Unterhaltungen
„Aufstehen! Na los, macht schon!", erklang es von draußen.
Schritte. Viele Schritte. Gaitasunos die sich regten, gaitasunos die gähnten. Leiter die herumgrölten und an den Zeltwänden klopften und ich, die in ihrem Schlafsack eingemummelt sich wünschte, niemals aufstehen zu müssen. Äh, oder eher gesagt DER, der in seinem Schlafsack eingemummelt sich wünschte, niemals aufstehen zu müssen.
So richtig hatte ich mich immer noch nicht an dieses „der, er, seins, seinem" und so weiter gewöhnt. Wobei das vielleicht auch gar nicht mal so schlecht war, nicht dass ich am Ende noch vergaß wer ich wirklich war.
Schlaftrunken zog ich mich um und machte, bevor ich zum Frühstück ging, nochmal Halt bei den Plumpsklos. Weg von den stinkenden Hütten atmete ich die frische Waldluft ein. Meinen Anzug hatte ich gestern noch gewaschen, aber vollständig getrocknet war er leider nicht.
Es störte mich jedoch nicht allzusehr, solange ich mir nicht eine Erkältung einfing...
„Huch, Sven? Pünktlich unterwegs?",
zog mich Tyler grinsend auf und ging neben mir her.
Ich verschränkte meine Arme,
„Toll, ne?"
„Definitiv"
„Weißt du schon was wir heute machen werden?"
„Aha, du hast also nicht beim Abendessen aufgepasst, natürlich."
Mist!
Verlegen zuckte ich mit den Schultern.
„Ungefähr so wie gestern", sprach er weiter.
Nach dem Fußmarsch fanden wir uns vor dem weißen Zelt wieder. Während er sich nach einem kurzen „bis später" auf den Weg zu seinem Tisch machte, hielt ich noch kurz inne und bestaunte die vielen Gaitasunos.
Die letzten Male war ich viel zu nervös und aufgebracht gewesen, um wirklich zu verinnerlichen wo ich mich gerade befand.
Irgendwo im Nirgendwo, in einem Camp, gefüllt von so gut wie allen Bengaloen und Twanern des Landes...
Nop, es kommt mir immer noch so surreal vor. Vor allem, weil ich mich eigentlich anderen Sachen zu wenden sollte. Es gibt noch so viele Fragen... wow, jetzt bin ich schon wieder bei diesem Thema...
„Guten Morgen, Camp!"
Erschrocken bemerkte ich, dass Mrs. Stone bereits mit ihrer Rede anfing, kaum jemand mehr durch die Gegend lief und ich wie ein Vollidiot bloß rumstand. Ein verlegendes Grinsen stahl sich auf mein Gesicht und ich huschte zu meinem Tisch.
„Wir werden wie angekündigt das vorherige Programm weiterhin fortführen. Erst in den folgenden Tagen werden eure Fähigkeiten in die Übungen eingebaut werden.
„Mann, ich würde lieber jetzt schon damit anfangen", nörgelte der Lauch.
„Hör auf zu meckern und sei dankbar, dass du deine schon hast", murmelte Kathrin.
Die Brünette war bis jetzt die einzige außer mir, die ich kannte, die ihre Kräfte noch nicht erlangt hatte. Und anscheinend war sie genauso begeistert davon wie ich. Doch im Gegensatz zu mir, hatte ihr Geburtstag auch noch nicht stattgefunden, also war es auch total normal, dass sie noch nicht erschienen waren.
„Nun gut, das Buffet ist eröffnet!"
Alle erhoben sich von ihren Plätzen, wodurch ein riesen Tumult ausbrach. Vorsichtshalber blieb ich lieber länger sitzen, um nicht übertrampelt zu werden oder mir mal wieder etwas auf die Kleidung zu klatschen.
~~~~~~~~~~~~~~~
„Dann fangen wir mal an!", rief Jessica.
Völlig fertig lag ich mit dem Bauch auf den Rasen, sodass mein Gesicht der Wiese zugerichtet war.
Witzig! Dieses bescheuerte Aufwärmen ist mir anstrengend genug...
„Bewegung! Aber zackig!"
Ihren Ausrufen nach zu urteilen, geht es den anderen aber wenigstens auch so.
Ich spürte wie eine zarte Hand meinen verschwitzen Körper anfasste und mich daraufhin hochzog.
Kathrins graue Augen musterten mich verspielt.
„Mensch Sven, gib dir doch mal Mühe!", meckerte sie grinsend.
„Danke für die Hilfe, aber falls es dir noch nicht aufgefallen ist, ich bin einfach nicht so sportlich!"
Jetzt verzog sie jedoch ihr Gesicht, „was noch nicht ist, kann werden."
„Na los, geht wieder in eure Gruppierungen! Heute ohne Stöcke", unterbrach Jessica unsere Konversation, die mich beinahe zum Nachdenken angeregt hätte.
Es war wieder dieser unangenehme blonde Kerl, der sich gegenüber von mir aufstellte. Er grinste mal wieder boshaft auf und begann sofort auf mich loszurennen.
Diesmal nicht mit mir!
So schnell ich konnte, wich ich mit ein paar Schritten aus. Für einen kurzen Moment sah er sich verwirrt um, wie ein Stier, der sein Ziel verfehlt hatte.
Aber dann fing er sich sofort und lief von neuem auf mich los. Erneut wollte ich die vorherige Taktik anwenden, als ich beim zweiten Schritt über meinen Fuß stolperte, auf die Wiese plumste und er verwundert vor mir stehen blieb
„Mann, du bis echt ein Looser!", machte der Junge sich über mich lustig. Doch ich wiederum hatte mich von meinem Patzer wieder gefangen und rollte schnell zur Seite, als sein Fuß auf mich zu kam.
Statt mich zu treffen, traf er also in die Luft, was sein Gleichgewicht durcheinander brachte und sein Hintern neben mir auf dem Boden landete.
„Ha, wer lacht jetzt!", rief ich ihm zu, während wir beide wieder aufsprangen.
Er brachte ein Geräusch hervor, dass sich wie Knurren anhörte, womit er mich nur noch mehr verstörte.
Diesmal rannte ich auf ihn zu und verpasste ihm einen Hieb gegen die Brust. Nachdem der Blonde kurz zurücktorkelte, warf er sich mit seinem ganzen Gewicht auf mich.
„Auu", murte ich unter ihm hervor. Mein Herz dröhte und meinem Brustkorb fiel es schwer, sich unter dem Druck zu heben, der mich gegen den Boden presste.
„Hab ich gesagt dass wir fertig sind? Na los, weiter!", brüllte Jessica uns an. Erschöpft stöhnte ich. Es war ziemlich nachvollziehbar, wieso Logan sie nicht leiden konnte.
Also stellten wir uns wieder auf und machten weiter, bis das erlösende Wort „Pause!", aus dem Munde unserer Leiterin erklang.
Völlig fertig ging ich zum Rand der Wiese und lehnte mich gegen einen Baum.
„Na?"
„Oh, hey", begrüßte ich Kathrin, die sich zu mir gesellt hatte.
„Ich... äh, danke "
Ihr freundlicher Ausdruck änderte sich zu einem verdutzten.
„Wegen vorhin...Du hilfst mir immer wieder auf die Beine, obwohl du deine Zeit mit so sportlich begeisterten Leuten wie dir verbringen könntest."
Jetzt schenkte die Brunette mir erneut ein Lächeln. Aber nicht ein solches, als wäre es schnell aufgesetzt worden, wie gerade eben. Sondern eines als würde sie mich verstehen, als käme es von ihrem Herzen.
„Ab und zu braucht jeder, obwohl man es vielleicht nicht wahrhaben will, jemanden der einem zur Seite steht."
„Wow, das ist ganz schön... tiefsinnig, kaum jemand den ich kenne, kann andere so warnehmen wie du."
Ein verlegenes Grinsen stahl sich auf ihr Gesicht, „meinst du es hat mit meiner Fähigkeit zu tun?"
Mein Blick wanderte durch die Gegend. Von den kräftigen Bäumen, zur zerrupften Wiese, über die Gaitasunos hinweg, die gerade übten, oder sich ausruhten, lachten oder total konzentriert übten, bis zum tiefblauen Himmel, an dem strahlende Wolken langsam und friedlich vorbeizogen.
„Ja, bestimmt."
„Genug davon", sie räusperte sich und stupste mich an, „reden wir über die attraktiven Kerle, die du beobachtest"
Die... was? Ups, ich bin wohl bei meinem durch die Gegend Schauen an ihnen hängen geblieben.
„Äh, was willst du bereden?"
Wieder stupste sie mich verspielt an, „jetzt tu doch nicht so."
Eine Brise zog vorbei und kühlte meinen schwitzigen Nacken. Antworten tat ich allerdings nicht, ich verstand nicht worauf sie hinaus wollte.
„Ach komm schon, dein Verhalten, deine Gangart, dein Kichern... sag mir nicht, dass du nicht auf Jungs stehst."
Oh, äh... das kam unerwartet. Bin ich wirklich so weiblich? Also eigentlich ist das schön. In dem Fall...naja... ich meine verleugnen kann ich es nicht, schließlich stimmt es ja. Also gut wieso nicht?
„Doch..."
„Hallo? Jetzt bitte nochmal mit mehr Motivation! Sei stolz auf das, was du bist."
Erstaunt musterte ich die grau Äugige. Ich hätte nie gedacht, dass sie so extrem einfühlsam und verständnisvoll sein würde.
„Doch, ich bin schwul!"
„Super! Ich bin hetero!"
„Hast du vor mit einem Typ zu reden? Oder willst du sie weiter mit mir beobachten?", fragte ich sie lächelnd.
„Aber... was ist mit dir?"
„Ach... ich und mein Liebesleben, das ist kompliziert."
Was rede ich da eigentlich für ein Zeug?
„Geh ruhig."
„Wenn du meinst", sprach sie strahlend und sah mir noch ein letztes Mal in den Augen, bevor sie rüber zu den Typen ging.
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