich mitfühlend an und neigte den Kopf zur Seite. Ein Funken Besorgnis huschte über ihr Gesicht, als sie sich noch ein Stückchen vorbeugte und mir eine rote Strähne aus dem Gesicht strich.
„Ich und Blake sind nach Lakewood gekommen, um dich abzuholen. Danach bist du mit Blake vorgefahren, während ich noch ins Dinner gegangen bin." Mit jedem weiteren Wort Avas wurde ihre Stimme dünner und zittriger. Tränen glitzerten in ihren bernsteinfarbenen Augen und ließen mich verwundert blinzeln.
„Gott, Süße, dass ist alles meine Schuld! Ich hätte niemals auf die dämliche Idee kommen sollen, dich und Blake allein loszuschicken. Wäre ich nicht gewesen, wärst du niemals in sein Auto gestiegen und dieser verdammte Jeep wäre niemals gegen diese beschissene Leitplanke geknallt!"
Ava wurde von einem lauten Schluchzer ihrerseits unterbrochen. Mittlerweile rannten ihr die Tränen in Strömen über das Gesicht und als sie ihre Wangen benetzten, vergrub sie es in ihren Handflächen. „Es tut mir so leid! Das ist alles meine Schuld!"
„Ava", murmelte ich sanft und streckte meine Hand nach ihr aus.
Als ich ihr Knie berührte, zog sie ihr Gesicht hinter ihren Händen hervor und begegnete meinem Blick gequält.
„Ich wollte das nicht, Macy! Wirklich!"
Die Wangen meiner Freundin waren gerötet, ebenso wir ihre geschwollenen Augen. Es ist ewig her, seit ich Ava das letzte Mal in solch einem verletzlichen Zustand gesehen hatte.
„Es ist nicht deine Schuld, Ava", versuchte ich sie zu beruhigen, doch sie war völlig aufgelöst.
„Natürlich ist es meine Schuld! Ohne mich wärst du doch niemals in Blakes Auto gestiegen!"
Ich biss mir auf die Unterlippe, da sie bei dieser Aussage nicht ganz unrecht hatte. Nach all den Geschehnissen wäre Blake wohl nicht gerade meine favorisierte Mitfahrgelegenheit gewesen, jedoch kann ich nicht zu einhundert Prozent bestätigen, dass es nicht so gewesen wäre.
In Blakes Nähe handelte ich oft nicht nach meinem Verstand.
„Ava, bitte", probierte ich es erneut. „Mach dich nicht fertig deswegen. Mir geht es gut."
Meine Freundin warf mir einen zweifelnden Blick zu und öffnete bereits den Mund, um mir zu widersprechen, als sie mit einem kurzen Kopfschütteln innehielt. Langsam schloss sie ihren Mund wieder.
„Naja, immerhin lebst du noch", murmelte sie schließlich ergeben und strich sich die schokoladenfarbenen Locken aus dem Gesicht.
Ich lächelte sie dankbar an und sah nun zum ersten Mal an mir herab.
Der Großteil meines Körpers war von der scheußlich gelben Bettdecke bedeckt, weshalb ich nur durch zaghafte Bewegungen erahnen konnte, wo ich mir durch den Unfall Verletzungen zugezogen hatte.
Mein Brustkorb schmerzte bei jedem Atemzug und ein leises Pochen an meinen Schläfen ließ mich vermuten, dass mein Kopf nicht ganz so unbeschadet die ganze Situation überstanden hatte.
„Der Arzt meinte, dass du größtenteils nur Prellungen und Quetschungen hast, aber in den Spiegel würde ich nicht sehen. Sieht ziemlich übel aus", offenbarte mir Ava schließlich, die mich aufmerksam beobachtet hatte. „Und du hast, glücklicherweise nur eine leichte, Gehirnerschütterung. Du könntest kleine Gedächtnislücken haben. Die haben dich zwei Tage lang mit Schmerzmittel zugdröhnt, deswegen bist du auch erst heute aufgewacht."
Überrascht horchte ich auf und warf Ava einen alarmierten Blick zu. „Ich war zwei Tage lang weg?"
Ava nickte. „Krass, oder?"
Zwei Tage. Ich hatte ganze achtundvierzig Stunden meines Lebens verschlafen. Einfach so.
„Was ist mit Blake?", fragte ich schließlich.
Ich hatte die Frage bewusst vor mir hergeschoben. Keine Ahnung warum. Wenn er wirklich ernsthaft verletzt wäre, hätte Ava schon längst mit der Sprache herausgerückt.
Warum also klopfte mein Herz so aufgeregt gegen meinen Brustkorb, dass es schon fast weh tat?
Ava senkte den Blick und strich sich nervös durchs Haar. Ich wusste nicht, ob sie traurig oder unsicher war, als sie den Kopf wieder hob und meinen Blick begegnete.
„Er hatte mehr Glück als du. Nur ein paar Kratzer, aber sie haben ihn trotzdem noch hierbehalten. Zur Beobachtung, oder so."
Ich atmete erleichtert auf und ließ mich zurück ins Kissen sinken. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich mir bei Avas Erzählung unwillkürlich vorgelehnt hatte, aber jetzt spürte ich den protestierenden Schmerz meines Körpers umso mehr.
„Und wo ist Harp?"
„Sie wollte morgen kommen. Wir haben uns abgewechselt. Am Besten schreib ich ihr gleich, dass du wach bist - Sie hat sich unglaubliche Sorgen gemacht."
Ava erhob sich von dem Stuhl, der neben meinem Bett stand und zog ihr Smartphone aus der hinteren Hosentasche hervor.
„Brauchst du irgendetwas? Kaffee? Tee? Saft?", besorgt wandte sie sich zu mir um und neigte den Kopf zur Seite.
„Darf ich überhaupt Kaffee trinken?", warf ich belustigt ein und lächelte, als Ava lediglich mit den Schultern zuckte.
„Lieber Tee?", fragte sie und grinste mich entschuldigend an.
„Wasser, bitte."
Ava nickte und salutierte vor mir. „Kommt sofort, Miss Stone!"
Kichernd kuschelte ich mich tiefer in die Bettwäsche und schnupperte an dem Stoff, an welchem der penetrant Geruch von Desinfektionsmittel hing, ehe ich erschöpft die Augen schloss.
Ich weiß nicht warum, aber irgendwie bin ich unzufrieden mit dem Kapitel ... Ich muss mir wirklich Mal die Zeit nehmen und das alles Korrektur lesen, bevor ich überhaupt ans weiterschreiben denke.
In letzter Zeit geht es mir immer häufiger so - Die Kapitel wollen einfach nicht so aussehen, wie ich sie mir in meinem Kopf vorstelle (Okay, das klang jetzt weird, aber ich hoffe, ihr wisst, was ich meine xD).
Was mir jetzt beim kurzen Überfliegen aufgefallen ist: Kann es sein das es am Anfang so klingt, als ob Blake jetzt einfach gestorben wäre? xD Oder liegt das an mir?
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